Die Anzahl der Personen, die unter Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln, Nahrungsmittelzusätzen oder Arzneimitteln leiden, nimmt in Deutschland immer mehr zu. Pseudoallergien ähneln allergischen Reaktionen vom Soforttyp, das heißt, sofort nach dem Kontakt mit dem auslösenden Stoff wird eine starke Reaktion im Körper ausgelöst. Im Gegensatz zu den Allergien ist bei Pseudoallergien das Immunsystem jedoch nicht beteiligt.
Pseudoallergien sind jedoch keine eingebildeten oder psychischen Erkrankungen. Die Symptome sind vielmehr ähnlich stark wie die einer immunologisch bedingten Allergie. Sie werden jedoch durch andere Mechanismen im Körper verursacht.
Allergien und pseudoallergische Reaktionen sind zunächst schwer zu unterscheiden, da beide Reaktionen durch Histaminfreisetzung aus Gewebsmastzellen ausgelöst werden.
Histamin ist der hauptverantwortliche Stoff für das Zustandekommen allergischer Reaktionen. Es ist in sogenannten Mastzellen gespeichert, die im gesamten Körper in großer Zahl vorhanden sind. Wird es freigesetzt löst es innerhalb kürzester Zeit Juckreiz, Schmerzen und Atemnot aus. Außerdem weitet es große Blutgefäße, wodurch die Hautrötung zustande kommt und wirkt antriebssteigend auf den Herzmuskel.
Im Falle einer Allergie wird die Ausschüttung von Histamin aus den Mastzellen von Immunglobulinen der Klasse E (IgE )getriggert. Diese Immunglobuline sind Antikörper, die gebildet werden, wenn der Körper zum erstem Mal in Kontakt mit dem Allergie-Auslösenden Stoff (Allergen) tritt. Der erste Kontakt mit einem Allergen bleibt bei einer „wahren" allergischen Reaktion also zunächst symptomfrei, da die Antikörper erst generiert werden müssen. Erst beim zweiten Kontakt sind die IgE bereits auf den auslösenden Stoff geschult. Sie binden bei Allergenkontakt an die Mastzellen und lösen eine Histaminausschüttung aus, wodurch innerhalb weniger Sekunden heftige Wirkungen hervorgerufen werden ( Allergie vom Soforttyp).
Bei Pseudoallergien ist ebenfalls das Histamin für die Reaktion des Körpers verantwortlich. Jedoch kommt die erhöhte Konzentration von Histamin nicht durch eine Immunreaktion, also durch IgE-Aktivierung zustande.
Die Mastzellen werden entweder durch andere Stoffe zur Ausschüttung bewegt, oder aber das Histamin wird durch einen Enzymdefekt nicht richtig abgebaut und häuft sich deshalb im Gewebe an (Histaminintoleranz).
Der Überschuss an Histamin kann bei der pseudoallergischen Reaktionen also auf sehr unterschiedlichen Wegen zustande kommen:
Beim Auftreten einer Pseudoallergie haben die Betroffenen annähernd die gleichen Beschwerden wie bei einer allergischen Reaktion.
Nach dem Kontakt mit dem auslösenden Stoff entwickeln sie Hautausschläge, sogenannte Quaddeln, Schnupfen, Asthmaanfälle, Magen-Darm-Beschwerden und Kreislaufprobleme. Charakteristisch für Pseudoallergien ist außerdem eine sogenannte Dosis-Wirkungskurve. Diese besagt, dass, je höher die Dosis des auslösenden Stoffes ist, desto schwerwiegender ist die Reaktion des Körpers. Diese Dosis-Wirkungskurve kann bei Allergien nicht beobachtet werden.
Etwa zehn Prozent der erwachsenen Patienten mit Pseudoallergien haben zusätzlich eine Unverträglichkeit gegenüber Acetylsalicylsäure (Aspirin) und anderen sogenannten nicht steroidalen Anti-Rheumatika (NSAR), wie Ibuprofen und Paracetamol.
Oft bestehet auch eine andere Intoleranz, wie beispielsweise gegen Käse (Tyramin), Glutamat oder Sulfit (im Wein).
Die Diagnose einer Pseudoallergie ist schwierig, da klassische Allergietests wie der Hauttest oder ein Bluttest bei der pseudoallergischen Reaktion nicht aussagekräftig sind.
Meist ist ein langwieriges Ausschluss- und Testverfahren notwendig, um eine Pseudoallergie nachzuweisen.
Meist wird zunächst eine mehrwöchige Auslassdiät versucht, bei der der mögliche Auslöser zunächst gemieden wird. Danach wird ein Provokationstest durchgeführt, bei dem der Auslöser verabreicht wird.
Die pseudoallergenarme Ernährung wird etwa drei bis vier Wochen lang durchgeführt. Der Diäterfolg stellt sich meist erst nach zehn bis vierzehn Tagen ein. Es ist wichtig, dass die Diät in der ganzen Zeit strikt eingehalten wird, da jeder Diätfehler den Erfolg hinauszögert. Erst nach erfolgreicher Diät kann man damit beginnen, den eigentlichen Auslöser durch den Provokationstest zu ermitteln.
Die Tests können bis sechs Monate nach dem ersten Auftreten der Symptome durchgeführt werden. Danach nimmt die Aussagefähigkeit der Testresultate deutlich ab.
Wird ein Arzneimittel oder bestimmte Bestandteile von Medikamenten als auslösende Substanz identifiziert, sollte dies in jedem Fall in einem Medikamentenpass vermerkt werden.
Vor allem bei Kindern treten oft Unverträglichkeiten gegenüber Lebensmittelbestandteilen auf, die sich oft im Verlauf der Entwicklung bessern oder ganz verschwinden, wie beispielsweise eine Kuhmilch- oder Hühnereiweißintoleranz.
Jedoch können auch Enzymdefekte bei der Verdauung von Milchzucker oder Fruchtzucker zu allergieähnlichen Symptomen führen. Diese Erkrankungen müssen klar von den Pseudoallergien abgegrenzt werden.
Die beste Methode, um das Auftreten einer Pseudoallergie zu vermeiden, ist zunächst die strikte Vermeidung der auslösenden Substanzen. Auch im Falle von Arzneimittelunverträglichkeiten sollte das auslösende Medikament sofort abgesetzt werden.
Bei starken Beschwerden sollte in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden.
Als medikamentöse Therapie kann zusätzlich eine Therapie mit Antihistaminika versucht werden. Sie können die Symptome mindern und lindern vor allem den Juckreiz. Unter Umständen kann so auch die Zeit überbrückt werden, bis die verantwortliche Substanz gefunden wird.
Kann der Auslöser der Beschwerden nicht erkannt werden, sollte eine pseudoallergemarme Diät eingehalten werden. Dabei sollten möglichst alle Fertigprodukte vermieden werden, die Lebensmittelzusätze wie Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder künstliche Süßungsmittel enthalten.
Die Diät sollte dann zunächst für drei Wochen durchgeführt werden.
Bei schwerwiegenden Haut- oder Schleimhautschädigungen, wie sie besonders bei Unverträglichkeiten gegenüber Arzneimitteln vorkommen, kann vorübergehend eine zusätzliche Gabe von Kortison Besserung verschaffen.
Eine Hyposensibilisierung, wie sie bei allergischen Reaktionen oft versucht wird, zeigt bei der Pseudoallergie keine Wirkung.
Entscheidend für die Prognose von Pseudoallergien ist die Ermittlung der verursachenden Substanz. Wird diese durch Provokationstests und Auslassdiäten gefunden, müssen die Betroffenen den Kontakt mit dem Auslöser weitestgehend meiden, da im Gegensatz zu „richtigen" Allergien schon kleinste Mengen ausreichen, um eine überschießende Reaktion des Körpers auszulösen.
Die pseudoallergenarme Kost, die zunächst zur Diagnose des Auslösers eingesetzt wurde kann auch langfristig durchgeführt werden und führt oft zu einer erheblichen Verbesserung der Beschwerden bei den Betroffenen.
Weiterführende Gespräche mit Allergologen oder einer allergologisch versierten Ernährungsfachkraft sind auch im Falle von Pseudoallergien sehr sinnvoll.
Letzte Aktualisierung am 30.08.2021.