Die Begriffe Bio und Öko sind in der EU durch die Öko-Verordnung mit ihren Anhängen geregelt und geschützt. Diese Begriffe sind auch etwas irreführend, denn eigentlich handelt es sich dabei um eine organische Wirtschaftsweise. Die Betriebe, die entsprechend dieser Verordnung wirtschaften und produzieren, dürfen ihren Produkten das EU-Öko-Siegel und auch das deutsche Biosiegel verleihen. Alles in allem merkt man deutlich, dass die EU-Verordnung von Leuten verfasst wurde, die sich mit Bio wenig bis gar nicht auseinandersetzen. Daneben gibt es Anbauverbände, deren Richtlinien über die EU-Verordnung unterschiedlich weit hinausgehen und die ihre eigenen Siegel verwenden. Teilweise sind diese Anbauverbände schon viel länger am Thema Bio, als es die EU überhaupt gibt.
In den Köpfen vieler Verbraucher ist das Verständnis von Bio aber ein ganz anderes: Sie wollen naturbelassene Produkte, die weder Bekanntschaft mit Gentechnik hatten, noch bestrahlt, geschweige denn anderen dubiosen Verfahren unterworfen wurden. Natürlich sollen Eier, Milch und Fleisch von glücklichen Tieren kommen, die ihrerseits nur das feinste Bio-Futter erhielten und nur homöopathisch oder pflanzlich behandelt wurden. Der Boden darf ausschließlich natürlich behandelt werden, irgendwelche toxischen oder anorganischen Stoffe kommen nicht zum Einsatz.
Legt man die Verbraucheransicht zu Grunde, dann gibt es gar kein Bio, denn alle Verordnungen und Richtlinien schränken lediglich ein, die aus Brüssel dabei am wenigsten. Sie lässt Klärschlammausbringung und Kuhtrainer zu, der Einsatz von Medikamenten ist überhaupt nicht geregelt, Betriebsmittel müssen nicht aus Bio-Betrieben stammen, hinsichtlich Düngung in Form von Mist oder Gülle gibt es keine Einschränkung, es kann munter überdüngt werden - um nur einige Beispiele aufzuzeigen. Aber selbst die strengsten Richtlinien von Bioland und Demeter beschränken lediglich beispielsweise ökotoxisches Kupfer im Weinbau und die Ausbringung von organischem Dünger auf ein naturverträgliches Maß. Zur Ehre von Demeter sei erwähnt, dass es nicht damit getan ist, die Präparate herzustellen und anzuwenden und den kosmischen Einfluss zu berücksichtigen. Dahinter steht die anthroposophische Weltanschauung, die verinnerlicht werden muss, und sei es zunächst einmal nur im landwirtschaftlichen Bereich. Dass die Demeter-Richtlinien unerwartet lax ausfallen, erleichtert konventionell wirtschaftenden Betrieben den Einstieg, die andernfalls gleich zurückschrecken würden angesichts der esoterischen Gedanken - folgende Entwicklung garantiert.
Der Verbraucher würde sich wünschen, dass die Richtlinien und Verordnungen auch ethische und soziale Aspekte berücksichtigen, einige Anbauverbände tun dies bereits. Er möchte sichergehen, dass die Tiere liebevoll getötet werden und ohne Stress zum Metzger kommen. Er möchte einfach nur, dass in einem Bio-Produkt auch von vorne bis hinten wirklich nichts anderes als Bio drin ist. Trotzdem ist die EU-Öko-Verordnung besser als gar nichts: Sie sichert pestizidarme und gentechnikfreie Produkte - soweit das möglich ist - und schreibt den Erzeugern vor, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Das ist eine Art Basissicherung. Bioprodukte vom Discounter entsprechen dieser Norm. Die Hersteller dieser Produkte nehmen den Trend wahr, um ein Stückchen vom großen Bio-Kuchen mitzukriegen. Man mag darüber denken, wie man will, aber die Bio-Produkte vom Discounter ermöglichen einer breiten Masse, sie abzunehmen und steigern in Folge den Anteil organischer Wirtschaftsweise.
Wer aber einmal angefangen hat, organisch-biologisch zu wirtschaften, der will mit der Zeit mehr, das ist ein Entwicklungsprozess. Der Produzent wird sich zunehmend Gedanken um seine Produktionsweise machen und den Dialog suchen, der vielleicht in einen Anbauverband oder zu einer Marke führt - muss ja nicht gleich Demeter sein.
EU-Öko-Verordnung:
http://europa.eu/legislation_summaries/agriculture/index_de.htm
Vergleich EU-Öko-Verordnung mit den Richtlinien der Anbauverbänden
http://www.oeko-fair.de/ressourcen-bewahren/bio-landbau/service7/service38