Wohl jeder kennt ganze Familien, in denen alle Mitglieder merklich übergewichtig sind. In anderen Familien sind dagegen alle durchweg schlank. Da liegt auf der Hand, dass Übergewicht vererbt werden kann. Dicke Menschen führen als Argument gerne an, dass sie ja nicht schuld am eigenen Übergewicht seien. Sie hätten es von den Eltern geerbt. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Gewiss spielt die Vererbung eine Rolle bei der Entstehung der überschüssigen Fettpolster. Genetische Faktoren können zu einer ungünstigen Energieverwertung und zu einem gesteigerten Essbedürfnis führen. Aber noch wichtiger ist das Verhalten im Alltag, was die Ernährung und den Sport angeht. Dass das Übergewicht familiär gehäuft vorkommt, kann genauso durch Erlernen der nachteiligen Verhaltensweisen entstanden sein. Egal, ob das Übergewicht nun erblich ist oder nicht: Jeder kann an den Stellschrauben für seine Figur drehen, indem er sich genügend bewegt und auf seine Ernährung achtet.
Nach Schätzungen sind die Gene zu einem Teil von 30 bis 70 Prozent für Übergewicht verantwortlich. Ganz grob gesagt, macht die Vererbung wohl die halbe Miete für die Gewichtszunahme aus. Es gibt eine weitere Schätzung, nach der bei etwa einem Drittel der Fettleibigen die erblichen Faktoren eine Ursache darstellen.
Einige von uns Menschen können Kalorien besser einspeichern als andere. Diese Personen haben im Allgemeinen einen geringeren Energie-Grundumsatz und teils auch mehr Hunger, fette oder süße Geschmacksvorlieben und weniger Bewegungsdrang. Früher, in Zeiten der generellen Knappheit von Nahrung, bedeutete dies einen Vorteil. In Notzeiten konnten diese Menschen besser leben und überleben, weil sie sich schon vorher einen Vorrat angefuttert hatten. Im Sinne der Evolution wurden die verantwortlichen Gene natürlich weitergegeben. In der heutigen Zeit wirkt sich das in den Ländern mit reichem Nahrungsangebot aber nicht mehr so günstig aus. Die Betroffenen haben immer noch die Tendenz, einen großen Appetit zu haben und möglichst Energie zu sparen. Die Nährstoffe werden bevorzugt als Fettpolster gesichert. Die logische Folge ist Übergewicht, das sich bei vielen auch im Laufe des Lebens noch verstärkt.
In etlichen Studien wurden Zusammenhänge zwischen dem Übergewicht und bestimmten Genen aufgedeckt. Mehrere Gene steuern bestimmte Stoffwechselprozesse und somit die Energieverwertung des Menschen. Gene steuern auch das Hungergefühl, den Geschmack, das Aktivitätsniveau. Um ein Beispiel zu nennen, gibt es das Hormon Leptin, das genetisch kodiert wird und für eine Sättigung sorgt. Ist es verändert, hat der Mensch allgemein mehr Hunger. Insgesamt scheint es aber Hunderte von Genen zu geben, die einen Einfluss auf das Körpergewicht haben. Beispiele für nachgewiesene Gewichtsgene sind das FTO-Gen und das MC4R-Gen.
Das Erbgut kann also für ungünstige Voraussetzungen im Bezug auf die Figur sorgen. Eineiige Zwillinge setzten in Untersuchungen mit geplanter hochkalorischer Ernährung annähernd gleich viel an, während sich nicht verwandte Menschen deutlich unterscheiden können. Schon ein übergewichtiger Elternteil reicht, damit das Risiko für die Kinder steigt, dick zu werden. Wenn beide Eltern dick sind, sind die „Chancen" noch höher.
Jeder menschliche Körper scheint ein genetisch vorprogrammiertes Idealgewicht zu haben. Dies ist beim einen höher, beim anderen niedriger. Der Zusammenhang wird in der so genannten Set-Point-Theorie beschrieben. Es heißt, dass jede Person eine vorgegebene Anzahl an Fettzellen besitzt. Der Körper steuert laut der Theorie fast unvermeidlich wieder auf das vorgegebene Gewicht zu (den Set Point).
Wenn die Gene einmal außen vor gelassen werden, ergibt sich eine eindeutige Ursache für Übergewicht. Dick wird derjenige, der über einen Zeitraum mehr Kalorien zu sich nimmt als verbraucht. In der Praxis ist die Ernährung sowie die Bewegung gleichermaßen ausschlaggebend für das Gewicht wie die Vererbung. Die Gene legen nämlich nur fest, wie stark die Tendenz zur Gewichtszunahme ist. Alles andere liegt in der Hand der Person, oder bis zu einem gewissen Alter an den Bezugspersonen.
Schon bei der Geburt sind Kinder von übergewichtigen Müttern oft zu dick. Wird aber die Ernährung in der Schwangerschaft an die Situation angepasst, kann das Säuglingsübergewicht verhindert werden. Doch zu wenig in der Schwangerschaft essen ist auch nicht gut, denn auch zu dünne Neugeborene haben ein erhöhtes Risiko, später übergewichtig zu werden.
Das Umfeld und die elterliche Erziehung hat einen gewichtigen Anteil daran, ob ein Kind dick wird. Eltern und andere Angehörige haben eine Vorbildfunktion in puncto Ernährung und Lebensweise. Wenn dem Kind bereits vorgelebt wird, sich ungesund zu ernähren und nicht mehr als nötig zu bewegen, besteht große Gefahr, dass das Kind sich danach richtet. Es lernt dann, ebenfalls kalorien-, zucker- und fettreich zu essen und körperlich träge zu sein. Viele Süßigkeiten als Geschenk oder Belohnung tun ihr Übriges. Ebenfalls mit der Erziehung kann erlernt werden, Essen als Ersatz für Zuwendung bei psychischen Problemen zu verzehren. Zu einem ungünstigen Essverhalten können aber auch zu rigide Vorschriften seitens der Eltern führen.
Für alle Menschen gilt gleichermaßen, dass sie durch eine ungünstige Kalorienbilanz zunehmen. Unabhängig von der Genetik dürfen nicht mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden, um schlank zu bleiben.
Niemand soll sich also auf der Ausrede ausruhen, dass allein die Gene das Körpergewicht bestimmen. Jeder ist selbst für seine Figur verantwortlich, nur macht es das Erbgut für den einen einfacher und für den anderen schwieriger. Deshalb lohnt es sich immer, für eine insgesamt kalorienarme und ausgewogene Ernährung zu sorgen. Mit Sport oder allgemein mit körperlicher Betätigung können weitere Kalorien abgebaut werden. Diese Grundsätze sollten alle Menschen beherzigen, die zu Übergewicht neigen.
Letzte Aktualisierung am 03.12.2021.