Die Enzymtherapie ist ein alternativmedizinisches Verfahren, bei dem Enzympräparate eingenommen werden. Diese sollen das Immunsystem beeinflussen und auf diese Weise gesundheitlichen Störungen entgegen wirken.
Enzyme sind seit dem Beginn des 19. Jh. bekannt. Zu dieser Zeit würde auch ihre Eigenschaft als Katalysator in chemischen Reaktionen entdeckt. 1897 fand der Chemiker Eduard Buchner heraus, dass sie ihre Eigenschaften unabhängig einer lebenden Zelle entfalten können. Heute ist bekannt, dass die Enzyme Eiweiße sind. Sie setzen als Katalysatoren biochemische Reaktionen in Gang, stoppen oder steuern sie. Zudem sind sie an Stoffwechselprozessen, wie Verdauung, Zellteilung und Blutgerinnung, beteiligt. Je nach Reaktion, die sie beeinflussen, werden sie in sechs Klassen unterteilt.
Die Enzymtherapie dient in der konventionellen Medizin der Behandlung von Erkrankungen, die darauf beruhen, dass ein Enzym nicht oder nicht ausreichend vom Körper produziert wird. Dabei werden die fehlenden Enzyme dem Körper zugeführt.
Die alternativmedizinische Enzymtherapie geht auf den Mediziner Max Wolf (1885 - 1975) zurück. Dieser setzte zunächst eine Mischung aus pflanzlichen und tierischen Enzymen bei Patienten mit Krebs ein. Später versuchte er schließlich, den Alterungsprozess mit Enzymen aufzuhalten. Bei diesen Behandlungen stellte er positive Effekte bei verschiedenen Erkrankungen fest.
Die Enzymtherapie wird in erster Linie bei Erkrankungen eingesetzt, bei denen ein Entzündungsgeschehen stattfinden soll. Sie geht davon aus, dass eine Entzündung eine Reaktion des Immunsystems ist, an der auch Enzyme beteiligt sind. Eine gestörte oder unangemessene Reaktion soll somit mit der Einnahme von Enzymen reguliert werden. Dabei bezieht sich die Erklärung für die Wirkung der Enzymtherapie auf Einzelaspekte des Entzündungsgeschehens, etwa, dass sich winzige Blutgerinnsel bilden können oder sich Wasser im Gewebe ansammeln kann.
Auch die Anwendung der Enzymtherapie bei Krebserkrankungen wird mit Eingriffen in das Immunsystem erklärt. So sollen eiweißspaltende Enzyme die Aktivität der weißen Blutzellen erhöhen. Dadurch soll die Ausbreitung der Tumorzellen erschwert werden. Zudem soll die Produktion bestimmter Hormon, die für den Informationsaustausch zwischen Zellen zuständig sind, gesteigert werden und den Zellen auf diese Weise eine Antitumorwirkung verleihen.
Dass vielen gesundheitlichen Störungen entzündliche Prozesse zugrunde liegen, ist medizinisch anerkannt. Dies ist jedoch nicht bei allen Erkrankungen, bei denen die Enzymtherapie angewendet wird, der Fall. Beispielsweise ist multiple Sklerose nicht von Anfang an eine entzündliche Erkrankung.
Zwar reguliert das Immunsystem einige Aspekte von Entzündungsreaktionen, doch eine überschießende oder fehlgeleitete Immunreaktion lässt sich nicht auf den Mangel bestimmter Enzyme zurück führen. Zudem besitzen die eingesetzten Verdauungsenzyme kaum eine Bedeutung für das Immunsystem. Ihre Wirkung ist nicht so vielfältig wie die Enzymtherapie verspricht.
Die Enzyme gelangen aufgrund ihrer Herstellung weitestgehend unbeschadet durch Mund und Magen in den Dünndarm. Allerdings konnte bisher nicht nachgewiesen werden, dass sie in nennenswerter Menge unverändert ins Blut, wo sie wirken sollen, gelangen. Oft werden sie bereits nach kürzester Zeit wieder ausgeschieden.
Eine weitere Erklärung für die Wirkung der Enzymtherapie ist deren Einfluss auf die Blutgerinnung. Beispielsweise kann das Enzymgemisch Bromelain die Verklumpung der Blutplättchen teilweise verhindern. Dadurch wird die Blutungszeit verlängert. In Tierversuchen wurde zudem eine ödemhemmende Wirkung nachgewiesen.
Die Grundlage der Enzymtherapie ist üblicherweise eine konventionelle Diagnose.
Die Behandlung erfolgt mit Arzneimitteln, die hoch dosiert eingenommen werden. Bei den Mitteln handelt es sich um zugelassene Produkte, die hauptsächlich Verdauungsenzyme enthalten.
Die Enzymtherapie wird von Ärzten und Heilpraktikern angewandt. Eine spezielle Ausbildung hierfür ist nicht notwendig.
Die Anwendungsbereiche der zugelassenen Enzymprodukte umfassen Venenentzündungen, Entzündungen der Harnwege, Nase und Nasennebenhöhlen, Ödeme, durch Verletzungen oder nach Operationen auftretende Entzündungen und rheumatische Erkrankungen. Auch sollen sie zur Langzeitbehandlung von Tumoren, der Zusatzbehandlung während der Strahlentherapie, zur Vorbeugung von Metastasen und zur unterstützenden Behandlung von Entzündungen und Virusinfektionen eingesetzt werden.
Die Enzymtherapie darf nicht bei einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung angewendet werden. Auch bei erhöhter Blutungsneigung ist von der Enzymtherapie abzuraten.
Die gleichzeitige Einnahme anderer Medikamente kann Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Mitteln hervorrufen. Während der Schwangerschaft und der Stillzeit sollte die Enzymtherapie nicht angewendet werden.
Durch die bei der Enzymtherapie verwendeten Präparate können allergische Reaktionen ausgelöst werden. Auch können gelegentlich Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten.
Einige der eingesetzten Enzyme können die Symptome chronischer Erkrankungen verstärken. Dies wird als Zeichen dafür gewertet, dass die Heilung angeregt wird. Dadurch kann jedoch eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes übersehen werden und eine rechtzeitige konventionelle Behandlung versäumt werden.
Es gibt Hinweise, dass die Enzymtherapie die Nebenwirkungen von Strahlen- und Chemotherapie verringern kann. Die Studien hierzu wurden jedoch nicht von verschiedenen Studienleitern geführt und sind nicht frei von Einflüssen der Herstellerfirmen der Mittel. Da unerwünschte Wirkungen auftreten können, fällt die Nutzen-Risiko-Wertung eher negativ aus. Die Enzymtherapie ist somit für diese Anwendung „wenig geeignet".
Die therapeutische Wirksamkeit ist für rheumatische Erkrankungen und Rückenschmerzen nicht ausreichend nachgewiesen. Auch hier fällt somit die Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus und die Enzymtherapie ist hierfür „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.