Die Erstversorgung des gesunden Neugeborenen erfolgt durch die Hebamme oder den Geburtshelfer. Gefährdete Säuglinge werden primär vom Kinderarzt untersucht.
Die Erstuntersuchung (U1) wird in den ersten Stunden nach der Geburt durchgeführt und hat das Ziel kindliche Fehlbildungen und Geburtsschäden sowie Störungen der Atmung und/oder des Kreislaufs frühzeitig zu erkennen. Die Erstversorgung bzw. Erstuntersuchung umfasst zunächst folgende Punkte:
Die Erstuntersuchung wird durch das Neugeborenenscreeening ergänzt. Darunter versteht man ein in der Regel national konzipiertes Programm zur Reihenuntersuchung auf angeborene Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen im Neugeborenenalter, die behandelbar sind und durch eine rechtzeitige Behandlung (vor Einsetzen der Krankheitserscheinungen) Folgeschäden vermieden werden können.
Nach Richtlinien der Bundesärztekammer erfolgt das Neugeborenenscreening frühestens nach 36 Stunden und spätestens am 5. Tag nach der Geburt
In seiner Sitzung am 19. Juni 2008 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Änderung der Kinder-Richtlinien zur Einführung eines Neugeborenen-Hörscreenings.
Mit der Einführung des Neugeborenen-Hörscreenings haben alle Neugeborene in Deutschland einen Anspruch auf Früherkennungsuntersuchung von Hörstörungen.
In der Regel wird die Blutprobe am 3. Lebenstag entnommen. Nur in Ausnahmefällen kann sie auch im Alter von weniger als 36 Stunden durchgeführt werden. Die Blutentnahme für das Neugeborenenscreening erfolgt aus der Ferse des Kindes.
Eine mit den Patientendaten beschriftete spezielle Filterpapierkarte wird in den vorgegebenen Feldern vollständig und gleichmäßig mit Blut durchtränkt. Anschließend trocknet man die Karte mindestens eine Stunde bei Zimmertemperatur.
Sie darf jedoch keinesfalls erhitzt werden! Noch am selben Tag wird die Blutprobe in das Screening-Labor versandt. Solche Proben dürfen auf keinen Fall über mehrere Tage gesammelt werden. Das Ergebnis liegt innerhalb der nächsten Tage vor.
Bei einem positiven Testergebnis ist das Vorliegen einer der genannten Krankheiten keineswegs sicher. Sie ist nur ein Zeichen, dass zunächst eine Reihe von weiteren Kontrolluntersuchungen an einer frischen Blutprobe durchzuführen sind.
Folgende Untersuchungen werden durchgeführt:
Die angeborene Schilddrüsen-Unterfunktion kommt mit einer Häufigkeit von 1: 3.000 vor. In Jod-Mangel-Gebieten ist sie viel häufiger anzutreffen. Unbehandelt führt die Erkrankung innerhalb kurzer Zeit (wenigen Wochen) zu schweren Hirnschäden, die auch durch eine spätere Behandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Daher sollte diese Untersuchung rechtzeitig durchgeführt werden um Folgeschäden zu vermeiden. Die Grenzwerte liegen für eine angeborene Unterfunktion in einem niedrigen Bereich, so dass sich grenzwertige Ergebnisse in den allermeisten Fällen bei der Kontrolluntersuchung als unauffällig erweisen.
Bei abnormen oder grenzwertigen Ergebnissen sollte der behandelnde Arzt umgehend informiert werden, um eine rechtzeitige Behandlung sicherzustellen. Zudem sollte in Kürze eine Blutprobe (aus der Vene) vom Kind für eine Kontrolluntersuchung abgenommen werden.
Nach der Abnahme der Kontroll-Blutprobe muss sofort mit der Behandlung mit Schilddrüsenhormonen begonnen werden. Ergibt sich aus der Kontrolluntersuchung ein normaler Befund, so kann die vorsorgliche Behandlung wieder beendet werden. Bei einem positiven Befund ist eine Dauerbehandlung mit entsprechenden laufenden Kontrollen erforderlich.
Die Phenylketonurie tritt mit einer Häufigkeit von 1:6.000 bis 1:10.000 auf und kommt demnach viel geringer vor als die Hypothreose. Bei dieser Krankheit besteht eine Störung im Stoffwechsel der Aminosäure Phenylalanin, welches zu einer Vermehrung der Phenylbrenztraubensäure im Blut und Urin des Kindes führt.
Es besteht eine Behinderung bzw. Blockierung des normalen Stoffwechselweges des Phenylalanins zu Tyrosin und dem Pigment Melanin. Aufgrund dieser Störung ergeben sich die Leitsymptome der Phenylketonurie, die geistige Behinderung und Pigmentarmut.
Durch eine frühzeitige Erkennung kann sofort mit einer phenylalaninarmen Ernährung begonnen und damit eine normale Entwicklung des Kindes sichergestellt werden. Auch bei der Phenylketonurie sind die Grenzwerte niedrig angesetzt.
Das bedeutet also, dass ein abnormes Untersuchungsergebnis beim Screening nicht für die Erkrankung beweisend ist. Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, vor allem die Bestimmung von zusätzlichen Faktoren, die im Stoffwechsel des Phenylalanins eine Rolle spielen.
Zudem können falsch positive Screening- Ergebnisse durch eine vorübergehende Unreife des kindlichen Stoffwechsels als Ganzes beruhen oder aber durch Medikamente, Infusionen oder besondere Kindernahrung hervorgerufen werden. Im Verdachtsfall ist daher eine ausführliche Informationsgewinnung besonders wichtig.
Die klassische Galactosämie kommt mit einer Häufigkeit von ca. 1: 4.000 vor. Ab dem 1. bis 12. Lebensmonat kommt es aufgrund der erhöhten Konzentration des Milchzucker-Bestandteils Galactose zu einer Trübung der Augenlinse.
Aufgrund der erhöhten Stoffwechselprodukte der Galactose kommt es außerdem zu einer Schädigung der Leber und des Gehirns. Die klassische Galactosämie wird durch eine Enzym-Störung im Galactose-Stoffwechsel hervorgerufen.
Beim Screening erfolgt der Nachweis einer erhöhten Galactose-Konzentration oder aber es werden die beteiligten Enzyme auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft.
Zudem können auch Störungen verschiedener Enzyme, die am Galactose-Stoffwechsel beteiligt sind, zum Bild einer Galactosämie führen. Leitsymptome der Galactosämie sind Durchfall, Erbrechen und Gedeihstörungen, die vor allem einige Tage nach Milchzufuhr auftreten. Im Laufe der Zeit entwickeln die Kinder meist eine geistige Beeinträchtigung.
Häufigkeit 1:60.000. Durch den Enzymmangel (Biotinidase) kommt es zu einer Unterversorgung des Körpers mit dem Vitamin Biotin (Vitamin H). Unbehandelt führt der Mangel im Alter von zwei Wochen bis drei Jahren zu verschiedenen Symptomen an Haar, Haut und Zentralnervensystem. Diese können sein: Haarausfall, Bindehautentzündung, Krampfanfälle, Hautausschläge, Schwerhörigkeit und geistige Verlangsamung.
Bleibende Schäden können durch eine frühzeitig begonnene Therapie vermieden werden. Die Therapie besteht in der Gabe des Biotin (Vitamin H).
Die Untersuchung kann durch folgende Faktoren beeinflusst werden und zu falsch auffälligen Werten führen:
Bei einem pathologischen Befund sollte eine erneute Kontrolle am ungefähr 10. Lebenstag aus einer frischen Blutprobe (notfalls Trockenblut) erfolgen. Bestätigt sich der Verdacht, so muss eine vorbeugende Behandlung begonnen und währenddessen weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Häufigkeit 1:200.000. Bei dieser Erkrankung besteht eine Abbaustörung der Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin. Diese Störung macht sich ab Ende der ersten bis Anfang der zweiten Lebenswoche durch die Symptome Erbrechen, Trinkschwäche und auffallende Schläfrigkeit bemerkbar. Typisch ist zudem, dass der Urin bei diesen Kindern nach Ahornsirup (ähnlich wie Lakritz oder verbranntem Zucker) riecht.
Die Therapie besteht in einer Leucin-Isoleucin-Valinfreien Diät. Hinsichtlich der Langzeitaussichten ist sie eher problematisch.
Häufigkeit 1:200.000. Diese Erkrankung wird durch eine Umwandlungsstörung im Stoffwechsel von schwefelhaltigen Aminosäuren hervorgerufen. Leitsymptome der Homocystinurie sind zunehmende geistige Behinderung (ab etwa 6. Lebensmonat), Langliedrigkeit, Hochwuchs und Störung im Befestigungsapparat der Augenlinse (ab etwa 6. Lebensjahr) und Neigung zu Thromboembolien.
Die Behandlung wird mit einer dauerhaften Gabe von Vitamin B1 und einer methioninarmen Diät mit Cystin-Zulage durchgeführt.
Durch diese Untersuchung kann man frühzeitig eine Mukoviszidose nachweisen. Leitsymptom dieser angeborenen Erkrankung ist der zähe Schleim. Die Mukoviszidose kommt mit einer Häufigkeit von 1:20.000 vor und gehört somit zu den häufigsten Erbkrankheiten.
Bereist vor der Geburt kommt es aufgrund einer Stauung des Verdauungssaftes der Bauchspeicheldrüse zu einer Entzündung, in deren Folge Inhaltsstoffe des Verdauungssafts (Trypsin) ins Blut übertreten und hier nachgewiesen werden können. Dadurch ist eigentlich der erhöhte Trypsinspiegel im Blut ein Nachweis für eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und kein direkter Nachweis der Mukoviszidose.
Der Test ist jedoch umstritten, da Bauchspeicheldrüsenentzündungen schubweise ablaufen. Zudem gibt es auch wegen der geringen Probenmenge nicht selten analytsiche Probleme. Daher empfehlen Experten eher den Nachweis der Pancreas-Elastase 1 im Stuhl. Dieser kann etwa 4 bis 8 Wochen nach der Geburt durchgeführt werden.
Durch eine Reihe von Stoffwechselstörungen kann es zu einer Blockade bei der Bildung des wichtigsten Nebennierenhormons Cortisol kommen. Je nach Art der Störung können die klinischen Zeichen sehr unterschiedlich sein, allen gemeinsam ist jedoch die Vermehrung einer gemeinsamen Vorstufe, des 17-Alpha-Hydroxyprogesteron. Es entstehen in der Folge vermehrt männliche Geschlechtshormone.
In den meisten Fällen liegt das AGS in einer abgemilderten Form vor und wird daher meist viel später erkannt.
Die Therapie besteht in der Gabe von Nebennierenrindenhormonen. Wichtig ist, dass auch ein später Behandlungsbeginn keine bleibenden Folgen für das Kind beherbergt. Durch die Frühtherapie kann jedoch eine ungestörte Entwicklung des Kindes erfolgen.
In der 4. bis 6. Lebenswoche kann mit Hilfe einer Blutprobe eine bestehende Muskeldystrophie erkannt werden. Die Erkrankung betrifft in der Regel nur Knaben, nur in seltenen Fällen sind Mädchen erkrankt. Im Blut wird die Aktivität des muskelspezifischen Enzyms Creatinkinase bestimmt. Erhöhte Werte zeigen eine vermehrte Freisetzung des Enzyms aus den Muskelzellen.
Wichtig ist zu beachten, dass die Abnahme der Probe nicht vor der 4. Lebenswoche erfolgen sollte, da es sonst zu falsch positiven Werten kommen kann.
Leider hat die Früherkennung dieser Erkrankung keine wesentlichen Auswirkungen auf die weitere Behandlung. Eine spezifische Therapie ist nämlich bislang nicht bekannt.
In Allergikerfamilien kann man bereits bei Geburt einen erhöhten IgE-Spiegel beim Neugeborenen feststellen.
Im Rahmen der U1 erfolgt auch die Konakiongabe, also die Gabe von Vitamin-K-Tropfen, um gefährliche Blutungen vorzubeugen. Solche Blutungen können insbesondere bei Säuglingen auftreten, deren Leber noch nicht ausreichend reif ist.
Zudem werden die Kinder auf eine Fehlstellung des Hüftgelenks (Hüftdysplasie) untersucht.
Letzte Aktualisierung am 15.09.2021.