Enuresis bezeichnet eine unkontrollierte Harnentleerung bei Kindern ab einem Alter von etwa vier bis fünf Jahren. Mehr als zehn Prozent der Kinder zwischen fünf und sechs Jahren sind noch nicht in der Lage, ihre Blase vollständig zu kontrollieren. Tagsüber sind die Kinder meist früher trocken als nachts.
Man unterscheidet deshalb zum einen zwischen Urinabgang am Tage (Enuresis diurna) und in der Nacht (Enuresis nocturna), sowie zwischen primärer und sekundärer Enuresis.
Bei der primären Enuresis war das Kind noch zu keiner Zeit „trocken", während bei der sekundären Enuresis das Kind seine Blase schon über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten kontrollieren konnte, bevor das Einnässen erneut auftrat.
Die häufigste Ursache ist dabei keine körperliche Erkrankung, sondern eine seelische Komponente, weshalb die Enuresis durch gezieltes Training und Verhaltenstherapie oft schon beherrscht werden kann.
Blasenentleerungsstörungen im Kindesalter können sehr vielschichtige Ursachen haben, die sowohl organisch als auch seelisch bedingt sein können.
Liegt eine primäre Enuresis vor, ist meist eine Entwicklungsverzögerung der Grund für das Einnässen. Meist lernen die Kinder im Laufe des zweiten und dritten Lebensjahres ihre Harnblase zu kontrollieren. Jedoch dauert dieser Prozess bei einigen Kindern etwas länger. Die Nerven, die die Blasenfunktion steuern sind oft noch unreif. Die Kinder spüren deshalb beispielsweise oft nicht, dass die Blase voll ist.
Meist hatten auch nahe Angehörige als Kinder schon das Problem, dass sie erst sehr spät trocken wurden. Dies lässt vermuten, dass die Problematik des späten Trockenwerdens vererbt werden kann. In der Mehrzahl der Fälle tritt die primäre Enuresis auch überwiegend nachts auf.
Dieser primären nächtlichen Enuresis kann auch eine Hormonstörung zugrunde liegen. Dabei ist die Regulation des Hormons ADH (antidiuretisches Hormon, Vasopressin) gestört. Dieses Hormon regelt den Wasserhaushalt im Körper und wirkt so auch auf die Blasenfunktion. Es wird im Normalfall in einem tageszeitlich abhängigen Rhythmus von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) ausgeschüttet. So soll gewährleistet werden, dass sich die Blase nachts weniger füllt. Diese hormonelle Regulation kann im Falle des nächtlichen Einnässens gestört sein.
Auch große Trinkmengen vor dem zu Bett gehen können ein nächtliches Einnässen Auslösen oder verschlimmern.
Können körperliche Störungen als Ursache für die primäre Enuresis gefunden werden, bestehen diese meist schon von Geburt an.
Die sekundäre Enuresis wird oft durch seelische Probleme hervorgerufen.
Nässt das Kind aufgrund einer Entwicklungsverzögerung ein, äußert sich dies meist in einer primären Enuresis nocturna. Bei der Enuresis nocturna, also dem nächtlichen Einnässen, werden eher große Mengen an Urin gelassen. Die Kinder haben zum Zeitpunkt des Wasserlassens einen sehr tiefen Schlaf und sind schwer erweckbar. Auch durch das Einnässen werden sie nicht wach. Passiert das Bettnässen in weniger als drei Nächten in der Woche, spricht man von einer milden Form der Enuresis.
Charakteristisch für die primäre Enuresis nocturna ist das fehlen jeglicher Tagessymptomatik.
Die Kinder haben also keine Probleme, tagsüber zur Toilette zu gehen und lassen auch nicht unbemerkt Urin.
Es ist normal, dass Kinder bis zum Alter von acht Jahren gelegentlich die Kontrolle über ihre Blase verlieren. Dies kommt vor allem in Belastungssituationen vor. Dieses normale Verhalten muss von einer Blasenfunktionsstörung abgegrenzt werden. Sie kann verschiedene Symptome auslösen, wie
Dies alles sind Symptome für eine instabile Blase, das heißt, die Koordination zwischen dem Schließmuskel der Harnblase (Sphinkter) und der Blasenmuskulatur ist noch nicht so weit ausgereift ist, das die Kinder den willkürlich steuerbaren Schließmuskel unter Kontrolle haben. Meist sind oft wiederkehrende Blasenentzündungen die Ursache für diese Funktionsstörung. Es entwickelt sich dann eine sogenannte Dranginkontinenz. Sie äußert sich meist in einer Enuresis diurna.
Zunächst ist ein ausführliches Gespräch zwischen dem behandelnden Arzt und den Eltern des Kindes notwendig. Es muss vor allem geklärt werden, wann die Enuresis hauptsächlich auftritt, ob es schon längere Episoden gab, in denen das Kind trocken war, ob das Wasserlassen dem Kind Schmerzen bereitet und wie das Stuhlverhalten des Kindes ist.
Es gibt verschiedene urologische Untersuchungsverfahren, mit denen auch komplexere Störungen der Harnwege untersucht werden können.
Liegt eine Enuresis vor, muss zunächst sicher gestellt werden, dass keine Erkrankung als Ursache für das Einnässen vorliegt.
Ein beginnender Diabetes mellitus kann beispielsweise der Grund für vermehrtes Wasserlassen sein. Die Kinder verspüren durch den hohen Blutzuckerspiegel einen großen Durst und trinken deshalb auch mehr als andere. Sie haben dadurch einen vermehrten Harndrang, den sie im frühen Kindesalter noch nicht ausreichend koordinieren können.
Vermehrte Harnwegsinfekte können ebenfalls zu einer Enuresis führen. Die immer wiederkehrende Entzündung der Harnröhre und der Blase lösen einen ständigen Harndrang aus. Dies führt beim Kind meist zu einer Enuresis diurna.
Außerdem muss ausgeschlossen werden, dass kein Hindernis in der Blase oder der Harnröhre den Abfluss des Urins behindert. Beim Jungen können auch angeborene Klappen in der Blase (Urathralklappen) ein solches Hindernis darstellen. Sie verhindern, dass das Kind seine Blase vollständig entleeren kann.
Welche Therapie zur Behandlung der Enuresis gewählt wird hängt stark davon ab welche Form der Enuresis vorliegt (primär oder sekundär) und zu welchen Tageszeiten sie auftritt.
Zunächst wird meist versucht, dem Kind mit psychotherapeutischen Maßnahmen das Erlernen der Blasenkontrolle zu erleichtern. Es dient oft der zusätzlichen Motivation des Kindes einen Sonne-Wolken-Kalender zu führen, in dem es trockene Tage mit einer Sonne kennzeichnet und Tage oder Nächte, in denen es eingenässt hat, mit einer Wolke. Die Eltern sollten bei „Sonnetagen" das Loben des Kindes keinesfalls vergessen.
Zur Entlastung aller Beteiligten sollten außerdem waschbare Bettdecken oder Gummi-Unterlagen gekauft werden.
Etwa bei jedem sechsten Kind reichen diese Maßnahmen bereits aus, um die Enuresis zu beheben.
Eine weitere therapeutische Möglichkeit ist der Einsatz einer sogenannten Klingelhose oder auch einer Klingelmatte. Damit soll das Kind lernen, besser auf die Signale des eigenen Körpers zu achten. Beim Abgang der ersten Tropfen Urin gibt die Klingelhose ein Signal. Es ist dabei sinnvoll, wenn die Eltern oder ein Elternteil, nahe beim Kind schlafen. Sie sollten es beim Ertönen der Klingelhose ganz aufwecken und zur Toilette bringen. So kann das Kind auf den eigenen Körper geschult werden, indem es lernt, aufzuwachen wenn die Blase voll ist. Das Gerät wird dabei über sechs bis acht Wochen angewendet. Ein Behandlungsversuch der länger als 16 Wochen dauert ist nicht sinnvoll und sollte abgebrochen werden. Wird die Therapie richtig angewendet werden etwa 70 Prozent der betroffenen Kinder so trocken. Sie kommt meist bei der primären Enuresis nocturna zum Einsatz.
Die Behandlung der Enuresis mit dem Medikament Desmopressin ist in der Medizin immer mehr verbreitet. Desmopressin ist eng verwandt mit dem oben beschriebenen körpereigenen Hormon Vasopressin, dass den Wasserhaushalt und die Blasenfunktion regelt. Das Medikament kann ähnlich wie das die nächtliche Füllung der Blase verringern und so das Einnässen reduzieren. Ist das Kind durch das Medikament über vier bis sechs Wochen trocken wird versucht, die Dosis langsam weder zu reduzieren. Nässt das Kind dann wieder ein, muss man wieder die ursprüngliche Menge verabreichen. Das Medikament wird meist als Spray verabreicht. Es eignet sich auch zur kurzfristigen Anwendung, beispielsweise wenn das Kind bei einem Freund übernachten möchte. Etwa 30 Prozent der behandelten Kinder, werden durch die Behandlung mit Desmopressin trocken.
Des Weiteren besteht zusätzlich die Möglichkeit, die medikamentöse Therapie mit verhaltenstherapeutischen Methoden zu kombinieren, um dem Kind das Trockenwerden zu erleichtern.
Dies alles sind Therapieansätze, die meist bei der Enuresis nocturna zum Einsatz kommen.
Kinder leiden meist sehr darunter, ihre Blase nicht immer unter Kontrolle zu haben. Es ist deshalb für alle Beteiligten wichtig, keinen Druck auf das Kind auszuüben. Dies verschlimmert die Problematik meist noch zusätzlich.
Wird die Enuresis nicht durch eine organische Störung ausgelöst, ist die Prognose sehr gut. Bis zum 10. Lebensjahr ist die Mehrzahl aller Kinder trocken.
15 Prozent der Kinder, die zunächst Schwierigkeiten hatten, ihre Blase zu kontrollieren, werden trocken, ohne irgendeine Therapie in Anspruch nehmen zu müssen.
Je selbstbewusster und reifer das Kind wird, desto eher stellt sich auch die Enuresis ein. Durch gezielte Verhaltenstherapie haben auch ältere Kinder gute Chancen trocken zu werden. Sie spricht bei 70 Prozent der Betroffenen an und unterstützt die Kinder dabei, die Blasenkontrolle zu erlernen.
Tritt das Einnässen aufgrund einer angeborenen neurogenen Störung der Blasenfunktion auf, ist es nur selten vollständig heilbar, da die Nervenverbindungen meist von Geburt an geschädigt sind. Das Ziel der Behandlung ist in solchen Fällen die Vermeidung von Entzündungen der Blase oder Harnwege.
Letzte Aktualisierung am 21.06.2021.