Die Fiebertherapie ist ein alternativmedizinisches Verfahren, bei dem durch die Injektion von Bakteriengiften eine Fieberreaktion ausgelöst wird. Diese soll das Immunsystem anregen und so Krankheiten heilen.
Die erste Erwähnung fand die heilende Wirkung der Wärme in den altägyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.). Anwendung fand die Überwärmung des Körpers jedoch erstmals durch die Ärzte im antiken Griechenland, Hippokrates und den Naturarzt Hufeland (1762-1836). Sie beobachteten, dass sich einige Erkrankungen besserten, wenn mit ihnen eine zweite Krankheit mit hohem Fieber einherging. Aus diesen Beobachtungen entwickelte sich eine gezielte Therapie, bei der dem Patienten Wundsekret gespritzt wurde. Mit der Entdeckung der Bakterien wurde diese Behandlungsmethode dahingehend verändert, dass nun ausgewählte, kultivierte Bakterienstämme eingesetzt wurden.
Der New Yorker Internist William Coley setzte Ende des 19. Jh. Bakterienmischungen ein, um Fieber zu erzeugen und auf diese Weise Tumorerkrankungen zu behandeln. Durch das wiederholte Spritzen immer anderer Bakterien wurde eine Mischung gesucht, die eine eindeutige Fieberreaktion hervorruft, jedoch den Patienten nicht gefährdet. Bis zur Entwicklung der Chemotherapie galt die Fiebertherapie als einzige Therapie bei Krebserkrankungen.
Der Wiener Psychiater Julius Wagner von Jauregg beobachtete, dass bei Patienten, die psychisch erkrankt waren, eine Besserung eintrat, wenn sie gleichzeitig Malaria hatten. Malaria ist eine Erkrankung, die mit wiederholten Fiebereinschüben einhergeht. Für die Entdeckung dieser Zusammenhänge erhielt er 1927 den Nobelpreis.
Die Fiebertherapie wird auch heute noch vornehmlich zur Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. Sie ist etabliert und wird wissenschaftlich erforscht. Bei der sogenannten Hyperthermiebehandlung wird der gesamte Körper oder nur Teilbereiche gezielt überwärmt. Dies geschieht etwa durch Infrarotstrahlung.
Zu unterscheiden ist die Fiebertherapie von der passiven Überwärmung. Diese ist ein Naturheilverfahren, bei dem dem Körper von außen Wärme zugeführt wird. Bei der Fiebertherapie hingegen handelt es sich um eine aktive Überwärmung. Das Fieber wird im Körper erzeugt und der Organismus dazu veranlasst, die Körpertemperatur zu erhöhen.
In der Antike wurde angenommen, dass Fieber das Schlechte und den Körper krank machende verbrennt. Später ging man bei dem Einsatz bei Tumorerkrankungen davon aus, dass die Bakteriengifte den Tumor direkt angreifen. Jedoch fanden Wissenschaftler bald heraus, dass nicht die Bakteriengifte selbst, sondern deren Auswirkungen, die als Fieber messbar sind, zur Verkleinerung eines Tumors nach der Behandlung führen.
Die Erforschung des Immunsystems führte auch im Bereich der Fiebertherapie zu neuen Erkenntnissen. Es wurde nun angenommen, dass die Veränderungen, die das Fieber im Immunsystem hervorruft, auch Auswirkungen auf das Tumorwachstum haben.
Einige Ansätze der Fiebertherapie besitzen eine wissenschaftliche Grundlage. So regen die injizierten Bakteriengifte im Körper die Freisetzung verschiedener Substanzen an. Zu ihnen gehören etwa Interleukin und Tumornekrosefaktor, die Vermittler zwischen den Zellen sind. Sie veranlassen den Hypothalamus, der die Körpertemperatur reguliert, die Grundtemperatur herauf zu setzen. Dadurch entsteht Fieber.
Wird ein Bakterienprodukt in den Körper gespritzt, reagiert das Immunsystem ebenso wie auf einen Krankheitserreger. Diese Reaktionen können nachgewiesen werden. Sie dienen dazu, die Unversehrtheit des Organismus wiederherzustellen.
An der Entstehung von Krebs kann auch eine nicht ausreichende Abwehrfunktion des Immunsystems beteiligt sein. Durch eine stärkere Aktivierung, wie sie durch Fieber hervorgerufen wird, ist es denkbar, dass es zu einer Überwindung der Krankheit kommt. Zudem wird davon ausgegangen, dass ein Zusammenhang zwischen Krebs und Fieber besteht. Menschen, die selten Fieber haben und kaum Kinderkrankheiten durchgemacht haben, besitzen ein größeres Risiko, eine bösartige Krankheit zu bekommen.
Die Wirkung der Fiebertherapie bei psychischen Erkrankungen kann wissenschaftlich erklärt werden. So stehen Depressionen beispielsweise im Zusammenhang mit einem Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn. Diese Botenstoffe werden durch Vermittlersubstanzen zwischen den Zellen, die, wie oben beschrieben, durch die Bakteriengifte vermehrt hervorgerufen werden, freigesetzt. Dadurch wird das Gleichgewicht der Botenstoffe wieder hergestellt.
Vor der Anwendung der Fiebertherapie bei bösartigen Tumorerkrankungen ist eine Diagnose durch eine mikroskopische Untersuchung eine Gewebeprobe (Biopsie) notwendig. Zudem müssen vor der Behandlung Nieren und Leber auf ihre Funktionstüchtigkeit und das Herz auf seine Belastbarkeit geprüft werden.
Damit die Fiebertherapie wirksam ist, ist es notwendig, die Körpertemperatur auf 38,5 °C, besser noch auf übe 40,5 °C, zu bringen. Dazu wird ein verdünntes Bakterienprodukt injiziert. Dieses ist in Deutschland nicht als Fertigpräparat erhältlich, kann jedoch in Speziallabors hergestellt werden. Gegen eine ärztliche Verschreibung ist zudem auch ein japanisches Präparat in Apotheken erhältlich. Anstelle der Bakterienprodukte könne auch Pflanzenextrakte aus Mistel oder Thuja injiziert werden.
Etwa 15 bis 60 Minuten nach der Injektion setzt ein Schüttelfrost ein, der ca. 10 bis 45 Minuten anhält. Diese Phase wird oft als unangenehm empfunden. Um sie zu verkürzen ist es daher möglich, den Körper passiv zu erwärmen, beispielsweise mit einer Infrarot-Ganzkörperbestrahlung. Insgesamt hält die Fieberreaktion vier bis sechs Stunden an. Die Körpertemperatur kann danach noch zwei bis drei Tage lang schwanken. Ist die Fieberreaktion zu heftig oder es treten andere Probleme auf, muss das Bakterienprodukt bei der nächsten Injektion weiter verdünnt werden.
Das Bakterienprodukt wird in den ersten drei Wochen an fünf Tagen der Wochen injiziert. In den folgenden vier Monaten erfolgen drei Injektionen pro Woche. Anschließend folgt eine Injektion wöchentlich. Wird der Tumor konservativ behandelt, beträgt die Dauer der Fiebertherapie vier bis fünf Monate. Kann der Tumor nicht operativ entfernt werden, beträgt die Dauer der Behandlung vier bis zwölf Monate. Ist der Tumor von außen zugänglich, sollte zusätzlich einmal wöchentlich eine Injektion direkt in den Tumor erfolgen.
Da während der Behandlung die kontinuierliche Überwachung von Körpertemperatur, Blutdruck und Herzfrequenz notwendig sind, sollte die Fiebertherapie stationär oder teilstationär durchgeführt werden. Die Therapie kann vor, aber auch nach der Operation des Tumors begonnen werden. Zur Verringerung der belastenden Wirkungen von Chemo- und Strahlentherapie kann die Fiebertherapie begleitend eingesetzt werden.
Hauptsächlich wird die Fiebertherapie von naturheilkundlichen und anthroposophisch orientierten Kliniken eingesetzt. Aber auch Ärzte und Heilpraktiker gehören zu den Anwendern.
Da es sich um eine herkömmliche ärztliche Tätigkeit handelt, ist eine spezielle Ausbildung für die Anwendung der Fiebertherapie nicht notwendig. Interessierte können sich im Rahmen von Naturheilkongressen mit dem Verfahren vertraut machen.
Zu den Hauptanwendungsgebieten der Fiebertherapie gehören Tumorerkrankungen, insbesondere Weichteilsarkome und Lymphome. Durch die Behandlung sollen Metastasen seltener auftreten und Tumore, die nicht operiert werden können, so weit schrumpfen, dass eine Operation möglich ist.
Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind Viruserkrankungen wie Herpes simplex und Gürtelrose, sowie Immunschwächekrankheiten. Auch bei chronischen Entzündungen des Magens, der Blase und der Prostata sowie Blutbildungsstörungen und Depressionen wird die Fiebertherapie angewendet. Erkrankungen, die mit einem geschwächten Immunsystem in Verbindung stehen wie Neurodermitis und Zellveränderungen am Gebärmutterhals und im Mund, die als Krebsvorstufen gelten, zählen ebenso zu den Anwendungsgebieten.
Bei Herz-Kreislauf-Schwäche, Herzinfarkt, Lungenembolie, hohem Blutdruck, schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen, gestörter Blutgerinnung und Magen-Darm-Geschwüren darf die Fiebertherapie nicht angewendet werden.
Auch bei Vorliegen einer akuten Infektion und während der Behandlung mit Kortison oder anderen Medikamenten, die die Immunreaktion hemmen, sollte die Fiebertherapie nicht eingesetzt werden. Bei gleichzeitiger Einnahme von Beruhigungsmitteln des Benzodiazepintyps kann die Wirkung der Fiebertherapie abgeschwächt werden. Die Fiebertherapie sollte bei Kindern unter 14 Jahren und bei älteren Menschen nur unter besonderer Vorsicht angewendet werden, da heftige Fieberreaktionen möglich sind. Während der Schwangerschaft ist von einem Einsatz der Fiebertherapie abzuraten.
Nebenwirkungen, die auftreten können, sind Schmerzen am gesamten Körper, Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen, Muskelkrämpfe und ein Hitzegefühl im Tumorbereich. Zudem können Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auftreten. Des Weiteren kann es zu Herz-Kreislauf-Problemen, Thrombosen, Lungenembolien und allergischen Reaktionen kommen.
Bei zu hoher Konzentration des Bakterienprodukts kann es zu einem lebensbedrohlichen Anstieg des Fiebers kommen. Da starkes Fieber die Verkehrstüchtigkeit einschränken kann, sollten bei einer Anwendung keine Fahrzeuge gelenkt, keine Maschinen bedient und keine Arbeiten ohne sicheren Halt durchgeführt werden.
Verschiedene Studien geben Hinweise auf die Wirksamkeit der Fiebertherapie bei Krebserkrankungen. Die therapeutische Wirksamkeit für die Anwendung bei anderen Erkrankungen ist nicht ausreichend dokumentiert. Da bei der Anwendung der Methode Risiken auftreten können, fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung für Krebserkrankungen eher negativ aus. Die Fiebertherapie ist somit zur Behandlung von Krebserkrankungen „wenig geeignet".
Für alle anderen Krankheiten und Störungen fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung eindeutig negativ aus. Die Fiebertherapie ist in diesen Fällen zur Behandlung „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 13.09.2021.