Essstörungen sind in der heutigen Gesellschaft ein nicht unbeträchtliches und ernstzunehmendes Problem. Neben der Magersucht (Anorexie) ist auch die Fresssucht als Essstörung mit psychologischer Komponente anzusehen. Formen von Essstörungen, die mit einer zu großen Nahrungsaufnahme zu tun haben, sind die Ess-Brech-Sucht (Bulimie) und das Binge Eating (anfallsweises Fressen).
Natürlich kommt ein Übergewicht durch eine zu hohe Kalorienaufnahme und zu wenig körperliche Bewegung zustande. Doch in diesem Zusammenhang sind häufig seelische Gründe der Ursprung. Viele Menschen kennen das Frustfressen, das Essbedürfnis bei Stress, das Essen zum Ausgleich fehlender Zuwendung anderer Menschen. Auch bei der Bekämpfung des Übergewichts beziehungsweise der Behandlung muss das Augenmerk daher auch auf die psychischen Aspekte gerichtet werden.
Es ist offensichtlich, dass ein Mensch an Gewicht zunimmt, wenn er zu viele Kalorien aufnimmt und dafür nicht genügend Kalorien verbrennt. Zu reichliche, zu fette und süße Nahrung sind also meist ebenso verantwortlich wie Trägheit im Alltag und fehlender Sport.
Die Veranlagung ist vielen Menschen schon in die Wiege gelegt. Anders als in früheren Zeiten ist heutzutage leicht und rasch an Nahrung heranzukommen, und für das Alltagsleben müssen sich die Menschen kaum bewegen. Doch als wirkliche Essstörung wird die Fettsucht meist erst bezeichnet, wenn eine psychische Ursache vorhanden ist.
So benutzen nicht wenige Personen das Essen als Ausgleich von seelischem Druck. Stress führt häufig dazu, dass unbedacht mehr gegessen wird und nicht auf eine gesunde Ernährung Wert gelegt wird. Auch Langeweile oder vor allem auch Kummer können zu einem ungesunden Essverhalten führen. Bei mangelnder Zuwendung von anderen Personen ist das Verspeisen eine Möglichkeit, kurzfristig eine Art Ersatzbefriedigung zu bekommen. Ähnliches gilt auch für eine Lebensphase, wenn mit dem Rauchen aufgehört wird.
Häufig führt eine Fresssucht auch zu einem mäßigen Übergewicht oder sogar zu einem starken Übergewicht, das als Adipositas bezeichnet wird. Es kommt jedoch darauf an, wie der Betroffene sonst mit der Störung umgeht. Nicht selten führt der Betroffene ein Leben, in dem sich Episoden von radikalen Diäten mit Fresszeiten abwechseln. Dann schwankt das Körpergewicht stark. Gerade solche zu intensiven Diäten führen bald zu Heißhunger, und es kommt zum berüchtigten Jo-Jo-Effekt. Fressattacken werden auch als Binge Eating bezeichnet, und die gesamte Störung als Binge Eating Disorder. Häufig finden diese Fressattacken dann statt, wenn andere es nicht mitbekommen.
Bei der Bulimie (Ess-Brech-Sucht) wird zusätzlich noch nach dem Essen Erbrechen herbeigeführt, um die aufgenommenen Nährstoffe gleich wieder loszuwerden. Die Einnahme von Abführmitteln kann ebenfalls dazugehören. Eine weitere Art der Essstörungen ist das Night Eating Syndrome, das durch ein nächtliches Essbedürfnis bei unauffälligem Essverhalten am Tage gekennzeichnet ist.
Viele der Betroffenen sind Frauen, aber einige Männer finden sich ebenfalls unter den Menschen mit Essstörungen. Bei den Essanfällen ist es typisch, dass eine große Menge oft stark kalorienhaltiger Nahrung innerhalb kurzer Zeit aufgenommen wird. Der Auslöser ist meist eine emotionale Drucksituation. Das kann beispielsweise Liebeskummer, Frust und Stress oder einfach Einsamkeit sein. Seelische Schmerzen werden gewissermaßen in dem Fressexzess betäubt. Sie essen oft so lange, bis es nicht mehr geht. In der Sprache der Psychologen ist von einem Kontrollverlust die Rede. Danach schämen sich die Betroffenen oftmals oder ekeln sich vor sich selbst. Deshalb kommt es bei der Bulimie auch zum absichtlichen Erbrechen.
Das Übergewicht oder die Fettleibigkeit, die oft die logische Konsequenz der Störung ist, führt zu vielerlei Problemen. Medizinisch stehen Erkrankungen wie gefährliche Herz-Kreislauf- und Gefäßleiden (oft Arteriosklerose), Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus), Gelenkschäden oder das Schlafapnoe-Syndrom (Aussetzungen der Atmung im Schlaf) im Vordergrund. Die Kondition ist ebenfalls herabgesetzt. Doch gerade wenn schon eine Essstörung zum Dicksein geführt hat, wirken sich die psychischen Folgen besonders gravierend aus. In der Gesellschaft mit einem dünnen Schönheitsideal haben Dicke es schwerer, akzeptiert zu werden. Bei der Partnersuche ergeben sich oft Schwierigkeiten, sogar im Beruf haben füllige Menschen Nachteile. All das nagt am Selbstwertgefühl und kann bis zum sozialen Rückzug führen. Ängste und vor allem Depressionen sind häufige Folgen. Aus diesen Problemen heraus kann sich ein Teufelskreis entwickeln. Durch die Sorgen und die Einsamkeit kann das Bedürfnis entstehen, noch mehr zu essen.
Die Diagnose der Esssucht und Ess-Brech-Sucht kann nicht allein durch eine körperliche Untersuchung gestellt werden. Der Arzt oder Psychotherapeut orientiert sich an verschiedenen Merkmalen, die für die Essstörung sprechen. Zu diesen Anzeichen gehören Essen wegen belastender Situationen, heimliches Essen, Essen über das Sättigungsgefühl hinaus, hastiges Verschlingen der Nahrung, Scham und Ekel nach dem Essen und Niedergeschlagenheit wegen der Störung.
Es erfolgt ein Gespräch mit dem Betroffenen über die Probleme. Dennoch ist eine körperliche Untersuchung sinnvoll, um erstens den Grad des Übergewichts festzustellen und zweitens mögliche Folgen zu erkennen. Dies können Erkrankungen aufgrund von Übergewicht und ungünstiger Ernährung sein. Ebenfalls möglich sind auch Schäden durch die Essstörung selbst, wie z. B. aufgrund von Erbrechen bei der Bulimie.
Wenn sich ein Übergewicht oder sogar eine Fettleibigkeit (starkes Übergewicht) entwickelt hat, ist erst einmal Abnehmen angebracht. Das geschieht über bewusste, kalorienreduzierte Ernährung und mehr Bewegung. Vorteilhaft ist eine langfristige Umstellung der Ernährung. Nicht immer ist aber auch ein Übergewicht vorhanden. Sollte trotz der Essattacken kein Übergewicht bestehen, sind Diäten auch nicht sinnvoll und können sogar die Problematik noch verstärken.
Als Essstörung muss die Esssucht oder die Ess-Brech-Sucht auch auf psychischer Ebene behandelt werden, denn sonst ist ein dauerhafter Erfolg kaum möglich. Sobald nämlich wieder innere Spannungen auftreten, sind erneute Fressattacken vorprogrammiert. Die wichtigste psychologische oder psychiatrische Methode ist die Verhaltenstherapie. Das Verhalten und die innere Einstellung des Patienten werden verändert. Der Betroffene soll lernen, auf andere Weise seine Probleme zu bewältigen, als sich vollzuschlingen. Das unkontrollierte Essen soll unterbunden werden. Auch die körperliche Bewegung ist Teil der Schulungsmaßnahmen. Weitere Möglichkeiten der Psychotherapie wie eine tiefenpsychologische Methode oder ein körperpsychotherapeutisches Verfahren können ebenfalls sinnvoll sein. Manchmal ist zusätzlich zur Psychotherapie die Gabe von Medikamenten wie z. B. Antidepressiva angezeigt. Die Therapie einer schwerwiegenden Esssucht oder Bulimie kann auf einer Klinikstation oder einer Spezialeinrichtung erfolgen.
Besser als jede Abnehmkur oder Behandlung ist die Vorbeugung von Essstörungen beziehungsweise einem Übergewicht. Die Gefahr für Essstörungen ist bei radikalen Diäten größer als bei langsamer Ernährungsumstellung. Deshalb sollte auf zu extreme Diäten verzichtet werden. Betroffene sollten zudem ihr aktuelles Gewicht insofern akzeptieren lernen, dass sie sich nicht davon aus der Bahn werfen lassen. Sie sollen die Möglichkeiten kennenlernen, das Gewicht zu reduzieren oder im Normalbereich zu halten. Eine Ernährungsberatung kann von Vorteil sein.
Letzte Aktualisierung am 19.11.2021.