Bettnässen (Eunresis nocturna, nächtliches Einnässen) ist eine der häufigsten Störungen im Kindesalter. Es wird als Erkrankung angesehen, wenn Kinder im Alter von fünf Jahren und älter noch regelmäßig einnässen.
Etwa bis zum fünften Lebensjahr sind die Kinder noch nicht in der Lage, ihre Blase vollständig zu kontrollieren. Daher ist bei kleineren Kindern bis fünf Jahre noch als normal anzusehen, wenn sie ins Bett machen. Etwa zehn Prozent der sechs bis sieben jährigen sind nachts noch nicht trocken, meist sind Jungen davon betroffen. Sogar unter den Jugendlichen kommt Einnässen noch vor, etwa ein Prozent macht nachts ins Bett.
Geht das Bettnässen über das fünfte Lebensjahr hinaus oder tritt auf, nachdem das Kind schon mindestens sechs Monate trocken war, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Korrekterweise spricht man erst dann von Enuresis, wenn das Kind ab dem 6. Lebensjahr mindestens zweimal pro Woche einnässt und keine organische Krankheit dem Bettnässen zugrunde liegt.
Man unterscheidet dabei zwischen primärer und sekundärer Enuresis. Beide Formen können sehr viele und unterschiedliche Ursachen haben.
Bei der primären Enuresis nässt das Kind fortlaufend ein ohne über einen längeren Zeitraum trocken gewesen zu sein. Häufig ist dann eine verzögerte Entwicklung die Ursache. Die Kinder spüren beispielsweise nicht, dass die Blase voll ist. Auch ein zu schwacher Schließmuskel kann die Ursache sein. Das Zusammenspiel von Nierenfunktion und Blasenkontrolle entwickelt sich erst langsam, sodass einige Kinder für diesen Prozess etwas länger brauchen als andere. In nahezu 90 Prozent dieser Fälle hatte ein naher Verwandter das gleiche Problem, sodass eine familiäre Veranlagung für die primäre Enuresis als Ursache vermutet wird.
In seltene Fällen kann auch eine Hormonstörung Ursache für das Bettnässen sein. Die Kinder produzieren zu wenig ADH, auch Vasopressin genannt. Dieses Hormon hemmt die Harnproduktion und ist für die Wasserausscheidung aus dem Körper verantwortlich. Es wird in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet. Die Produktion von ADH unterliegt einem tageszeitlichen Rhythmus, der dafür sorgt, dass sich die Blase nachts weniger Füllt. Diese Regulation des Hormons kann gestört sein und die Kinder produzieren nachts zu viel Harn. Sie können deshalb vor allem nachts ihre Blasenentleerung schwer steuern.
Psychische Einflüsse, wie eine belastende familiäre Situation, kindliche Depressionen oder ein gestörtes Schlafmuster können ebenfalls eine Enuresis auslösen. Außerdem wirkt sich eine zu frühe Reinlichkeitserziehung auch negativ auf die Blasenkontrolle aus.
Bei der sekundären Enuresis tritt das Einnässen wieder auf, nachdem die Kinder für mindestens sechs Monate trocken waren. Hier spielen wahrscheinlich psychische Störungen die Hauptrolle. Die betroffenen Kinder durchleben eine Phase, in der viele belastende Veränderungen auftreten, die sie verängstigen oder beeinträchtigen. Die Geburt eines Geschwisterkindes beispielsweise, sowie ein Trennungserlebnis oder ein Umzug können mögliche Auslöser sein.
Tritt das Einnässen auch tagsüber auf, liegt in den meisten Fällen eine organische Störung als Ursache vor.
Bei Kindern mit Harnwegsinfektionen, Diabetes mellitus oder einer geistigen Entwicklungsverzögerung tritt oft Eunuresis als Begleiterscheinung auf. Selten können auch eine Epilepsie, Fehlbildungen der Harnwege oder Erkrankungen des Nervensystems eine Enuresis verursachen.
Außerdem wurde beobachtet, dass Kinder mit einer Schlafapnoe beginnen, nachts einzunässen. Die Betroffenen leiden dann unter längeren nächtlichen Atempausen. Werden als Therapiemaßnahme die Gaumenmandeln (Tonsillen) entfernt, verschwindet auch die Enuresis.
Wenn Kinder nachts einnässen, leiden sie meist selbst sehr stark darunter. Es ist ihnen unangenehm, wenn sie bei Freunden übernachten und auch Schulausflüge stellen ein Problem dar.
Bei der Enuresis nocturna, also dem nächtlichen Einnässen, werden eher große Mengen an Urin gelassen. Die Kinder haben zum Zeitpunkt des Wasserlassens einen sehr tiefen Schlaf und sind schwer erweckbar. Auch durch das Einnässen werden sie nicht wach.
Passiert das Bettnässen in weniger als drei Nächten in der Woche, spricht man von einer milden Form der Enuresis.
Charakteristisch für die primäre Enuresis nocturna ist das fehlen jeglicher Tagessymptomatik. Die Kinder haben also keine Probleme, tagsüber zur Toilette zu gehen und lassen auch nicht unbemerkt Urin.
Zunächst sollte sich der behandelnde Arzt ein Bild von der Situation des Kindes und der Familie machen. Da die Enuresis so vielschichtige Ursachen haben kann, sind ein ausführliches Gespräch und eine genaue und gründliche Untersuchung unerlässlich. Auch das Trinkverhalten des Kindes und eventuelle Vorbehandlungen sollten angesprochen werden.
Die Harnwege des Kindes müssen untersucht werden, um Fehlbildungen auszuschließen. Außerdem wird eine Urinuntersuchung durchgeführt. In den meisten Fällen wird der behandelnde Arzt auch mittels Ultraschall die Nieren und ableitenden Harnwege untersuchen.
Oft ist es hilfreich, wenn das Kind zusammen mit den Eltern ein Protokoll anfertigt. Darin soll festgehalten werden, wann es den Reiz zum Wasserlassen verspürt, wie stark dieser ist und wie viel Urin gelassen wird. Anhand dieses Protokolls kann eventuell schon abgeschätzt werden, ob komplexere Untersuchungen notwendig sind.
Es ist sehr wichtig organische Störungen für das Einnässen frühzeitig zu erkennen und zu beheben, da sonst über einen längeren Zeitraum die Niere massiv geschädigt werden kann. Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus oder die Einnahme von Medikamenten als Ursache für das Einnässen müssen ebenfalls ausgeschlossen werden. Dazu wird dem Kind meist Blut entnommen und ein Blutbild angefertigt.
In jedem Fall der Enuresis müssen körperliche Ursachen für das Einnässen ausgeschlossen werden. Harnwegsinfekte, Diabetes mellitus, Epilepsie oder auch Störungen im Bereich des Nervensystems können für einen nächtlichen Urinabgang verantwortlich sein.
Erst wenn sichergestellt wurde, dass keine weitere Erkrankung vorliegt, kann die richtige Behandlung des betroffenen Kindes eingeleitet werden.
Welche therapeutischen Maßnahmen unternommen werden hängt davon ab, ob eine organische Ursache für das Einnässen gefunden werden konnte.
Liegt eine Krankheit, wie beispielsweise Blasenentzündungen, dem Einnässen zugrunde, muss diese zunächst behandelt werden. Meist gibt sich die Enuresis nach dem Ausschalten der Grunderkrankung von selbst.
Die Kinder entwickeln durch das Bettnässen einen hohen Leidensdruck. Deshalb ist es oft besser, eine Therapie zu beginnen und nicht abzuwarten, bis sich das Einnässen von selbst einstellt.
Zunächst sollte eine Beratung der Eltern und des Kindes erfolgen. Das Kind sollte keinesfalls für sein Verhalten bestraft werden, da dies die Symptome oft nur noch verschlimmert. Außerdem hilft es oft schon, die Trinkmenge am Abend einzuschränken, sodass das Kind nachts nicht mehr zu häufig zur Toilette muss.
Zur Motivation kann das Kind einen „Sonne-Wolken-Kalender" führen, in dem es an jedem Morgen eine „trockene" Nacht mit einer Sonne kennzeichnet und Nächte, in denen es eingenässt hat, mit einer Wolke. Nach einer trockenen Nacht sollten Eltern nicht vergessen, das Kind auch dafür zu loben.
Zur Entlastung aller Beteiligten sollten außerdem waschbare Bettdecken oder Gummi-Unterlagen gekauft werden. Etwa bei jedem sechsten Kind reichen diese Maßnahmen bereits aus, um die Enuresis zu beheben.
Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist der Einsatz einer sogenannten Klingelhose oder auch einer Klingelmatte. Damit soll das Kind lernen, besser auf die Signale des eigenen Körpers zu achten. Beim Abgang der ersten Tropfen Urin gibt die Klingelhose ein Signal. Es ist dabei sinnvoll, wenn die Eltern, oder ein Elternteil, nahe beim Kind schlafen. Sie sollten es beim Ertönen der Klingelhose ganz aufwecken und zur Toilette bringen. So kann das Kind auf den eigenen Körper geschult werden, indem es lernt, aufzuwachen wenn die Blase voll ist. Das Gerät wird dabei über sechs bis acht Wochen angewendet. Ein Behandlungsversuch der länger als 16 Wochen dauert ist nicht sinnvoll und sollte abgebrochen werden. Wird die Therapie richtig angewendet werden etwa 70 Prozent der betroffenen Kinder so trocken. Sie kommt meist bei der primären Enuresis nocturna zum Einsatz.
Als Alternative zu dieser Behandlung kann auch eine Verhaltenstherapie zum Einsatz kommen, wie etwa das Blasentraining. Dieser Therapie liegt die Annahme zugrunde, dass die Kinder die Kontrolle über ihre Blase noch nicht ausreichend erlernt haben und deshalb Übungen durchführen um dies zu trainieren. Dieses Training wird mit einer Belohnung der trockenen Nächte kombiniert.
Haben all diese Therapieversuche keinen ausreichenden Erfolg oder sind nicht durchführbar, kann die Enuresis auch durch Medikamente behandelt werden. Meist werden Nasensprays oder Tabletten eingesetzt, die den Wirkstoff Desmopressin enthalten. Dieses Medikament senkt die Urinproduktion und reduziert die Blasenfüllung. Es ähnelt dem körpereigenen Vasopressin (ADH), das in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet wird. Das Medikament hat kaum Nebenwirkungen und wird meist gut vertragen. Wird es nach seinem Einsatz von etwa zwölf Wochen langsam wieder abgesetzt, können die Kinder danach auch langwierig trocken bleiben. Diese Therapie kann auch kurzfristig, beispielsweise bei Klassenfahrten angewendet werden.
Ein anderes Medikament ist das Imipramin, ein Antidepressivum. Es wird abends vor dem Schlafengehen eingenommen und wirkt schon nach wenigen Tagen. Es wurde jedoch im Laufe der letzten Jahre die Möglichkeit einer herzschädigenden Wirkung durch das Medikament angenommen, wodurch man immer mehr Abstand davon nimmt.
Die Therapie mit Medikamenten sollte mit anderen Behandlungsmethoden kombiniert werden. So kann die Erfolgsquote deutlich verbessert werden.
Die Kontrolle der Blasenfunktion und das Zusammenspiel von Blasen- und Nierenfunktion ist ein großer Schritt in der körperlichen Entwicklung des Kindes. Einige Kinder lernen die Steuerung dieser Funktionen langsamer als andere, was sich beim Heranwachsen des Kindes meist von selbst reguliert.
Dennoch leiden zwischen vier und sechzehn Prozent der Kinder über fünf Jahre unter Enuresis. Auch unter den siebenjährigen nässen noch 10 Prozent nachts ein. 15 Prozent dieser Kinder werden jedoch ohne medizinische Hilfe trocken.
Wird eine Therapie eingeleitet, sprechen mehr als 70 Prozent auf diese an, lernen, ihre Blase zu kontrollieren. Hat die Enuresis also keine körperlichen Ursachen, ist die Prognose sehr gut und die Kinder lernen mit der Zeit, ihren Körper zu Regulieren und auf Körpersignale zu reagieren.
Letzte Aktualisierung am 15.06.2021.