Wohl keine Branche ist vor Betrug sicher. In der herkömmlichen Lebensmittel-Herstellung sind kleine Schummeleien und große Skandale bekannt. Und auch bei den Bio-Betrieben sind schwarze Schafe nicht ausgeschlossen. Es ist zumindest denkbar, dass sich Hersteller mit dem Prädikat Bio schmücken, ohne dass sie den Kriterien für ökologische Erzeugung genügen. Tatsächlich gab es schon einige Fälle, in denen Erzeugnisse ohne Öko-Zertifizierung als Bio-Produkte in den Regalen gelandet waren. Um eine Verbrauchertäuschung zu verhindern, gibt es Kontrollstellen. Sie prüfen regelmäßig, ob die Bio-Richtlinien eingehalten werden. Doch auch anders geartete Probleme können in der Bio-Branche vorkommen, etwa die Zahlung von zu niedrigen Gehältern.
In nahezu allen Fällen genügt ein Bio-Produkt auch den Richtlinien. Die Ausdrücke „Bio" und „Öko" sowie das deutsche und das europäische Bio-Siegel dürfen nur vergeben werden, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Landwirte oder Hersteller müssen sich dazu zertifizieren lassen. Eine Kontrollstelle überprüft in regelmäßigen Abständen, ob sich die Betriebe daran halten. Entspricht eine Herstellung nicht den Vorgaben der ökologischen Landwirtschaft, wird die Bio-Zertifizierung entzogen. Bereits in Umlauf gebrachte Ware wird zurückgerufen. Daher können Kunden davon ausgehen, dass sie die Bio-Qualität erhalten, wenn sie die Lebensmittel mit Bio-Siegel kaufen.
Die Kontrollstellen sind privat, aber müssen eine staatliche Zulassung besitzen. Die Kontrollstellen selbst werden vom Staat kontrolliert. Die Kontrollstellen überprüfen die Betriebe mindestens einmal jährlich, zudem können unangekündigte Überprüfungen anberaumt werden. Betriebe müssen Buch führen, dass sie nach der EU-Öko-Verordnung produzieren, und dass der Handel mit rechten Dingen abläuft. Oft wird der Hof oder die Produktionsstätte selbst kontrolliert. Außerhalb der Europäischen Union gibt es ebenfalls Institutionen, die die Bio-Betriebe nach den Maßgaben kontrollieren.
Noch sicherer sind Produkte, die über die renommierten Anbauverbände wie Bioland, Demeter oder Naturland laufen. Nicht nur überprüfen die Verbände selbst regelmäßig die Einhaltung der Bio-Richtlinien. Sie haben sogar eigene Richtlinien, die um einiges strenger als die bloßen staatlichen Bio-Voraussetzungen sind.
Papier (und Kunststoff...) ist geduldig. Von daher ist es selbstredend technisch möglich, „Bio" oder „Öko" auf jegliche Verpackung zu schreiben oder das Bio-Logo aufzudrucken. Aber wer fälschlicherweise das Bio-Siegel verwendet, muss mit Sanktionen rechnen. Die Maßnahmen können von der Ahndung der Ordnungswidrigkeiten über ein dauerhaftes Verbot bis hin zu Freiheitsstrafen reichen. Der Etikettenschwindel dürfte zudem meist schnell auffliegen.
Bio-Betriebe könnten beispielsweise nur zu Kontrollzwecken eine gewisse Anzahl an Bio-Tieren halten. Diese werden bei einer Überprüfung dann vorgezeigt, und der ganze Hof bekommt das Zertifikat einer ökologischen Erzeugung. Dennoch werden dann weitere Tiere zu Bedingungen gehalten, die nicht der Bio-Landwirtschaft entsprechen. Dennoch werden die Produkte unter dem Bio-Siegel verkauft.
Es lässt sich nicht ausschließen, dass Öko-Landwirte entgegen der Vorschriften auch Pestizide (Pflanzenschutzmittel) sprühen. Nicht immer lässt sich dies aufdecken. Auch können die Pestizide aus der Umgebung auf die Bio-Äcker gelangen, so dass die Grenzwerte nicht bei Null liegen. Die Verwendung von eigentlich nicht erlaubten Substanzen kann auch den Mineraldünger oder die Medikamente für die Nutztiere betreffen.
Ein Problem solcher Betrügereien ist, dass das Vertrauen in die Bio-Produkte sinken könnte, auch wenn sich die allermeisten Hersteller an die Regelungen halten. Der Imageschaden, etwa bei Skandalen, die durch die Medien gehen, kann groß sein.
„Naturnah", „aus kontrolliertem Anbau", „umweltfreundlich erzeugt", „ungespritzt", „aus integrierter Landwirtschaft" - all das klingt prägnant nach ökologischem Landbau. Doch solche Ausdrücke unterliegen keinen rechtlichen Beschränkungen. Hersteller können diese und ähnliche Wörter also verwenden, ohne dass die Produkte tatsächlich aus der Bio-Landwirtschaft stammen. Einige Produkte ohne Bio-Siegel, aber mit solchen Beschreibungen, mögen vielleicht wirklich den Standards genügen. Aber oftmals verbirgt sich nur heiße Luft hinter den plakativen Versprechungen von „naturnah" & Co. Ähnliches gilt für Grafiken und Logos, die zu Werbezwecken entworfen wurden. Sie können den Verbraucher mit grünen Landschaften, klarem Wasser und glücklichen Kühen täuschen.
Bio-Produkte müssen zwar den Richtlinien der ökologischen Landwirtschaft gehorchen. Doch das, was die EU in ihrer Öko-Verordnung festgehalten hat, ist in einigen Punkten nicht sonderlich streng. Das ergibt Lücken, die sich Firmen mit gering ausgeprägtem Gewissen zunutze machen können.
Manchmal werden Flächen als Auslauf für die Tiere deklariert, obwohl sie dazu gar nicht dienen. Damit kann geschummelt werden und die theoretische Fläche für das einzelne Tier vergrößert werden. Praktisch hat es das Vieh trotzdem sehr eng in den Stallungen.
Bio-Qualität ist nicht immer zu 100 Prozent vorteilhaft für die Umwelt, die Tiere oder die Gesundheit. Es gibt einige Beispiele, die den Nutzen der Bio-Produktion relativieren. Dazu gehört, dass Nutztiere mit Bio-Futter ernährt werden müssen, das auf manchen Höfen aus Kostengründen aber minderwertig ist. Die Tierhaltung entspricht dann zwar den Richtlinien, aber die Tiere sind praktisch fehlernährt und können dadurch krank und schwach werden.
Bei Bio-Lebensmitteln sind zwar deutlich weniger Zusatzstoffe erlaubt als bei herkömmlichen Produkten. Dennoch handelt es sich um eine ganze Reihe von Substanzen bis hin zu Farbstoffen oder Geliermitteln. Insgesamt sind es 47 mögliche Zusatzstoffe (bei herkömmlichen Lebensmitteln sind 300 erlaubt). Das entspricht nicht immer dem Wunsch der Kunden, ein möglichst natürliches Produkt zu bekommen.
Weite Transporte sind prinzipiell nachteilig für die Umwelt, denn unter anderem werden über die Abgase Treibhausgase und Schadstoffe freigesetzt. Doch für Bio-Produkte gibt es diesbezüglich keine Beschränkungen. So können Bio-Produkte auch vom anderen Ende der Welt kommen - die dortigen lokalen Vorteile für die Umwelt werden durch die Transportwege wieder relativiert. Hersteller können auch folgendermaßen verfahren: Das Lebensmittel hier anbauen, aber im Ausland weiterverarbeiten und wieder importieren. Die Löhne für die Arbeiter können im Ausland wesentlich geringer sein und damit die Transportkosten mehr als wettmachen. Der Umwelt ist damit nicht geholfen.
Ohnehin achten einige Hersteller anscheinend nur auf den Profit. Sicher muss ein Betrieb auch rentabel sein. Doch dies auf Kosten der Qualität, der Natur oder der Arbeiter zu tun, kann nicht Sinn der ökologischen Wirtschaftsweise sein.
Der Ausdruck „Bio" oder „Öko" hat nur bei Nahrungsmitteln rechtliche Auflagen zu erfüllen. Bio-Kosmetika oder Öko-Textilien können beispielsweise so genannt werden, ohne dass sie dafür zertifiziert sein müssen. Sie haben keine genauen Vorgaben, welche Inhaltsstoffe erlaubt oder verboten sind. Deshalb sollten Verbraucher ganz genau schauen, ob die Produkte wirklich ökologischen und gesundheitlichen Standards genügen. Nur ganz bestimmte Organisationen beziehungsweise Siegel gewährleisten eine Bio-Qualität. Bei Kosmetik sind dies z. B. die Siegel „Kontrollierte Natur-Kosmetik" vom BDIH oder „NaTrue". Für deren Erteilung müssen die Produkte Richtlinien genügen, beispielsweise keine synthetischen Inhaltsstoffe haben.
Weitere Probleme, die gar nicht mit der ökologischen Qualität zusammenhängen, können ebenfalls zum Vorschein kommen. Zu erwähnen ist hier, dass Landwirte oder Mitarbeiter auch in Bio-Betrieben nicht fair entlohnt werden. Dieses Lohndumping kann sich auf allen Ebenen der Herstellung und des Verkaufs finden: in der Landwirtschaft, in Firmen zur Weiterverarbeitung oder in Bio-Läden. Teilweise werden Löhne gezahlt, die weit unter dem Durchschnitt für vergleichbare Jobs liegen. Beinahe ergibt sich der Eindruck, dass die Betriebe die Mehrkosten wegen der ökologischen Erzeugung an anderer Stelle einsparen wollen. Auch die soziale Absicherung der Mitarbeiter ist noch lange nicht gewährleistet, wenn ein Bio-Unternehmen dahinter steckt.
Letzte Aktualisierung am 25.11.2021.