Die akute Mittelohrentzündung (Otitis media) ist eine sehr weit verbreitete Erkrankung im Kindesalter. Sie gehört zu den häufigsten Beratungsanlässen in der allgemeinmedizinischen Praxis. Die Entzündung verursacht starke Ohrenschmerzen, die meist von Fieber und einem allgemeinen Krankheitsgefühl begleitet werden. Sie wird durch Viren oder Bakterien hervorgerufen und ist häufig eine Folge von Infekten im Nasen-Rachen-Raum.
Das Mittelohr ist ein Hohlraum, der zwischen dem Trommelfell und dem Innenohr liegt und die drei Gehörknöchelchen, Hammer, Amboss und Steigbügel, enthält. Diese Gehörknöchelchen leiten Schallwellen von außen zum Innenohr weiter. Das Mittelohr ist mit Luft gefüllt und mit dem Nasen-Rachen-Raum über einen Kanal (Eustachische Röhre) verbunden. Dieser Kanal sorgt dafür, dass das Mittelohr genügend belüftet wird und eventuell entstandene Flüssigkeit abfließen kann.
Hat das Kind einen grippalen Infekt, der von Schnupfen begleitet ist, können Erreger über die Eustachische Röhre von der Nase ins Mittelohr gelangen und dort eine Entzündung auslösen.
Im Kindesalter ist die Eustachische Röhre noch verkürzt, was es den Erregern einfacher macht, ins Mittelohr zu gelangen.
60 Prozent der Mittelohrentzündungen werden durch Bakterien verursacht, 40 Prozent sind viral bedingt.
Eine weitere Ursache für eine Mittelohrentzündung kann eine behinderte Nasenatmung sein. Beispielsweise Kinder mit Polypen sind meist sehr anfällig für Mittelohrentzündungen. Die Belüftung des Mittelohrs ist durch den Polypen gestört, was das Auftreten von Infektionen begünstigt. In wenigen Fällen können die Erreger auch direkt aus dem äußeren Gehörgang ins Mittelohr gelangen, beispielsweise wenn das Trommelfell verletzt wurde.
Kinder, die an einer Mittelohrentzündung erkranken, klagen meist über plötzlich einsetzende starke Ohrenschmerzen sowie ein Klopfen im Ohr. Die Erkrankung ist meist von Fieber begleitet, wodurch sich die Betroffenen sehr krank und schlapp fühlen. Hinzu kommt ein vermindertes Hörvermögen. Ist die Mittelohrentzündung von einer Erkältung begleitet, hat das Kind meist Schwierigkeiten durch die Nase zu atmen.
Im Verlauf der Erkrankung kann das Trommelfell platzen. Es kommt zu Ausfluss aus dem Ohr, der oft auch blutig ist. Die Verletzung des Trommelfells heilt jedoch meist nach ein bis zwei Wochen wieder folgenlos ab.
In schweren Fällen kann die Entzündung jedoch auf den knöchernen Warzenfortsatz am Schädel (Mastoid) übergreifen und dort eine Entzündung verursachen (Mastoiditis). Der Knochenfortsatz ist mit kleinen Lufträumen gefüllt, die dann vereitern. Das Kind hat dann eine erhebliche Schwellung hinter dem Ohr, starke Schmerzen und eine Abstehende Ohrmuschel. Die Mastoiditis ist eine ernstzunehmende Komplikation, die vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt therapiert werden muss, da die Entzündung sich sonst auf die Hirnhäute (Meningen) und die Blutgefäße im Gehirn ausbreiten kann.
Ist die Nasenatmung beispielsweise durch Polypen dauerhaft behindert, löst dies oft immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen aus, die im Laufe der Zeit chronisch werden können. Die Kinder haben dann eine ständige Hörminderung, eine Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr (Paukenerguss) und Ausfluss aus dem Ohr.
Die Beschwerden, die das Kind im Falle einer Mittelohrentzündung angibt, sind meist schon wegweisend um die Diagnose zu stellen. In der Otoskopie, das heißt der Spiegelung des Ohres mithilfe eines kleinen Trichterlämpchens, kann das Trommelfell begutachtet werden. Dieses ist im Falle einer Mittelohrentzündung meist gerötet, vorgewölbt und zum Teil schon eingerissen. Leidet ein Kind öfter unter Mittelohrentzündungen, sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO) durch einen Hörtest prüfen, ob das Gehör geschädigt wurde.
Aufgrund der Druckschmerzhaften Ohrmuschel, kann die Mittelohrentzündung zunächst auch mit einer Entzündung des Außenohres verwechselt werden. Bei einer Entzündung des Außenohres ist die Ohrmuschel jedoch stärker gerötet. Sie tritt wesentlich seltener auf als Entzündungen des Mittelohres.
Beim Auftreten von Fieber im Kindesalter in Verbindung mit Kopfschmerzen muss auch sichergestellt werden, dass keine Hirnhautentzündung vorliegt. Der Arzt muss das Kind gründlich untersuchen und im Zweifel eine Untersuchung des Hirnwassers (Liquor cerebrospinalis) vornehmen. Dazu muss eine Punktionsnadel am Rücken auf der Höhe der Beckenschaufeln eingestochen werden, um von dort eine Liquorprobe aus dem Rückenmarkskanal zu gewinnen. Diese sogenannte Liquorpunktion ist jedoch für das Kind ungefährlich.
Kinder mit einer Mittelohrentzündung sollten sich schonen und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Man kann Nasentropfen verwenden, sodass die Schleimhaut in der Nase abschwillt, das Kind besser Luft bekommt und auch das Mittelohr besser belüftet wird. So kann gegebenenfalls auch Flüssigkeit aus dem Mittelohr wieder abfließen.
Bei starken Schmerzen können Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen gegeben werden. Wärme, beispielsweise durch Rotlicht, wirkt meist ebenfalls schmerzlindernd. Acetylsalicylsäure (Aspirin) sollte Kindern nicht gegeben werden, da es bei Viruserkrankungen im Kindesalter das sogenannte Reye-Syndrom auslösen kann. Dabei wird die Leber des Kindes so stark geschädigt, dass es im schlimmsten Fall daran versterben kann. Die Ursache für das Reye-Syndrom ist noch nicht vollständig geklärt. Es tritt jenseits der Pubertät nicht mehr auf.
Haben sich die Beschwerden der Mittelohrentzündung nicht innerhalb von 36 Stunden gebessert, wird meist ein Antibiotikum verschrieben. Dies hilft bei Entzündungen durch Viren zwar nicht, stoppt den Krankheitsverlauf jedoch im Falle einer bakteriellen Infektion.
Treten Mittelohrentzündungen häufiger auf, besteht auch die Möglichkeit, ein kleines Röhrchen in den Eustachischen Kanal einzubringen, wodurch das Mittelohr besser belüftet werden kann und die Flüssigkeit aus dem Ohr abfließt.
Wenn die Mittelohrentzündung nicht richtig ausheilt oder chronisch verläuft, besteht die Gefahr, dass sich Flüssigkeit im Mittelohr ansammelt (Paukenerguss). Die Kinder können durch diesen Erguss nicht mehr gut hören, was sich bei kleineren Kindern auch auf den Erwerb der Sprache auswirken kann. Deshalb wird bei einem Paukenerguss oft eine sogenannte Parazentese durchgeführt. Bei diesem Eingriff, der bei kleineren Kindern meist in Vollnarkose durchgeführt wird, wird ein kleiner Einschnitt ins Trommelfell vorgenommen um die Flüssigkeit abzusaugen. Das Trommelfell heilt danach von selbst wieder zusammen.
Breiten sich die Erreger der Mittelohrentzündung auf den angrenzenden Knochen aus, kann als Komplikation eine Mastoiditis auftreten. In diesem Falle muss das Mastoid meist durch einen Chirurgen oder den HNO-Arzt ausgeräumt werden, damit dich die Entzündung nicht weiter auf das Gehirn ausbreitet und das Kind Folgeschäden der Erkrankung erleidet.
Die Mittelohrentzündung heilt meist innerhalb weniger Tage wieder aus und die Beschwerden klingen vollständig ab. Häufig auftretende Mittelohrentzündungen können jedoch chronisch werden und zu einer dauerhaften Minderung des Hörvermögens führen.
Letzte Aktualisierung am 12.08.2021.