Die Akupunktur (lateinisch acus = Nadel, punctio = das Stechen; chinesisch zhen bian) ist ein Teilgebiet der traditionellen chinesischen Medizin, bei dem Nadeln in die Akupunkturpunkte entlang der Meridiane gestochen werden. Eine Variante der Akupunktur ist die Moxibustion, bei der die Punkte erwärmt werden. Weitere Abwandlungen sind die Laserakupunktur, Elektroakupunktur, Homöosiniatrie (das Einspritzen von Homöopathika) und die Ohrakupunktur.
In China kann die Akupunktur bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden. Die ältesten Funde von Steinnadeln stammen aus der Zeit von 3000 v. Chr. Erstmals schriftlich erwähnt wurde sie im 2. Jh. v. Chr. Eine genaue Beschreibung der Akupunktur mit verschiedenen Nadeln, der Stichtechniken und den Indikationen für die Anwendung bestimmter Punkte erfolgte im 1. Jh. v. Chr. Bis zu ihrem Verbot Ende des 19. Jh. wurde die Akupunktur in China bei zahlreichen Krankheiten eingesetzt. Sie ist jedoch auch weiterhin ein wichtiger Bestandteil des chinesischen Gesundheitssystems.
Die Akupunktur hat sich außerhalb Chinas in weiten Teilen Asiens verbreitet, wo sie neben der westlichen Medizin angewendet wird. In diesen Ländern haben sich verschiedene Schulen herausgebildet. 2005 haben Experten aus Japan, China und Südkorea gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) damit begonnen, eine einheitliche Beschreibung der Akupunkturpunkte zu erstellen.
Die Verbreitung der Akupunktur in Europa erfolgte ab dem 17. Jh. Sie spielte jedoch nur eine untergeordnete Rolle und geriet schnell wieder in Vergessenheit. Erst ab den 1970er Jahren drang sie stärker in den Westen vor und erlangte eine größere Bekanntheit. Die Weiterentwicklung der Akupunktur erfolgt maßgeblich in Europa. Eine Neuentwicklung ist die Ohrakupunktur (Aurikulotherapie), die 1956 von Paul F.M. Nogier vorgestellt wurde.
Die Akupunktur beruht auf der Vorstellung, dass die Gesundheit auf dem Wechselspiel von Yin und Yang beruht. Dieses bringen Qi, die „universelle Energie" hervor. Qi fließt an der Körperoberfläche vom Scheitel bis zu den Fußsohlen in 12 paarigen Bahnen, den Meridianen, auf denen sich die etwa 400 Akupunkturpunkte befinden. Ist das Wechselspiel von Yin und Yang gestört, ist auch der Fluss von Qi gestört. Es kommt zu einer Unausgewogenheit in den Organsystemen (Qi-Stau und Qi-Leere) und Krankheiten können entstehen. Mittels Akupunktur soll der Energiefluss normalisiert werden und der Körper angeregt werden, Krankheiten zu überwinden.
Die verschiedenen Schulen der Akupunktur, die sich herausgebildet haben, unterscheiden sich zum Teil in der Anzahl und Lage der Meridiane und der Akupunkturpunkte. Auch die Stichtiefe, die Anzahl der Nadeln, die Organbeziehungen und die Punktkombinationen können stark variieren.
Auf dem Konzept der Nadelakupunktur beruhen auch die Moxibustion, Elektroakupunktur und Laserakupunktur. Bei der Moxibustion erfolgt die Reizung der Akupunkturpunkte mit Wärme, bei der Elektroakupunktur mit Schwachstrom und bei der Laserakupunktur mit Softlasern.
Die Ohrakupunktur geht hingegen davon aus, dass das Schema des menschlichen Körpers auf der Ohrmuschel abgebildet ist. Dabei sind einzelne Körperpartien bestimmten Punkten (insgesamt 108) auf der Ohrmuschel zugeordnet. Andere Varianten, die sich von der Ohrakupunktur ableiten, sind Kopf-, Nasen-, Hals-, Mund- und Odonte Akupunktur (an Kieferabschnitten), sowie die Vaginalakupunktur. Ihnen ist gemein, dass der ganze Körper auf einem bestimmten Körperteil abgebildet ist und dessen Behandlung auf den ganzen Körper wirkt („pars pro toto").
Für Qi und die Meridiane gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise. Es wird vermutet, dass die Akupunkturpunkte auf verdickten Muskelfasern, den Triggerpunkten, oder Durchtrittsstellen von Nerven-, Gefäß- und Muskelenden in die Haut liegen. Für einige Akupunkturpunkte konnte dies nachgewiesen werden. Die Reizung dieser Punkte soll zu einer Veränderung der Signale kommen, die die Schmerzen an das Gehirn weiterleiten. Einen anderen elektrischen Widerstand als andere Körperstellen besitzen Akupunkturpunkte jedoch nicht.
Eine andere Theorie beruht auf der Gate-Control-Theory. Diese geht davon aus, dass durch die Nadelreize die Übertragung der Schmerzimpulse vom Rückenmark zum Gehirn gehemmt wird. Es wird zudem Serotonin ausgeschüttet und somit die Signalweiterleitung vom Mittelhirn zurück zum Rückenmark gehemmt. Außerdem wirkt der Nadelreiz auf das Regulationszentrum des zentralen Nervensystems (Hypothalamus), was zu der Ausschüttung körpereigener Endorphine führt, die den Schmerz lindern. Die Theorie ist auch für andere Stellen auf der Haut belegt.
Der bei der Elektroakupunktur über die Nadeln abgegebene Strom wirkt nicht nur auf die Akupunkturpunkte, sondern auch auf das umliegende Gewebe und ist somit eine flächige Schwachstrombehandlung. Das Softlaserlicht der Laserakupunktur besitzt keine andere Wirkung als normales Tageslicht, da es nicht in die Haut eindringt. Es findet folglich keine Reizung der Akupunkturpunkte statt. Die bei der Moxibustion verwendete Wärme besitzt eine bessere Eindringtiefe in die Haut, wodurch eine Reizung der Akupunkturpunkte möglich ist.
Das Konzept der Ohrakupunktur und seiner Varianten beruht auf keiner wissenschaftlichen Grundlage. Eine reflektorische Wirkung von einem bestimmten Körperteil auf den gesamten Körper ist nicht möglich.
Findet die Akupunktur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung statt, wird zunächst eine konventionelle Diagnose gestellt.
Nach den Richtlinien der traditionellen chinesischen Medizin wird eine Diagnose nach einer Befragung nach Krankengeschichte, Persönlichkeit, Symptome, Wetterfaktoren und anderen Ursachen gestellt. Außerdem werden Haut und Zunge betrachtet, der Puls gefühlt, der Bauch untersucht und nach Verspannungen getastet.
Der Patient liegt oder sitzt in stabiler, entspannter Position, während Akupunkturpunkte direkt am erkrankten Areal, aber auch weit entfernte Punkte behandelt werden. In China werden dafür flexible Stahlnadeln, die sterilisiert und mehrmals verwendet werden, eingesetzt, während in den westlichen Ländern Einmalnadeln verwendet werden. Sie können 0,4 bis 2 mm dick und 1 bis 8 cm lang sein.
Es werden meist 4 bis 10 Nadeln 3 bis 80 mm tief in die Haut gestochen und zur Stimulation leicht gedreht, geklopft oder mit kleinen Kegeln aus Beifuß erhitzt. Die Nadeln verbleiben etwa 10 bis 30 Minuten an der Einstichstelle. Während dieser Zeit ruht der Patient. Je nach Erkrankung wird die Behandlung unterschiedlich oft wiederholt. Die Punktauswahl und die Stichtechnik können im Verlauf der Behandlung verändert werden. Setzt nach dem 3., spätestens nach dem 5. Mal keine spürbare Wirkung ein, sollte die Behandlung abgebrochen werden. In manchen Fällen werden auch kurze, reißzweckenartige Dauernadeln eingesetzt, die mehrere Tage an der Einstichstelle verbleiben. Auch das Einspritzen von Arzneimitteln, Pflanzenmitteln oder Homöopathika in die Akupunkturpunkte mittels Injektionsnadel ist möglich.
Bei der Elektroakupunktur werden Elektroden an den Akupunkturnadeln befestigt und Schwachstrom hindurch geleitet. Es werden aber auch Akupunkturgeräte verwendet, die selbsttätig anhand des Hautwiderstandes die richtigen Akupunkturpunkte finden und mit elektrischen Impulsen reizen sollen. Bei der Laserakupunktur werden die Nadeln durch Laserlicht ersetzt. Dafür werden Lasergeräte verwendet, die gebündeltes Licht abgeben. Dessen Leistung ist sehr gering und es wird somit kein Gewebe verletzt. Der Laserstrahl wird für einige Minuten über den entsprechenden Akupunkturpunk gehalten.
Statt der Nadeln werden bei der Moxibustion kleine Kegel oder Zigarren aus Beifußkraut verwendet. Die Moxa-Zigarren werden angezündet und mit dem glühenden Ende so lange an den Akupunkturpunkt gehalten, bis der Patient ein deutliches Hitzegefühl verspürt. Das wird so lange wiederholt bis die Stelle gerötet ist. Eine andere Variante ist die Verwendung von Moxa-Kegeln. Diese werden angezündet und mit einer Ingwerscheibe auf den Akupunkturpunkt gesetzt. Entsteht ein deutliches Hitzegefühl wird der Kegel zum nächsten Punkt weiter geschoben. Die Behandlung wird so lange wiederholt, bis alle Hautstellen gerötet sind.
Bei der Ohrakupunktur werden Geräte verwendet, die den Hautwiderstand messen und die Akupunkturpunkte finden. In diese werden die Nadeln (3 bis 4 Stück) eingestochen, sie können aber auch mit Druckkügelchen oder Glasstäbchen massiert werden. Es können jedoch auch einzelne Nadeln oder Dauernadeln verwendet werden, die mit einem Pflaster fixiert werden und über mehrere Tage an der Einstichstelle verbleiben.
Für die Selbstbehandlung ist die Akupunktur nicht geeignet. Es gibt jedoch Geräte, die selbsttätig die Akupunkturpunkte finden und diese mit Schwachstrom oder Laserstrahl behandeln sollen. Die Moxibustion hingegen wird zur täglichen Selbstbehandlung empfohlen. Der Akupunkteur zeichnet dafür die zu entsprechenden Hautstellen an, die dann mit glühendem Beifuß behandelt werden.
Die Ausbildung zum Akupunkteur ist nicht geregelt und somit von unterschiedlicher Qualität. Mehrere Gesellschaften für Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin bieten Ausbildungskurse an. Während manche Institute nur Ärzte ausbilden, unterweisen Andere auch Heilpraktiker, Interessenten anderer Heilberufe und Laien. In einigen Universitäten wird eine fundierte, kritische Ausbildung angeboten.
Die Akupunktur kann bei Schmerzen aller Art, insbesondere jedoch Rheuma, Arthrosen, Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen und Neuralgien angewendet werden. Bei Stressbeschwerden, Müdigkeit, vegetativen Störungen, funktionellen Störungen der Atmung und der Verdauung, Allergien, Lähmungen, zur Raucherentwöhnung und bei Suchterkrankungen wird sie ebenfalls eingesetzt. Sie wird außerdem zur Vorbeugung von Krankheiten und Gesunderhaltung angeboten und soll die Fruchtbarkeit erhöhen und die Geburt erleichtern.
Die Moxibustion soll bei der Kältekrankheit, Erschöpfungszuständen, depressiver Stimmung und chronischen Erkrankungen der Atemwege helfen.
Weitere Anwendungsgebiete stützen sich auf eine Liste der WHO, die 40 Krankheiten umfasst. Diese Liste ist jedoch lediglich eine Sammlung der Anwendungsgebiete, die auf ihren sicheren Einsatz überprüft werden müssen.
Die Akupunktur darf nicht bei Erkrankungen der Haut (Ekzem, Nesselsucht, Dermatitis) im Bereich der Akupunkturpunkte, bestimmten Nervenkrankheiten, Sensibilitätsstörungen der Haut und schweren psychischen Störungen (Schizophrenie, Manie) angewendet werden.
Auch bei Epileptikern, schweren ansteckenden Krankheiten (Tuberkulose), bestimmten Tumorarten und einem schlechten Allgemeinzustand ist von der Akupunktur abzuraten. In Bereichen akuter Entzündungen, Knochenbrüchen, frischer Verletzungen und akuter Ischialgie darf sie nicht eingesetzt werden. Bei Blutgerinnungsstörungen oder der Einnahme gerinnungshemmender Medikamente, sowie dem Risiko einer Bakeriämie (Blutvergiftung) darf die Akupunktur ebenfalls nicht angewendet werden.
Befindet sich Salbe, Creme, Tönung oder Make-up auf der Haut, sollte die Akupunktur nicht angewendet werden, oder die Haut vor der Anwendung gereinigt werden. Bei Säuglingen und Kleinkindern sollte keine Nadelakupunktur eingesetzt werden.
Die Elektroakupunktur darf nicht bei Epileptikern, Herzschrittmachern, Herzrhythmusstörungen, Schockzuständen und Fieber angewendet werden.
Wegen erhöhter Verbrennungsgefahr darf die Moxibustion nicht im Gesicht, am Kopf und in der Nähe von Schleimhäuten eingesetzt werden. Bei Fieber, akuten Infektionen und Entzündungen, hohem Blutdruck, Blutungen, überhöhter Nervosität und Schlaflosigkeit ist von einer Anwendung abzuraten.
Während dem ersten Drittel der Schwangerschaft sollte keine Nadelakupunktur angewendet werden. Elektroakupunktur und Moxibustion sollten nicht während der gesamten Schwangerschaft eingesetzt werden.
Bei traditioneller Anwendung der Akupunktur besteht die Gefahr, dass eine medizinische Diagnose und eine notwendige konventionelle Behandlung versäumt werden.
Werden die Nadeln mehrfach verwendet, können Krankheitserreger wie Hepatitis C und B, sowie das HI-Virus übertragen werden. Vergesse Nadeln können zu Verletzungen führen. Bei unsachgemäßer Anwendung können die Nadeln abbrechen und zu Verschiedenen Verletzungen führen, wie Stiche in das Herz oder den Herzbeutel, Verletzungen von Harnblase, Augen, Rückenmark, Nervenleitungen, Gefäßen, Gebärmutter bei Schwangeren und der Lunge. Letztere können ernsthafte Komplikationen und sogar den Tod zur Folge haben.
Um die Einstichstelle können sich Hämatome bilden, es können Blutungen, ein Taubheitsgefühl und Nadelschmerzen auftreten. Bei Dauernadeln können vermehrt Entzündungen auftreten. Werden längerer Verweildauer silberner Akupunkturnadeln kann es zu einer Verfärbung der Haut kommen.
Während der Behandlung kann bei kreislaufschwachen und psychisch labilen Menschen ein Kollaps oder eine Ohnmacht eintreten. Bei der Elektroakupunktur können Kreislaufkomplikationen, Blutdruckabfall, Ohnmacht und Herzrhythmusstörungen auftreten.
Die Akupunktur kann Müdigkeit verursachen. Nach der Behandlung sollten daher keine Fahrzeuge gelenkt, keine Maschinen bedient und keine Arbeiten ohne sicheren Halt durchgeführt werden.
Bei Fibromyalgie, Kniegelenkarthrose, Rückenschmerzen und Tennisellbogen ist die Wirksamkeit der Akupunktur wissenschaftlich belegt. Auch bei endoskopischen Eingriffen, Erbrechen nach Operationen oder Chemotherapie, Schwangerschaftserbrechen, Übelkeit und Zahnschmerzen ist sie wirksam. Da die Risiken bei sachgemäßer Anwendung gering sind, fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung positiv aus. Die Akupunktur ist für diese Krankheiten „geeignet".
Bei chronischen Schmerzen, Kopfschmerzen und Nackenschmerzen sind positive Hinweise auf eine Wirksamkeit vorhanden, aussagekräftige Nachweise fehlen jedoch. Die Akupunktur ist daher für diese Erkrankungen „wenig geeignet".
Für Asthma, Depression, Drogenabhängigkeit, Dysmenorrhö, entzündlichen rheumatischen Erkrankungen, Erbrechen bei Kindern, Fazialislähmung, Geburtsschmerzen, Gesichtsschmerzen, Kiefergelenkdysfunktion, Krebsschmerzen, Lähmungserscheinungen nach einem Schlaganfall, Raucherentwöhnung, Schlaflosigkeit, Tinnitus und Übergewicht ist eine Wirksamkeit nicht nachgewiesen. Die Akupunktur ist für diese Anwendungen „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 10.09.2021.