Als Alternativmedizin oder Komplementärmedizin werden diagnostische Verfahren, Behandlungsmethoden und Vorbeugungsmaßnahmen bezeichnet, die als Alternative oder Ergänzung der konventionellen Medizin dienen. Oft befassen sich alternative Heilmethoden mit Fragestellungen, die nicht in der „Schulmedizin" vorkommen. Das Spektrum der angewendeten Verfahren ist breit gefächert.
Die Schlagworte der Alternativmedizin sind „sanft" und „nebenwirkungsfrei". Doch auch alternativmedizinische Methoden bergen Risiken. So kann eine auftretende Erstverschlimmerung ein positives Zeichen für die Wirksamkeit bedeuten, aber auch ein unerwünschter Effekt sein. Ebenso können das Nichtbeachten der Gegenanzeigen einer Methode, sowie der Einsatz ungeeigneter Diagnosetechniken um Auftreten von Nebenwirkungen führen.
Ebenfalls oft in der alternativen Medizin verwendete Begriffe sind „ganzheitlich" und „natürlich". Die gegenseitige Beeinflussung von Geist, Körper und Seele ist wissenschaftlich nachgewiesen und kommt auch in der konventionellen Medizin zum Tragen. In der Komplementärmedizin werden diese Zusammenhänge jedoch eher spirituell betrachtet.
Das Angebot in der komplementären Medizin wird ebenso von der Nachfrage bestimmt, wie in der konventionellen Medizin. Es umfasst die Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten.
Die klassische Medizin empfiehlt zur Vorbeugung gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, ein angemessenes Körpergewicht und einen Ausgleich zwischen Belastung und Entspannung. Jeder muss also selbst aktiv werden. Die entsprechenden Maßnahmen können jederzeit leicht und ohne Schädigung durchgeführt werden und führen so zu einer gesundheitsbewussten Lebensweise.
In der komplementären Medizin hingegen sollen Ungleichgewichte ausbalanciert, Energien am Fluss gehalten und die Abwehrkräfte gestärkt werden. Dies soll mit der Einnahme von Mitteln oder dem Einsatz von Apparaten erreicht werden, deren Wirksamkeit und der Nutzen nur schwer festgestellt kann. Maßnahmen, die durch Eigenaktivität kostenlos durchgeführt werden können, werden in der Alternativmedizin von konsumierbaren Mitteln, die gegen Bezahlung erhältlich sind, abgelöst.
Auch die Alternativmedizin kennt verschiedene Diagnoseverfahren, die ergänzend zu den konventionellen Methoden eingesetzt werden oder sie ganz ersetzen sollen. Anhand der gestellten Diagnose wird anschließend die Therapie gewählt. Die angewendeten Methoden beruhen meist auf der subjektiven Interpretation des Behandlers und sind wissenschaftlich nicht reproduzierbar. Dadurch kann es leicht zu Fehldiagnosen kommen und ernsthafte Erkrankungen können unerkannt bleiben. Eine Fehlbehandlung bzw. die Verzögerung einer notwendigen Behandlung sind die Folge. Auch können die Befunde gesunde Menschen in Angst versetzen und sie zu einer unnötigen Therapie bewegen.
Während in der konventionellen Medizin die Beseitigung oder Linderung einer Krankheitsursache oder eines Symptoms präzise beschrieben sind, sind die Behandlungsmethoden der komplementären Medizin meist weniger exakt definiert und für ein breiteres Feld von Krankheiten ausgelegt. Oft besteht die komplementäre Behandlung aus einem Paket verschiedener Verfahren, die jede Ebene ansprechen sollen. Der Effekt der einzelnen Methoden kann so jedoch nur schwer festgestellt werden.
Eine medizinische Behandlung ist erst dann von Bedeutung, wenn sie wirksam ist. Die Wirksamkeitsnachweise für alternativmedizinische Methoden bestehen meist aus Erlebnissen Einzelner, der eigenen Besserung und Berichten von Heilungen. Diese lassen jedoch nicht zwangsläufig einen Schluss darauf zu, dass die Methode auf die Behandlung vieler übertragbar ist.
Um einen Behandlungserfolg als Nachweis für die Wirksamkeit werten zu können, müssen zunächst verschiedene Fragen geklärt werden. Dazu gehören etwa bei wie vielen Patienten die Behandlung erfolgreich war, was als Erfolg gewertet wurde und ob der Erfolg auf dem spezifischen Effekt eine Behandlung oder dem Placeboeffekt beruht. Auch muss geklärt werden ob der Verlauf einer Krankheit schubweise erfolgt und es dadurch zu einer Besserung kommt. Viele Krankheiten klingen auch nach einiger Zeit wieder von selbst ab. Erst die Auswertung kontrollierter, randomisierter, klinischer Studien kann eine Aussage über die Wirksamkeit eines komplementären Verfahrens geben.
Als Placebo (lat. „ich werde gefallen") werden Behandlungen bezeichnet, die keine spezifische Wirkung besitzen, jedoch trotzdem eine positive Reaktion beim Patienten hervorrufen können, etwa Arzneimittel ohne Wirkstoff (Verum) oder nur scheinbar korrekt durchgeführte Behandlungen. Die Wirksamkeit ist dabei davon abhängig, wie stark ein Leiden mit der Wahrnehmung verbunden ist. So kann der Placeboeffekt zwischen 20 und 70 Prozent liegen. Er ist jedoch nur von kurzer Dauer und zeigt bei Erkrankungen, die nur wenig oder gar nicht von der Psyche beeinflusst werden, keine Wirkung.
Analog zum Placeboeffekt kann auch ein Noceboeffekt (lat. „ich werde schaden") auftreten. Dabei handelt es sich um die negative Reaktion auf eine Behandlung ohne spezifische Wirkung. Dieser Effekt ist umso stärker, je intensiver ein Patient über die Nebenwirkungen einer Therapie aufgeklärt wird. Noceboeffekte sind Mundtrockenheit, Übelkeit, Benommenheit und Kopfschmerzen.
Komplementärmedizinische Verfahren können von Ärzten mit spezieller Ausrichtung, etwa für anthroposophische, traditionelle chinesische oder indische Medizin, angeboten werden. Häufig werden sie jedoch von Heilpraktikern und sogenannten Beratern angewandt.
Während ihres Studiums besitzen Ärzte die Möglichkeit Fächer im Bereich der komplementären Medizin zu belegen, die auch als Prüfungsfach für das Staatsexamen zugelassen sind. Nach dem Examen können sie sich in einer Weiterbildung intensiver mit einem Themenbereich beschäftigen und eine Zusatzbezeichnung erhalten. Neben den Behandlungen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt werden, können Ärzte auch individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) anbieten. Deren Kosten müssen von den Patienten selbst übernommen werden. Der Arzt stellt dafür eine Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) aus. Grundsätzlich kann ein Arzt mit der Zustimmung des Patienten jede Behandlung durchführen, die er für richtig hält. Ihm sind dabei jedoch Grenzen gesetzt um den Patienten zu schützen:
Wenn der Arzt eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode einsetzen will, muss er den Patienten besonders eingehend über die Vor- und Nachteil aufklären.
Um den Beruf des Heilpraktikers ausüben zu können, ist keine medizinische Ausbildung mit einer ärztlichen Approbation notwendig. Er muss jedoch eine staatliche Erlaubnis besitzen. Hierfür muss eine Überprüfung durch das Gesundheitsamt und durch den Amtsarzt bestanden werden. Die Inhalte der Überprüfungen sind nicht festgelegt, können aber Grundkenntnisse über den Bau und die Funktion des menschlichen Körpers, sowie die medizinische Gesetzeskunde enthalten. Bei Nichtbestehen können die Prüfungen beliebig oft wiederholt werden. Die Heilpraktikerausbildung ist nicht gesetzlich geregelt und kann beispielsweise in einer Heilpraktikerschule absolviert werden. Diese arbeiten ohne staatliche Vorgaben. Qualität und Dauer der Ausbildung können somit von Schule zu Schule variieren.
Auch für die Heilpraktiker gibt es per Gesetz festgelegte Grenzen, die sie kennen müssen. Sie dürfen keine meldepflichtigen Krankheiten (Diphtherie, Masern, Tuberkulose), sowie Zahn-, Mund- und Kieferkrankheit behandeln. Ebenfalls ist ihnen die Untersuchung und Behandlung von Geschlechtsorganen untersagt. Heilpraktiker dürfen außerdem keine Geburtshilfe leisten, keine Strahlentherapie durchführen, keine verschreibungspflichtigen Medikamente oder Betäubungsmittel verordnen und keine Totenscheine ausstellen. Sie unterliegen ebenfalls einer Schweigepflicht, die jedoch weniger streng ist als bei Ärzten.
Neben den Ärzten und Heilpraktikern gibt es auch noch eine Reihe beratender Berufsgruppen. Hier bei kann es sich um ausgebildete Fachleute, oder auch Laien, die sich ihre Fähigkeiten ohne fachkundige Anleitung selbst angeeignet haben, handeln. Bei einer Reihe von komplementären Verfahren werden Laien in die Techniken der Methode eingewiesen und dann zu Therapeuten ernannt. Dieser Begriff ist jedoch nur für bestimmte Berufsgruppen geschützt. Zu ihnen gehören Psychotherapeuten, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten. Diese „Therapeuten" und auch Berater dürfen keine Behandlung durchführen oder Diagnosen erstellen.
Um einen seriösen von einem unseriösen Behandler unterscheiden zu können, sollte er bestimmte Kriterien erfüllen. So rät ein guter Behandler beispielsweise nicht davon ab, ärztlich verschriebene Medikamente weiter einzunehmen. Er erstellt einen Behandlungsplan und berechnet seine Leistungen nach dem Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker.
Ein Behandlungsplan enthält alle wichtigen Informationen zur Diagnose und zur Behandlung und dient dem Patienten als Übersicht. Bei Abweichungen kann er diese mit dem Behandler besprechen. Außerdem dient der Behandlungsplan der Absicherung und verhindert, dass keine unabgesprochenen Grenzen überschritten werden. Er kann auch als Argumentationshilfe bei Rechtsstreitigkeiten dienen.
Gesetzliche Krankenkassen bezahlen ihren Mitgliedern alle Leistungen, die von Ärzten mit einer Kassenzulassung erbracht werden und die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Sie dürfen jedoch nicht das Maß des Notwendigen überschreiten. Welche Verfahren bezahlt werden, hängt von der jeweiligen Krankenkasse ab. In der Regel werden die Kosten für klassische Naturheilverfahren übernommen, wenn sie von einem Arzt verordnet werden. Keine gesetzliche Krankenkasse übernimmt jedoch die Kosten für einen Heilpraktiker. Medikamente, die nicht verschreibungspflichtig sind, müssen ebenfalls vom Patienten selbst bezahlt werden.
Einige Krankenkassen haben Behandlungsmethoden wie die klassische Homöopathie in ihrem Leistungsspektrum integriert. Seit 2007 werden auch Wahltarife für besondere Therapierichtungen angeboten, bei denen die Kosten einer alternativen Behandlung übernommen werden. Die Mindestlaufzeit eines solchen Wahltarifes beträgt jedoch drei Jahre. In dieser Zeit kann die Krankenkasse nicht gewechselt werden.
Um eine Kostenerstattung zu erhalten, müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt werden. So darf das Verfahren vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nicht als unwirksam gekennzeichnet sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist ein Gremium aus Vertretern von Ärzten und Krankenkassen und erstellt Richtlinien zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung. Diese Richtlinien enthalten Informationen darüber, welche Verfahren nicht angewendet werden dürfen und somit von der Kostenerstattung ausgeschlossen sind. Sie geben außerdem an, welche noch nicht ausreichend überprüfte Verfahren von der Krankenversicherung bezahlt werden können und welche Voraussetzungen die anwendenden Ärzte erfüllen müssen. Die Bewertung der Verfahren wird regelmäßig überprüft.
Die Krankenkassen können auch zu einer Zahlung verpflichtet werden, wenn eine akut lebensbedrohliche Krankheit vorliegt, bei der eine konventionelle Therapie nicht zum Erfolg führt oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden kann. Voraussetzung für eine Übernahme der Kosten ist ein vom Arzt erstellter Befund- und Behandlungsbericht.
Grundsätzlich sollte vor einer Behandlung geklärt werden, wie die Aussichten für die Übernahme der Kosten stehen. Sollte es doch zu einer juristischen Auseinandersetzung mit der Krankenversicherung kommen, bieten Patientenberatungsstellen der Bundesländer, einige Verbraucherzentralen und der Sozialverband Deutschland eine Beratung in Rechtsfragen an.
Wer denkt, dass er durch einen Heilpraktiker zu Schaden gekommen ist, muss mit Hilfe eines Rechtsanwaltes einen Zivilprozess anstrengen. Besteht Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler und kann keine Einigung mit dem Arzt erreicht werden, können die Schlichtungsstellen der Landesärztekammer hinzugezogen werden.
Letzte Aktualisierung am 13.09.2021.