Allergische Reaktionen und Unverträglichkeiten gegen Bestandteile der Nahrung treten besonders im Kleinkind- und Jugendalter sehr häufig auf. Im Falle einer Hühnereiweißallergie besteht eine Unverträglichkeit gegen Eiweiße im Eiklar, selten im Eidotter, von Hühnereiern. Diese Form der Allergie ist bei Erwachsenen zwar relativ selten, sie gehört jedoch zu den häufigsten Unverträglichkeiten bei Jugendlichen und betrifft etwa ein bis zwei Prozent der Personen unter 16 Jahren.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die Mehrheit der Kinder mit einer Hühnereiweißallergie im Verlauf der Kindheit eine Toleranz gegenüber Eiern entwickelt und die Allergie wieder ablegt.
Im Falle einer Allergie ist das Allergen, also der allergieauslösende Stoff eigentlich harmlos, löst jedoch bei Allergikern eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems aus.
Die Eiweiße aus dem Hühnerei verbinden sich mit Antikörpern des Immunsystems, den Immunglobulinen E (IgE). Dieser Komplex aus Hühnereiweiß und IgE führt zu einer Ausschüttung des Botenstoffes Histamin. Histamin löst dann die eigentlich spürbare Reaktion des Körpers aus, also eine Rötung und Schwellung der Haut, Juckreiz und Husten, der bis hin zum Asthmaanfall führen kann.
Außerdem haben Allergien in den meisten Fällen auch eine erbliche Komponente. Sind Verwandte ersten Grades von einer Allergie betroffen, haben die Nachkommen ein Vielfach erhöhtes Risiko, ebenfalls eine Allergie oder Unverträglichkeit zu entwickeln.
Der Genuss von Hühnereiern führt bei den Betroffenen sehr schnell zu einer Abwehrreaktion. Im Allgemeinen sind die Symptome einer Hühnereiweißallergie sehr vielgestaltig. Sie reichen von neurodermitisartigen Hautausschlägen über Verdauungsbeschwerden bis hin zu Darmkrämpfen, Durchfällen und Darmentzündungen. Auch Hustenanfälle bis hin zum Asthma kommen vor.
Weiter Beschwerden können auch das Nervensystem betreffen. Besonders von einer Hühnereiweißallergie betroffene Kleinkinder und Säuglinge zeigen eine extreme Unruhe und schreien sehr häufig und lange.
Die Allergie ist nicht bei allen Erkrankten gleich stark ausgebildet. Während manche Allergiker beispielsweise kein rohes Ei, wie es in Desserts häufig verwendet wird, vertragen, können sie es in gekochter Form problemlos zu sich nehmen.
Andere reagieren so empfindlich, dass sie nicht nur Hühnereier, sondern auch die Eier von Gänsen oder Enten meiden müssen.
Bei einer sehr hohen Empfindlichkeit gegenüber den Hühnereiweißen kann sich nach dem Verzehr von Hühnereiern gar ein lebensbedrohlicher Schockzustand entwickeln.
In seltenen Fällen können sich sogenannte Kreuzallergien entwickeln. Dabei reagieren die Betroffenen auch auf andere Eiweiße, die eine ähnliche Struktur wie das Hühnereiweiß aufweisen. Geflügelfleisch oder Vogelfedern können dann ebenfalls allergische Reaktionen im Körper hervorrufen.
Oft verlieren Kinder ihre Allergie jedoch bis zum Schuleintritt wieder.
Für die sichere Diagnose einer Hühnereiweißallergie ist eine detaillierte Dokumentation der Ernährungsgewohnheiten sehr wichtig.
Haben gestillte Kinder blutig-schleimige Stühle, sollte zunächst ausgeschlossen werden, dass die stillende Mutter etwas an ihrem Ernährungsverhalten geändert hat, was zu einer Überreaktion des Säuglings geführt haben könnte.
In der Untersuchung des Blutes fallen meist eine Erhöhung der Abwehrzellen und der IgE-Antikörper auf. Diese Laborwerte weisen jedoch nur auf das Vorliegen einer Allergie hin und geben keinen Hinweis auf das auslösende Allergen.
Nur bei milderen Formen der Hühnereiweißallergie kann ein sogenannter Provokationstest durchgeführt werden. Dazu wird zunächst ein Auslassversuch unternommen, bei dem das Kind über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen keine Hühnereier oder Produkte, die Eier enthalten, zu essen bekommt. Auch stillende Mütter müssen Hühnereiweiß bei diesem Auslassversuch streng meiden.
War das Kind unter diesem Auslassversuch beschwerdefrei, kann ihm unter klinischer Überwachung Hühnereiweiß gegeben werden. Treten die Symptome der allergischen Reaktion wieder auf, gilt die Hühnereiweißallergie praktisch als bewiesen.
Die Hühnereiweißallergie sollte gegenüber anderen Unverträglichkeiten von Nahrungsbestandteilen, wie beispielsweise einer Kuhmilchallergie oder einer Milchzuckerintoleranz (Laktoseunverträglichkeit) abgegrenzt werden.
Außerdem sollte ausgeschlossen werden, dass keine sogenannte Pseudoallergie vorliegt. Diese Form der Unverträglichkeitsreaktionen äußert sich ähnlich wie eine Allergie, es wird jedoch kein IgE ausgeschüttet, sodass das Immunsystem an dieser Überreaktion des Körpers nicht beteiligt ist. Pseudoallergien treten vor allem nach dem Verzehr von künstlichen Nahrungsmittelzusätzen, wie Konservierungs- uns Aromastoffen auf. Im Gegensatz zu Allergien sind Pseudoallergien relativ selten.
Die Therapie der Hühnereiweißallergie besteht in der strengen Vermeidung von Produkten, in denen Hühnereiweiß enthalten ist.
Dies gestaltet sich nicht immer einfach, da Hühnereiweiß in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten ist. Eier werden als Binde-, Trieb- und Lockerungsmittel benötigt. Sie finden sich in Backwaren, Saucen, Mayonnaise, Eis, Creme und Süßspeisen. Auch zum Klären von Flüssigkeiten wird Eiklar aus Hühnereiern verwendet. So können Spuren von Hühnereiern auch in Brühe, Saft und sogar Wein auftauchen.
In der Zutatenbezeichnung auf Lebensmittelverpackungen weisen die Begriffe Fremdprotein, tierisches Eiweiß, Lecithin, Stabilisatoren und Emulgatoren auf die Verwendung von Hühnereiweiß hin.
Wer sicher gehen will, dass gekaufte Nahrungsmittel keinen Zusatz von Hühnereiweißen enthalten, sollte Fertigprodukte meiden und soviel wie möglich selbst kochen und zubereiten.
Häufig kommen vor allem Backrezepte nicht ohne Hühnereier aus. In diesem Fall kann auf Eierersatzprodukte aus dem Reformhaus oder der Apotheke zurückgegriffen werden.
Neueste Studien haben auch gezeigt, dass es möglich ist, sogenannte hypoallergene Eier herzustellen. Lebensmittelchemiker aus Deutschland entwickelten dazu ein Verfahren, in dem Hühnereier gekocht und anschließend mit Enzymen versetzt werden. Die Menge der allergieauslösenden Eiweiße wird so um das Hundertfache verringert. Bei Allergikern konnte nach dem Verzehr dieser Eier keine Abwehrreaktion mehr festgestellt werden. Das Verfahren beeinträchtige, so die verantwortlichen Wissenschaftler, auch den Geschmack der Eier nicht. Es ist jedoch erst in der Entwicklungsphase und Allergiker werden sich noch eine Zeit gedulden müssen, bis sie die hypoallergenen Hühnereier auf den Tisch bekommen.
Nur beim Auftreten von sehr starken Beschwerden können zusätzlich Medikamente gegeben werden.
Bei überschießenden Hautreaktionen können kortisonhaltige Cremes auf die Haut aufgetragen werden. Diese lindern oft den Juckreiz und die Entzündungsreaktion der Haut.
Zur Verhinderung von Asthmaanfällen kann Cromoglycinsäure verabreicht werden. Sie wird meist inhaliert und wirkt Vorbeugend, sodass die Beschwerden im besten Falle gar nicht erst auftreten.
Allergische Reaktionen gegen Hühnereiweiß bilden sich häufig nach einigen Monaten oder Jahren zurück, wenn in dieser Zeit auf Produkte, die Hühnereiweiß enthalten, verzichtet wurde. Die Mehrzahl der betroffenen Kinder hat die Allergie schon vor dem Schuleintritt abgelegt. Deshalb sollten in regelmäßigen Abständen Expositionsversuche durchgeführt werden, um eine zu lange Dauer der therapeutischen Diät zu vermeiden.
Letzte Aktualisierung am 30.08.2021.