Allergische Reaktionen gegen Bestandteile der Nahrung treten besonders im Kleinkind- und Säuglingsalter sehr häufig auf. Bei der Kuhmilchallergie kommt es zu Unverträglichkeitsreaktionen gegenüber den in der Kuhmilch enthaltenen Eiweißen, von denen 25 bekannt sind. Somit ist die Kuhmilchallergie eine spezielle Form der Nahrungsmittelallergie.
Etwa zwei bis drei Prozent aller Kinder unter 14 Jahren leiden unter einer Kuhmilchallergie. In den meisten Fällen bildet sich diese Art der Nahrungsmittelallergie im Laufe der Kindheit wieder zurück.
Im Falle einer Allergie ist das Allergen, also der allergieauslösende Stoff, eigentlich harmlos, löst jedoch bei Allergikern eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems aus.
Die Eiweiße aus der Kuhmilch verbinden sich mit Antikörpern des Immunsystems, den Immunglobulinen E (IgE). Dieser Komplex aus Kuhmilchprotein und IgE führt zu einer Ausschüttung des Botenstoffes Histamin.
Histamin löst dann die eigentlich spürbare Reaktion des Körpers aus, also eine Rötung und Schwellung der Haut, Juckreiz und Husten, der bis hin zum Asthmaanfall führen kann.
Kuhmilch enthält eine Reihe von Eiweißen, die eine potentiell allergieauslösende Wirkung auf ein Kleinkind ausüben können. Beispiele dafür sind Lactalbumin, Casein und Beta- Lactoglobulin.
Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass Kuhmilch in der Regel das erste Fremdeiweiß ist, mit dem ein Säugling oder Kleinkind in Berührung kommt. Der Körper nimmt den neuen Nahrungsbestandteil zunächst als unbekannt und körperfremd wahr. Das Kind benötigt eine gewisse Phase der Eingewöhnung, bis das neuartige Lebensmittel vom Körper toleriert wird.
Des weiteren haben Allergien in den meisten Fällen auch eine erbliche Komponente. Sind Verwandte ersten Grades von einer Allergie betroffen, haben die Nachkommen ein Vielfach erhöhtes Risiko, ebenfalls eine Allergie oder Unverträglichkeit zu entwickeln.
Die Symptome einer Kuhmilchallergie können sehr vielgestaltig auftreten. Sie reichen von neurodermitisartigen Hautausschlägen über Verdauungsbeschwerden bis hin zu Darmkrämpfen, Durchfällen und Darmentzündungen.
Weitere Beschwerden können auch das Nervensystem betreffen. Die Kinder zeigen eine extreme Unruhe und schreien sehr häufig und lange. In den meisten Fällen treten mindestens zwei Symptome gemeinsam auf. Man unterscheidet zwischen Sofortsymptomen, die innerhalb von wenigen Minuten entstehen, Intermediärsymptomen, die in den ersten Tagen nach dem Kontakt mit Kuhmilchprodukten auftreten und Spätsymptomen, die erst Wochen später auffallen.
Die Sofortsymptome äußern sich als Lippenschwellung, Erbrechen, Durchfall und Asthma während sich die typische blutig-schleimigen Stühle und der Hautauschlag meist erst Tage bis Wochen nach dem Kontakt mit Kuhmilch ausbilden.
Bei gestillten Kindern treten eher Hautausschläge in den Vordergrund, die an Neurodermitis denken lassen. Sie haben zudem meist blutig-schleimige Stühle, bei einem insgesamt guten Allgemeinzustand. Bei nicht gestillten Kindern steht neben den Hautausschlägen und Durchfällen häufig eine Gedeihstörung im Vordergrund.
In der Regel sind von der Allergie junge Säuglinge betroffen. Das erstmalige Auftreten einer Kuhmilchallergie nach dem zwölften Lebensmonat ist sehr selten.
Oft verlieren Kinder ihre Allergie jedoch bis zum Schuleintritt wieder.
Für die Diagnose einer Kuhmilchallergie ist eine detaillierte Dokumentation der Ernährungsgewohnheiten sehr wichtig. Haben gestillte Kinder blutig-schleimige Stühle, sollte zunächst ausgeschlossen werden, dass die stillende Mutter etwas an ihrem Ernährungsverhalten geändert hat, was zu einer Überreaktion des Säuglings geführt haben könnte. Eine Belastung mit Kuhmilch sollte bei Kleinkindern erst nach dem ersten Geburtstag erfolgen.
In der Untersuchung des Blutes fallen meist eine Erhöhung der Abwehrzellen und der IgE-Antikörper auf. Diese Laborwerte weisen jedoch nur auf das Vorliegen einer Allergie hin und geben keinen Hinweis auf das auslösende Allergen.
Nur bei milderen Formen der Kuhmilchproteinallergie kann ein sogenannter Provokationstest durchgeführt werden. Dazu wird zunächst ein Auslassversuch unternommen, bei dem das Kind über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen keine Kuhmilch oder Kuhmilchprodukte zu essen bekommt. Auch stillende Mütter müssen Kuhmilch bei diesem Auslassversuch streng meiden.
War das Kind unter diesem Auslassversuch beschwerdefrei, kann ihm unter klinischer Überwachung Kuhmilch gegeben werden. Traten die Symptome der allergischen Reaktion wieder auf, gilt die Kuhmilchallergie praktisch als bewiesen.
Von der Kuhmilchallergie sollten die relativ harmlose Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) sowie die sehr seltene Galaktosämie (eine angeborene Stoffwechselerkrankung) abgegrenzt werden, die zunächst ähnliche Beschwerden auslösen können.
Außerdem sollte die Nahrungsmittelallergie von einer sogenannten Pseudoallergie unterschieden werden. Diese Form der Unverträglichkeitsreaktionen äußert sich ähnlich wie eine Allergie, es wird jedoch kein IgE ausgeschüttet, sodass das Immunsystem an dieser Überreaktion des Körpers nicht beteiligt ist. Pseudoallergien treten vor allem nach dem Verzehr von künstlichen Nahrungsmittelzusätzen wie Konservierungs- und Aromastoffen auf.
Im Gegensatz zu Allergien sind Pseudoallergien relativ selten.
Bei der sicher diagnostizierten Kuhmilchallergie sollte in jedem Fall eine ausführliche Beratung durch einen Allergie Facharzt (Allergologen) durchgeführt werden.
Die Therapie der Kuhmilcheiweißallergie besteht in der strengen Vermeidung von Kuhmilch im Rahmen der Säuglings- und Kleinkindernährung.
Wird ein Säugling mit nachgewiesener Kuhmilchallergie voll gestillt, genügt es meist, wenn die stillende Mutter auf Kuhmilchprodukte verzichtet. Dazu ist eine Diätberatung notwendig, da versteckte Quellen von Kuhmilcheiweiß, wie beispielsweise Zusätze von Butter oder Sahne, oft nicht erkannt werden.
Ist der Verzicht der Mutter ausreichend, um die Beschwerden des Kindes zu bessern, sollte zusätzlich Kalzium eingenommen werden, um einem Kalziummangel vorzubeugen und die Knochen zu schützen.
Sind die Symptome des Kindes durch den Kuhmilchverzicht der Mutter nicht zu beeinflussen, kann versucht werden, weitere möglicherweise allergieauslösende Nahrungsbestandteile aus der Nahrung zu entfernen. Zu diesen Produkten gehören beispielsweise Fisch, Nüsse, Soja- und Weizenprodukte.
Magermilchpulver kann jedoch auch in einer Reihe weiterer Nahrungsmittel vorkommen, wie Brot, Knabbergebäck, Speiseeis, Schokolade, Ziegen- und Schafskäse, Fertignahrung, Suppenkonzentrate, Senf und Ketchup.
Probeweise kann auch eine Stillpause mit der Gabe einer therapeutischen Nahrung eingelegt werden.
Säuglinge mit einer Kuhmilcheiweißallergie, die flaschengenährt werden, sollten in den ersten Monaten nach der Diagnosestellung auch keine anderen Arten von Tiermilch, wie Schafs-, Ziegen- oder Stutenmilch, zu trinken bekommen, da auch hier allergische Reaktionen auftreten können.
Auch die Verwendung von Sojaprodukten sollte vermieden werden. Ungeeignet sind auch die zur Vorbeugung von Allergien eingesetzten HA-Nahrungen, da sie Restallergene enthalten können. Stattdessen sollten dem Kind diätische Produkte, die auf hydrolysierten Eiweißen basieren, gegeben werden.
Ist bekannt, gegen welche Form des Kuhmilcheiweißes eine Allergie besteht, kann die Diät angepasst werden.
Lactalbumin kann beispielsweise durch Kochen zerstört werden. Hat ein Kind also ausschließlich eine Unverträglichkeit gegen das Lactalbumin in der Kuhmilch, reicht es oft aus, die Milch abzukochen um Unverträglichkeitsreaktionen zu vermeiden.
Personen, die gegen Casein allergisch reagieren, haben es wesentlich schwerer. Sie müssen wesentlich mehr Nahrungsmittel meiden als Lactalbumin-Allergiker.
Nur bei sehr starken Beschwerden können zusätzlich Medikamente gegeben werden.
Bei starken Hautausschlägen können kortisonhaltige Cremes auf die Haut aufgetragen werden. Diese lindern oft den Juckreiz und die Entzündungsreaktion der Haut.
Zur Verhinderung von Asthmaanfällen kann Cromoglycinsäure verabreicht werden. Sie wird meist inhaliert und wirkt Vorbeugend, sodass die Beschwerden im besten Falle gar nicht erst auftreten.
Durch das Einhalten einer Kuhmilchfreien Diät bilden sich die Symptome der Allergie meist innerhalb weniger Tage zurück.
Allergische Reaktionen gegen Kuhmilcheiweiß bilden sich häufig nach einigen Monaten oder Jahren zurück, wenn in dieser Zeit auf Kuhmilch verzichtet wurde.
50 Prozent der betroffenen Kinder legen die Allergie schon innerhalb des ersten Lebensjahres wieder ab, 75 Prozent mit zwei Jahren und etwa 90 Prozent der ursprünglich an einer Kuhmilchallergie erkrankten Kinder haben diese bis zum dritten Lebensjahr abgelegt.
Um diese Zeit zu überbrücken, existieren spezielle Kochbücher, die das Kochen und Backen ohne Kuhmilch erleichtern. Bis zum Schuleintritt hat die Mehrzahl der von einer Kuhmilchallergie betroffenen Kinder ihr Unverträglichkeit gegen die Kuhmilcheiweiße wieder abgelegt. Deshalb sollten in regelmäßigen Abständen Expositionsversuche durchgeführt werden, um eine zu lange Dauer der therapeutischen Diät zu vermeiden.
Letzte Aktualisierung am 30.08.2021.