Gua Sha ist eine traditionelle Behandlung aus Asien, bei der die Haut durch Schaben stimuliert wird, um die Durchblutung und den Energiefluss (Qi) zu verbessern,Verspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern. Diese Technik kann bei Beschwerden wie Nacken- und Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und zur allgemeinen Stärkung des Immunsystems eingesetzt werden. Besonders bei chronischen Schmerzen wirkt Gua Sha positiv, indem es den Stoffwechsel aktiviert und Muskelverhärtungen löst. Nach der Behandlung sind Rötungen oder blaue Flecken normal, da sie Teil des Heilungsprozesses sind. Eine regelmäßige Anwendungen kann langfristig zur Verbesserung des Wohlbefindens beitragen.
Dörte Schönfeld: Gua Sha ist eine alte traditionelle Behandlung aus dem asiatischen Raum. Es bedeutet vom Wortlaut her so viel wie "Schaben" (Gua), während mit Sha die Hautreaktion, die durch das Schaben hervorgerufen wird, bezeichnet wird. Das Schaben führt zu einer Mehrdurchblutung von Haut und der darunter liegenden Gewebeschichten. Blut, Lymphe und "Qi" werden angeregt, in Fluss gebracht und so Stagnationen gelöst und Schmerzen gelindert oder beseitigt. "Schlacken" sollen so effektiver abtransportiert und die Zellen besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden können. Gua Sha beruht auf dem Prinzip, dass das Körperinnere mit dem Körperäußeren (Yin und Yang) verbunden ist. In der chinesischen Medizin spricht man bei gesundheitlichen Problemen oft von krankmachenden Faktoren - diese sollen durch die Behandlung nach außen abgeleitet werden.
Dörte Schönfeld: Bei mir in der Praxis wird es insbesondere im Schulter-Nacken-Bereich und am Hinterkopf eingesetzt. Das heißt bei klassischen Verspannungen, Kopfschmerzen, aber auch Tinnitus. Im Prinzip kann damit aber der ganze Rücken gut behandelt werden. Es gibt auch eine sanfte Form von Gua Sha, die – ohne Rötungen zu provozieren - im Gesicht angewandt wird. Durch die Stoffwechselanregung kann dies eine positive Wirkung auf Kopf- und Gesichtsschmerzen haben. Auch bei erhöhtem Augeninnendruck und Verkrampfungen der Kiefermuskulatur kann Gua Sha hilfreich sein.
Außerdem kann optisch das Hautbild im Sinne einer Faltenreduktion verbessert werden. Es gibt noch weitere Einsatzbereiche, die sich im weitesten Sinne auf regulatorische Störungen beziehen. Dabei werden - je nach Beschwerden - die Meridiane, auf denen auch die Akupunkturpunkte liegen, geschabt. Das können Verdauungsbeschwerden, hoher Blutdruck, Menstruationsbeschwerden, eine Grippe und vieles mehr sein. Hier ist allerdings tiefgreifenderes Wissen über die Meridian- und Fünf-Elemente-Lehre erforderlich. Eine Stärkung des Immunsystems wird Gua Sha auch nachgesagt. Erklärt wird dies durch die gewollte Hämatombildung durch das Reiben. Der Körper baut diese blauen Flecken wieder ab.
Durch die Aktivierung im Gewebe wird insgesamt das Immunsystem angeregt und bei regelmäßiger Anwendung auch die Eigenregulation und Selbstheilungskräfte gestärkt.
Einen imposanten Fall erlebte ich bei meinem Studienaufenthalt in China an der Universität in Chengdu. Ein verzweifelter Patient kam nach tagelangem Schluckauf in die Ambulanz. Er hatte schon Muskelkater bzw. Schmerzen im ganzen Brustkorbbereich und wusste sich nicht mehr zu helfen. Schluckauf ist aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin "gegenläufiges Qi". Also etwas, das eigentlich naturgemäß nach unten geht, geht auf einmal nach oben. Durch einige Minuten Gua Sha auf dem Brustbein des Patienten - von oben nach unten - war der Schluckauf endlich weg!
Durch die Aktivierung im Gewebe wird insgesamt das Immunsystem angeregt und bei regelmäßiger Anwendung auch die Eigenregulation und Selbstheilungskräfte gestärkt.
Dörte Schönfeld: Durch die verbesserte Durchblutung wird der gesamte Stoffwechsel im Gewebe aktiviert. Gerade bei einem langem Leidensweg, Gewebeübersäuerung oder langer Stagnation (also verhärteter Muskulatur) kommt es sicht- und fühlbar für den Patienten nach und nach zu deutlichen Verbesserungen der gesamten Schmerzsymptomatik, was als sehr erleichternd vom Patienten empfunden wird. Ganzheitlich
betrachtet sollte man natürlich immer schauen, was noch alles ursächlich angegangen oder therapiert werden kann. Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten sollten erfragt werden und ebenso Mikronährstoffdefizite ausgeglichen werden.
Dörte Schönfeld: Wie bei allen Behandlungen in diese Richtung: Massage, Schröpfen oder eben auch Gua Sha sollte darauf geachtet werden, ausreichend zu trinken - gerade auch danach. Denn frei gewordene Giftstoffe wollen ja über Lymphe, Blut und Nieren schnell ausgeschieden werden.
Dörte Schönfeld: Als erstes wird die Haut des Patienten eingeölt. Arnika Massageöl oder andere durchblutende Massageöle eigenen sich hier sehr gut. Ich kombiniere die Methode Gua Sha fast immer mit einer vorangehenden Massage. So erfühle ich die Verklebungen im Gewebe als erstes mit meinen Händen. Danach folgt in der Regel eine Schröpfmassage des ganzen Rückens am liegenden Patienten. Als Abschluss bitte ich den Patienten, sich hinzusetzen und nun wird der Nacken noch mit Gua Sha behandelt. Gerade an der Schädelkante kann man mit dem Schabeinstrument sehr gut ansetzen und arbeiten, was wegen des Haaransatzes mit einem Schröpfglas nicht möglich ist.
Ich beginne am Hinterkopf und schabe rechts und links der Wirbelsäule auf dem fühlbaren Muskelstrang in circa 5-10 cm langen Zügen wiederholend nach unten. Man schabt bis zur Erwärmung oder (meist) noch besser, bis sich kleine und große fleckenförmige Rötungen (Petechien) zeigen. Stärke, Druck und Anzahl variieren je nach Patient, Schmerzempfindlichkeit und Verfärbung der Haut. Diese Behandlung kann abschnittsweise im Muskelverlauf über den ganzen Rücken fortgesetzt werden. Als sehr angenehm wird es auch zwischen und unter den Schulterblättern empfunden.
Man schabt bis zur Erwärmung oder (meist) noch besser, bis sich kleine und große fleckenförmige Rötungen (Petechien) zeigen.
Dörte Schönfeld: Zwischen 5 und 20 Minuten, je nachdem, in welcher Intensität man welches Areal behandelt. Blockaden können schnell gelöst werden und den "freien Fluss" spürt der Patient in der Regel sofort.
Dörte Schönfeld: Ich empfehle die Behandlung im Abstand von 1-2 Wochen so oft zu wiederholen, bis kaum noch oder keine blauen Flecke mehr erscheinen. Denn dann sieht, weiß und spürt man, dass die Zirkulation wieder ausreichend hergestellt ist. Erfahrungsgemäß sind das bei jüngeren Patienten 2-5 Behandlungen, bei Patienten ab 50 meist eher 5-10 Behandlungen. Natürlich ist es auch von Bedeutung, ob es sich um ein akutes Geschehen handelt oder ob und welche chronische Erkrankung den Beschwerden zu Grunde liegt.
Dörte Schönfeld: Auch hier ist das Empfinden eine sehr individuelle Sache. Viele lieben das schabende und damit lösende Gefühl, fordern noch mehr Druck ein und mögen es sehr, wenn man mit dem Instrument Bewegung in die Gelosen, das sind knötchenartige Muskelverklebungen, bringt. Aber es gibt natürlich auch Menschen, die diese Behandlung als unangenehm empfinden. So wie es auch beim Schröpfen oder Massieren unterschiedlich wahrgenommen wird und jeder individuell schauen sollte, ob einem der Massagestil oder unterschiedliche Praktiken hilfreich und angenehm erscheinen. Die Bereiche fühlen sich nach der Behandlung warm und "leichter" an.
Dörte Schönfeld: Klassisch wurden in Asien Wasserbüffelhorn und Jadestein genutzt. Je nach Einsatzregion gibt es unterschiedliche Formen und Ausführungen. Da es von der Technik her aber insbesondere wichtig ist, eine abgerundete Kante (nicht zu scharf und nicht zu rund) zur Verfügung zu haben, eignet sich auch ein kleiner chinesischer Suppenlöffel aus Porzellan, im Notfall auch ein Deckel eines Konservenglases o.ä. dafür.
Dörte Schönfeld: Man sollte die Behandlung nicht auf bzw. über erhabenen Leberflecken, entzündeten/offenen Hautstellen/Wunden, Krampfadern, Narbengewebe, starken/unklaren Schwellungen, über akuten Entzündungen oder Sonnenbrand durchführen. Auch von einer Behandlung über Knochenvorsprüngen ist dem Laien abzuraten. In der Schwangerschaft ist wie immer Vorsicht geboten und bei der Einnahme blutverdünnender Medikamente ebenfalls. Stark geschwächte Menschen sollten auch nicht behandelt werden. Über Implantaten (Knie, Hüfte...) sollte die Methode ebenfalls nicht angewandt werden.
Dörte Schönfeld: Es gibt bestimmt Studien dazu, aber ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich sehe aber seit nunmehr 20 Jahren den positiven Effekt an meinen Patienten und mir selbst. Das ist Erfahrung und Rückmeldung genug, die mich täglich überzeugt und zu einem Fan dieser einfachen, aber effektiven Methode gemacht hat.
Dörte Schönfeld: "Befinden geht über Befund" sind Worte, die mir noch aus meiner Ausbildung in Erinnerung geblieben sind. Dem kann ich in diesem Fall nur zustimmen.
Aber ich mache sehr oft (gerade bei starken, schnellen Rötungen bei der Erstbehandlung) ein Foto mit dem Handy des Patienten. Nicht, ohne sie vorher gefragt zu haben, wie sie sich fühlen (was in der Regel sehr gut ist). Bei Sichtung des Bildes staunen viele Erstanwender, wie ihr Nacken/Rücken aussieht. Obwohl die Folgebehandlungen gleich ablaufen, werden die Rötungen aber immer weniger und weniger und verschwinden irgendwann komplett. Das heißt, der Sichtbefund nach der Behandlung bei starken Verspannungen ist ganz anders, als nach mehrfachen Sitzungen und dem Lösen der verklebten Faszien.
Dörte Schönfeld: Grundsätzlich ist es eine sichere Behandlung. Sie wirkt nur über den Hautreiz und hat bei richtiger Anwendung keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen. Sehr empfindliche Patienten können etwas Kopfschmerzen durch die frei gesetzten Giftstoffe bekommen. Ein leichtes Muskelkater-Gefühl am nächsten Tag kann auch sein. Deswegen sollte man immer etwas sanfter anfangen, um zu sehen, wie welcher Patient beim ersten Mal auf die Methode reagiert.
Sie wirkt nur über den Hautreiz und hat bei richtiger Anwendung keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen.
Dörte Schönfeld: Die blauen Flecke/Rötungen sind gewünscht und verschwinden nach ein paar Tagen wieder komplett. Hier ist es auch immer interessant, wie lange dies dauert - so kann man abschätzen, wie gut die Regulation des Patienten ist und ihm empfehlen, wie oft er noch kommen sollte. Am Tag der Behandlung sollte man viel trinken, direkte Sonne und Zugluft meiden und sich warm halten.
Dörte Schönfeld: Die sanfte Form (ohne Provokation der blauen Flecke) ist für fast alle Menschen geeignet. In jedem Fall frage ich nach dem individuellen Empfinden bei der Anwendung. Es wird also zusammen entschieden, ob und in welcher Stärke man weitermacht. Da Kinder eigentlich weniger verspannt sind, setzt man hier Gua Sha eher bei Erkältungen ein. Gerade zu Beginn ist es eine gute Aktivierung des Immunsystems. Schwangere sollten weder am Bauch noch am unteren Rücken behandelt werden.
Wichtig zu wissen: Die Methode kann aufgrund der gewollt hervorgerufenen Hämatome/Hautreaktionen auch als Zeichen von häuslicher Gewalt (Kindergarten, Schule, Sportverein...) missverstanden werden. Deshalb ist es wichtig, vorher genau darüber aufzuklären.
Dörte Schönfeld: Grundsätzlich ist es eine effektive aber einfache Methode der asiatischen Volksheilkunde, die dort in den Familien angewandt und weitergegeben wird. Die Methode ist in vielen Ländern Teil der Volksmedizin. Es kann leicht erlernt werden. Für die gegenseitige (Partner-)Behandlung zu Hause empfehle ich einen Crashkurs beim Experten, damit man mit gutem Gefühl weiß, was man tut.
Dörte Schönfeld: Da es in Deutschland eine noch nicht weit verbreitete Methode ist, gehe ich davon aus, dass jeder, der dies anbietet, auch weiß, was er da tut. Meist sind es Therapeuten, die auch andere asiatische Methoden praktizieren: Akupunktur, Schröpfen, TCM.
Dörte Schönfeld: Gua Sha und Schröpfen sind in der Wirkweise praktisch identisch. Bei beiden Methoden geht es um die Anregung der (Mikro)Zirkulation und der daraus entstehenden positiven Körperreaktionen. Nur wird einmal mit dem saugenden und einmal mit dem schabenden Effekt gearbeitet. Die Akupunkturpunkte basieren hingegen auf der Meridianlehre und die Akupunktur-Technik ist noch sehr viel umfassender als Gua Sha oder Schröpfen. Hier ist wirklich ein Experte gefragt! Ich freue mich immer wieder mit den Patienten mit, die das Schröpfen oder Gua Sha als wunderbare Behandlung für sich neu entdecken – vielleicht sind ja nun auch einige Leser neugierig geworden.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 02.01.2025.