Die Elektroakupunktur nach Voll, auch funktionsanalytische Biometrie, biometrische Systemdiagnostik, elektronisches Organometriesystem, Regulationstherapie, elektrodermale Testung oder Vega-Test genannt, ist eine Abwandlung der klassischen Akupunktur. Sie wird zur Diagnose und Therapie von Krankheiten eingesetzt, indem mit einem elektrischen Gerät durch Messung des Hautwiderstands an den Akupunkturpunkten krankmachende Belastungen und Krankheiten im Körper erkannt und durch einen schwachen Impulsstrom geheilt werden sollen.
Das erste Elektroakupunkturgerät wurde von dem französischen Arzt Salander 1825 entwickelt. In den 1950er Jahren führten mehrere deutsche Ärzte Experimente mit der elektrischen Messung an den Akupunkturpunkten durch. Diese Idee übernahm der Arzt Reinhard Voll (1909 - 1989) und entwickelte sie mit dem Ingenieur Fritz Werner weiter. Ihr Gerät sollte Akupunkturpunkte aufspüren und die bei der Akupunktur verwendeten Nadeln ersetzen.
Voll übernahm die Vorstellung der TCM, die besagt, dass während eine Krankheit der Energiefluss des Körpers aus dem Gleichgewicht geraten ist. Diese Vorgänge sind entlang der Meridiane messbar und gegebenenfalls muss dem Körper Energie zugeführt werden. Dazu erweiterte Voll die Akupunkturpunkte auf 1262 Messpunkte. Seine Methode stellte er 1955 vor und 1956 wurde die Internationale Medizinische Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll e.V. (IMGEAV) gegründet.
Verschiedene Verfahren haben sich von der ursprünglichen Elektroakupunktur nach Voll abgeleitet. Diese besitzen eine ähnliche Grundlage, unterscheiden sich jedoch meist durch eine moderne Messtechnik, bei der nur noch an wenigen Körperstellen gemessen wird. Die Methoden werden als bioelektronische Funktionsdiagnostik zusammengefasst und durch die Internationale Forschungsgemeinschaft für Bioelektronische Forschungsdiagnostik und Therapie (BFD) vertreten.
Das Interesse an der Elektroakupunktur nach Voll ist im Allgemeinen zurück gegangen. Die Geräte zur elektrodermalen Messung sind in den USA nicht zugelassen.
Die Elektroakupunktur nach Voll stützt sich auf die Konzepte der Akupunktur, der Elektrotherapie und der Homöopathie. Außerdem übernahm Voll auch die Ideen der Herdlehre, die mittlerweile widerlegt wurde. Sie besagt, dass die Ursache für eine Krankheit auch weit entfernt von den erkrankten Körperbereichen liegen kann. Zu diesen Herden gehören:
Auch jedes Organ stellt einen potentiellen Herd dar. Diese Herde stören das Befinden und reizen oder beeinträchtigen den Körper ständig. Können sie nicht ausheilen, wird der Körper weiteren Belastungen ausgesetzt und die Abwehr bricht zusammen. Daraufhin können Krankheiten an entfernten Stellen im Körper ausbrechen.
Das bei der Elektroakupunktur nach Voll eingesetzte Gerät soll diese Herde aufspüren und behandeln. Es soll die Reaktionspotentiale einzelner Organe, den Widerstand der Leitungsbahnen oder sogenannte „Elektrobatterien" erfassen. Krankheiten sollen bereits vor ihrem Ausbruch erkannt werden. Zudem soll das Gerät herausfinden können, welche Umweltgifte den Körper belasten, welche Lebensmittel schlecht vertragen werden und welche Medikamente zur Behandlung eingesetzt werden müssen.
Die Theorie über die Bedeutung der Herde für die Gesundheit konnte nicht wissenschaftlich bestätigt werden. Bei der Elektroakupunktur nach Voll wird der Hautwiderstand gemessen. Dieser steht jedoch in keinem erklärbaren Zusammenhang mit dem vermuteten energetischen Potential. Zudem sind die gemessenen Werte nicht aussagekräftig, da die Skala willkürlich gewählt wurde und die Anzeige am Messgerät vom Anpressdruck der Elektrode, dem Fettpolster unter der Haut und davon, der Hautfeuchtigkeit und ob Kontaktgel verwendet wurde, abhängt.
Das Gerät gibt keine stichhaltige Auskunft über eine Giftbelastung des Körpers und die Überempfindlichkeit gegenüber Stoffen und Nahrungsmitteln. Auch der therapeutische Nutzen eines Medikaments kann damit nicht festgestellt werden.
Die wohltuende Wirkung von Impuls- und Reizströmen auf den Organismus sind allgemein bekannt und treten auch bei der Elektroakupunktur nach Voll auf. Der schwache Strom aus dem Gerät kann jedoch keine darüber hinausgehenden Effekte erzielen.
Die Diagnose und die Behandlung werden mit dem EAV-Gerät durchgeführt. Dieses besteht aus einem Ohmmeter zur Messung des Hautwiderstands. Gemessen wird mit einer Stromstärke von 5,5 bis 11 µA und eine Spannung von 0,13 bis 2 V. Die Skala ist willkürlich in 100 Skalenteile eingeteilt, wobei nach Voll der Wert 50 als optimal gilt. Bis 80 zeigen die Werte eine Irritation an. Werte von 80 bis 100 deuten auf Entzündungen hin. Niedrige Werte sollen auf eine Ermüdung und Degeneration der Organe hinweisen. Zur Behandlung werden von dem Gerät niederfrequente elektrische Impulsströme abgegeben.
Der Patient sitzt während der Messung aufrecht und hält die negativ gepolte Elektrode. Der Behandler misst mit der positiven Elektrode an den Akupunkturpunkten den Hautwiderstand. Von diesem schließt er auf den Gesundheitszustand.
Mit Hilfe des Gerätes werden auch Unverträglichkeiten und Allergieneigungen gemessen. Dazu werden kleine Fläschchen mit Lebensmittellösungen, Nosoden aus krankem Gewebe oder Allergenen in eine Wabe gestellt, die mit dem Gerät verbunden ist. Die Anzeige auf der Skala gibt Hinweise darauf welche Unverträglichkeiten oder Allergien vorliegen. Auf die gleiche Weise wird auch getestet, ob ein Medikament zur Behandlung geeignet ist. Dies ist durch den Rückgang der Anzeige auf den Normalwert erkennbar.
Die Diagnose kann bis zu einer Stunde oder auch länger dauern.
Wurde bei der Diagnose eine Unverträglichkeit gegenüber bestimmter Lebensmittel festgestellt, so besteht die Behandlung aus einer Diät, die die problematischen Lebensmittel nicht enthält. Zusätzlich kann mittels EAV-Gerät nach einem Medikament gesucht werden, das die Symptome abschwächt. Besteht eine Allergieneigung wird zur Vermeidung des Auslösers geraten.
Bei Erkrankungen werden dem Patienten die getesteten Medikamente, bei denen es sich in der Regel um Homöopathika oder Nosoden handelt, unter die Haut oder in den Gesäßmuskel injiziert. Es wird häufig dazu geraten, die Injektionen in Serien zu verabreichen, die im Abstand von einigen Monaten wiederholt werden. Zudem wird über das Gerät ein Impulsstrom abgegeben. Diese Behandlung dauert etwa eine halbe Stunde und wird innerhalb einiger Tage wiederholt. Durch Spritzen von Homöopathika werden Gifte aus dem Körper geschwemmt.
Quecksilbervergiftungen werden mit dem Komplexbildner DMPS (Dimercaptopropansulfonsäure) behandelt. Dieser bindet das Quecksilber, das dann auf natürliche Weise ausgeschieden wird.
Sind Herde die Ursache für eine Krankheit so wird empfohlen, diese entfernen zu lassen, beispielsweise die Mandeln operieren, Zähne ziehen lassen oder Amalgamfüllungen entfernen. Anschließend wird der Erfolg mit Hilfe des Gerätes überprüft.
Die Internationale medizinische Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll e.V. bietet die Ausbildung in der Methode, die mit einem Zertifikat abgeschlossen wird, nur für Ärzte an. Kurse zu der Elektroakupunktur nach Voll und verwandten Methoden werden jedoch auch von anderen Instituten, Ärzten und Zahnärzten angeboten, die auch Heilpraktiker schulen.
Mit der EAV soll diagnostiziert werden, ob Erkrankungen drohen oder ob noch Nachwirkungen bereits kurierter Krankheiten bestehen. Zudem soll mit ihr überprüft werden, ob Umweltgifte oder Medikamentenrückstände den Körper belasten oder Unverträglichkeiten oder Allergieneigungen gegenüber Lebensmitteln vorhanden sind.
Akute und Chronische Erkrankungen sollen mit der Elektroakupunktur nach Voll erkannt und behandelt werden können. Weitere Anwendungsgebiete sind Befindlichkeitsstörungen, psychosomatische Erkrankungen wie vegetative Dystonie, Störungen der Darmtätigkeit, Schädigung des Immunsystems und Probleme nach operativen Eingriffen.
Die Elektroakupunktur nach Voll sollte nicht bei Trägern von Herzschrittmachern und Personen mit schweren Herzrhythmusstörungen eingesetzt werden.
Ihre Grenzen hat die EAV laut ihren Anhängern bei Krankheiten, bei denen ständig ein Stoff dem Körper zugeführt werden muss, wie Diabetes und Eisenmangelanämie, bei zerstörtem Gewebe und bei psychischen Krankheiten. Die EAV sollte nicht während der Schwangerschaft angewendet werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die elektrischen Impulse die Entwicklung des Fetus beeinflussen.
Es ist möglich, dass Akuterkrankungen nicht erkannt werden und somit nicht angemessen behandelt werden können. Andererseits können überflüssige Medikamente injiziert oder eingenommen werden. Auch eine sogenannte Herdsanierung kann unnötige Behandlungen zur Folge haben.
Elektrisch betriebene Geräte, die Körperfunktionen oder die Medikamentengabe steuern, können durch die schwachen Impulsströme gestört werden.
Für die Diagnostik von Allergien konnte kein Nutzen der EAV nachgewiesen werden. Auch liegen keine Studien für die Diagnose anderer gesundheitlicher Störungen oder Erkrankungen noch für deren Behandlung vor. Eine Wirksamkeit ist somit nicht belegt. Da das Risiko von Falschdiagnosen besteht fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus. Die Elektroakupunktur ist zur Diagnose oder Therapie von Krankheiten „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.