Der Begriff Orthorexie bezeichnet ein Essverhalten, bei dem die Betroffenen sehr streng darauf achten, sich gesund zu ernähren. Sie sind so fixiert auf ihre Ernährung, dass Ernährungs- und Suchtberater schon von einer Art Krankheit sprechen.
Die Bezeichnung Orthorexie setzt sich aus den griechischen Begriffen „Orthos" - der Richtige und „òrexi" - Appetit zusammen. Sie wurde 1997 erstmals durch den Mediziner Steven Bratman beschrieben, der das Verhalten der Magersucht (Anorexie) gegenüberstellte.
Es ist jedoch immer noch stark umstritten, ob die bei der Orthorexie auftretenden Symptome überhaupt als Krankheitsbild bezeichnet werden können.
Wie oft Orthorexie in Deutschland vorkommt, ist noch nicht ausreichend untersucht. Eine italienische Studie geht von sechs Prozent Orthorektikern innerhalb der italienischen Bevölkerung aus.
Während ein Teil der Ärzteschaft das Verhalten von Orthorektikern lediglich als übertriebene Marotte abtut, sieht der andere Teil in der permanenten Beschäftigung mit dem Essen eine Vorstufe der Magersucht oder gar eine psychische Zwangserkrankung.
Orthorektisches Verhalten könnte zum einen als Bewältigungsstrategie für einen tief in der Psyche verankerten Konflikt gesehen werden.
Zum anderen liegt der Orthorexie oft ein Persönlichkeitsproblem zugrunde, das von den Betroffenen durch die ständige Beschäftigung mit der Ernährung ausgeblendet werden kann.
Die Hauptursache für das Verhalten der Orthorektiker sehen Mediziner in dem Bedürfnis, wenigstens einen Lebensbereich zu kontrollieren. Oft sind bei den Betroffenen in Partnerschaft, Beruf oder Familie für sie nicht mehr kontrollierbare Probleme entstanden.
Die Kontrolle ihrer eigenen Lebens- und Ernährungsweise stellt somit eine Art Rettungsanker dar. Ängste und Verringerungen des Selbstwertgefühls können durch die übertriebene Beschäftigung mit dem Essen kompensiert werden.
Betroffene verbringen oft Stunden in Bioläden, studieren Packungsangaben und bereiten einen Großteil ihrer Nahrung selbst zu oder bauen ihn gar selbst an.
Es geht ihnen dabei klar um die Qualität der Nahrung, und nicht um die Menge, wie es beispielsweise bei Magersüchtigen der Fall ist. Fisch und Fleisch werden meist gemieden, Tierprodukte wie Eier, Milch und Käse gelten als ungesund.
Das Verhalten wird oft durch aktuelle Lebensmittelskandale, wie BSE oder Gammelfleisch, noch um ein Vielfaches gesteigert.
Orthorektiker sind Profis in der Ernährungs- und Warenkunde. Sie konzentrieren sich nur noch auf das gesunde Essen und blenden alle Probleme der Umgebung aus. Ihre Gedanken kreisen nur noch um die nächste Mahlzeit und deren Inhaltsstoffe.
Die Lust am Essen geht dadurch bei den Betroffenen immer mehr verloren.
Gemeinsames Essen mit Anderen wird vermieden, wodurch sich die Betroffenen oft von ihrem sozialen Umfeld isolieren.
Durch die immer weiter zunehmenden Einschränkungen ihres Ernährungsplans leiden Orthorektiker nicht selten an Mangelerscheinungen und oft auch Untergewicht.
Orthorexie bezeichnet eine sehr fixierte Auswahl von "gesunden" und Vermeidung von "ungesunden" Lebensmitteln.
Inwiefern die Symptome als Krankheit aufgefasst werden können hängt letztendlich davon ab, wie stark der Leidensdruck der Betroffenen ist. Die Definition, ab wann das „Gesundessen" krankhaft ist und als Essstörung bezeichnet werden kann, gestaltet sich of schwierig. Es existiert noch kein eindeutiges System, mit dem man die Orthorexie kategorisieren könnte.
Lediglich bestimmte Anhaltspunkte können herangezogen werden, um beurteilen zu können, ob eine Orthorexie in Frage kommt:
Von der Orthorexie muss man die Anorexie (Magersucht) streng abgrenzen.
Bei der Anorexie handelt es sich um eine quantitative Essstörung. Die Betroffenen sind davon besessen, möglichst wenig Nahrung zu sich zu nehmen, um ihr Körpergewicht zu verringern. Die Orthorexie hingegen ist eine qualitative Essstörung.
Die Nahrung soll möglichst gesund sein, wobei der Begriff „gesund" von den Betroffenen oft sehr unterschiedlich definiert wird.
Sie tritt im Gegensatz zur Anorexie auch nicht im Teenager oder Jugendalter auf, sondern ist eher in der Altersgruppe der 30 bis 40-Jährigen zu finden.
Eine Therapie würde sich für die Betroffenen, wie eine Bekehrung zu lasterhaften Lebensmitteln darstellen. Sie gestaltet sich deshalb im Falle der Orthorexie sehr schwierig, da die Betroffenen meist an ihrem Lebensstil nichts ändern wollen.
Den Arzt suchen sie meist aufgrund von Folgen der Mangelernährung, wie Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Schlafstörungen auf.
In Selbsthilfegruppen landen Orthorektiker meist zufällig. Oft beginnt eine Therapie erst, wenn zusätzlich eine Magersucht bei den Betroffenen hinzukommt, oder ihre Kinder unter Magersucht oder anderen Essstörungen leiden.
Es ist dann vor Allem notwendig, die zwanghaften Einstellungen zur Ernährung „aufzuweichen", das Genussprinzip muss wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden.
Die verschiedenen Qualitäten, die das Essen, neben der Erhaltung der körperlichen Gesundheit noch besitzt, müssen die Betroffenen wieder neu erkennen.
Dazu gehört das gemeinsame Essen als Kommunikationsmittel, und die Lust, der Genuss und die Freude am Essen, die wieder entdeckt werden muss.
Da Orthorektiker in ihrem übertriebenen Ernährungswahn zunächst nur die Vorteile für sich und ihren Körper sehen, können sie nur sehr schwer von diesem Verhalten abgebracht werden.
Durch aktuelle Lebensmittelskandale und die Entdeckung von Schadstoffen in der Nahrung, fallen immer mehr Nahrungsmittel durch das Raster der Orthorektiker, die sich letztendlich fast nur noch vegan ernähren, also ausschließlich von Obst und Gemüse leben.
Erst wenn die Betroffenen den Wunsch entwickeln, das Essen mehr zu genießen, besteht eine Chance, wieder ein normales Essverhalten zu entwickeln
Letzte Aktualisierung am 13.07.2021.