Die Homotoxikologie („homo" lat. Mensch, „toxin" griech. Giftstoff) ist eine Methode der Alternativmedizin. Sie sieht Krankheiten als Folge von Vergiftungen an, die mit antihomotoxischen Mitteln behandelt werden können.
Die Homotoxikologie wurde von dem deutschen Arzt Hans-Heinrich Reckeweg (1905 - 1985) entwickelt, der in ihr Inhalte der konventionellen Medizin und der Homöopathie miteinander verband. Daraus entwickelte er seine eigene Theorie zur Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung. Aus diesem Grund wird die Homotoxikologie auch „moderne Homöopathie genannt".
1936 gründete Reckeweg die Firma Heel für die Herstellung und den Vertrieb seiner Arzneimittel. Um auch seine Ideen publizieren zu können, gründete er 1954 einen Verlag. Die Gesellschaft für Homotoxikologie wurde 1961 gegründet. Sie beschäftigt sich mit der Förderung und Verbreitung der Homotoxikologie und bietet Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen an. Zudem verleiht sie Preise, um die weltweite Verbreitung der Homotoxikologie voranzutreiben.
Das Konzept der Homotoxikologie beruht auf der Annahme, dass Krankheiten durch Schadstoffe, sogenannte Menschengifte, hervorgerufen werden, gegen die sich der Körper wehrt. Diese Gifte können von außen (exogen) oder von innen (endogen) kommen. Es handelt sich bei ihnen beispielsweise um Umweltgifte, Gifte aus Nahrungsmitteln und schädliche Stoffwechselprodukte.
Nach Ansicht der Homotoxikologie verläuft die Giftabwehrerkrankung in 6 Phasen:
In diesen drei Phasen befinden sich die Gifte in den Körperflüssigkeiten. Ebenso sind die Zellen und Organe noch intakt und der Körper kann sich selbst regulieren.
Diesen Phasen folgt der sogenannte „biologische Schnitt". Die Krankheit verschlimmert sich und wird schließlich chronisch. Ebenso nimmt die Fähigkeit der Zellen, sich selbst zu regulieren, immer weiter ab und geht schließlich ganz verloren.
Die Phasen müssen nicht zwangsläufig alle nacheinander ablaufen. Jede Krankheit kann von einer Phase in eine andere wechseln. Dabei ist eine Besserung, aber auch Verschlechterung, der Krankheit möglich.
Das Ziel der antihomotoxischen Behandlung ist es, dem Körper keine weiteren Schadstoffe zuzuführen. Zudem soll die Ausscheidung der Gifte angeregt und unterstützt werden. Hierzu werden beispielsweise homöopathische Mittel eingesetzt. Diese werden jedoch nicht nach der, in der Homöopathie geltenden, Ähnlichkeitsregel angewendet, sondern nach den Prinzipien der Isopathie, bei der Gleiches mit Gleichem behandelt wird. So soll beispielsweise Schweinefleisch eine krankmachende Wirkung auf den Menschen haben. Schäden im Körper werden mit den sogenannten Suis-Präparaten behandelt, die aus Schweinegeweben gewonnen werden.
Ebenso wird die Heilwirkung der Homotoxikologie damit erklärt, dass durch die Behandlung das Immunsystem gestärkt wird und Viren bekämpft werden.
Reckewegs Konzept der Homotoxikologie beruht auf den Vorstellungen des ausgehenden 19. Jh. Die Annahme, dass sich im Körper Schlackenstoffe ablagern und ihn dadurch krank machen, lässt sich für die verallgemeinernde Form nicht bestätigen. Ebenso entspricht die Vorstellung über die Entstehung von Krankheiten nicht den Erkenntnissen der modernen Medizin.
In der Homotoxikologie wird eine Ähnlichkeit zwischen Mensch und Schwein angenommen. Diese kann wissenschaftlich bestätigt werden. So sind beispielsweise die Organe von Mensch und Schwein annähernd gleich groß. Ebenso sind die Gewebemerkmale recht ähnlich. Es gibt jedoch keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass Schweinefleisch den Menschen vergiftet.
Der Ansatz Gleiches mit Gleichem zu behandeln, ist naturwissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Die Kritik an homöopathischen Mittel kann auch auf die Mittel der Homotoxikologie übertragen werden.
Die Diagnose wird in der Homotoxikologie mit konventionellen Methoden erstellt.
In der Homotoxikologie werden hauptsächlich Homöopathika zu Behandlung verwendet. Neben den homöopathischen Einzelmitteln finden auch eigene Komplexmittel Anwendung. Ebenso werden sogenannte Akkorde eingesetzt. Die „Potenzakkorde" bestehen aus Hoch-, Mittel- und Tiefpotenzen eines Präparats, die miteinander vermischt werden. Bei den „Homaccorde"-Präparaten werden verschiedene Arzneimittel, die in Potenzakkorden vorliegen, gemischt. Auf diese Weise soll sich die Wirkung der einzelnen Mittel und Potenzen gleichzeitig entfalten.
Häufig angewendete Mittel sind zudem die sogenannten Nosoden. Dies sind homöopathisch potenzierte, injizierbare Mittel. Sie werden aus gesundem oder krankem Gewebe, Ausscheidungen, Krankheitsprodukten, Blut und Blutbestandteilen von Menschen, sowie Viren, Bakterien oder Pilzen hergestellt. Industriell hergestellte Nosoden werden üblicherweise sterilisiert, während in Apotheken hergestellte Autonosoden nicht sterilisiert werden. Diese Autonosoden sollen wirksamer sein als andere Nosoden.
Weitere Mittel sind Suis-Injeele, Injektionsmittel aus Schweinegewebe. Ebenso werden Mittel aus der konventionellen Medizin wie Enzyme, Vitamine und Kortison homöopathisch aufbereitet.
Die Wahl des geeigneten Mittels erfolgt nach der diagnostizierten Erkrankung. Mithilfe einer Tabelle, in der den sechs Phasen entsprechende Erkrankungen zugeordnet sind, wird das entsprechende antihomotoxische Arzneimittel ausgewählt, das die Krankheit in eine günstigere Phase verschiebt.
Eine spezielle Ausbildung für die Homotoxikologie gibt es nicht. Es genügt eine homöopathische Ausbildung. In der Regel wird die Homotoxikologie von homöopathisch orientierten Ärzten und Heilpraktikern angewendet.
Die Homotoxikologie soll für alle chronischen und degenerativen Erkrankungen geeignet sein. Ihre Hauptanwendungsgebiete sind Arthrose, rheumatische Beschwerden, allergische Beschwerden, Schwindel, grippale Infekte, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Sportverletzungen.
Für die Tiefenpotenzen der Homotoxikologie gelten die gleichen Gegenanzeigen wie für die enthaltenen Inhaltsstoffe an sich. Ebenso können die gleichen Wechselwirkungen für Tiefenpotenzen und konventionelle Medikamente auftreten wie für die enthaltenen Inhaltsstoffe an sich. Hierzu sollte der behandelnde Arzt oder Heilpraktiker befragt werden.
Fast alle Mittel der Homotoxikologie enthalten Alkohol. Diese dürfen nicht von Personen mit Alkoholproblemen angewendet werden. Ebenso ist von einer Anwendung bei Lebererkrankungen oder Anfallleiden abzuraten. Auch bei Kindern unter 14 Jahren und während der Schwangerschaft und Stillzeit sollten diese Mittel nicht eingesetzt werden. Der enthaltene Alkohol kann zudem die Wirkung vieler Arzneimittel (beispielsweise Schlaf- und Beruhigungsmittel, Psychopharmaka, starke Schmerzmittel und Mittel bei zu hohem Blutdruck) verstärken.
Für Kinder unter 14 Jahren, für ältere Menschen sowie für Schwangerschaft und Stillzeit gelten für Tiefenpotenzen die gleichen Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen wie für die entsprechenden Inhaltsstoffe.
Tiefenpotenzen von Homöopathika können sich auf die Verkehrstüchtigkeit auswirken. Der behandelnde Arzt oder Heilpraktiker kann Auskunft darüber geben.
Während der Behandlung können die Beschwerden zunächst verstärkt werden. Dieser Effekt wird „Erstverschlimmerung" genannt und gilt als Zeichen für den Erfolg der Behandlung. Sie birgt jedoch das Risiko, dass sich eine Verschlechterung des Zustands nicht rechtzeitig bemerkt wird.
Nosoden, die nicht oder bei einer Temperatur unter 133 °C sterilisiert wurden, besteht die Gefahr, dass sie Erreger für Infektionskrankheiten enthalten.
Nosoden werden auch als homöopathische Impfung bezeichnet. Sie sind jedoch nicht mit Impfungen im eigentlichen Sinn vergleichbar und bieten keinen Schutz vor Infektionskrankheiten.
Konventionelle Arzneimittel gelten in der Homotoxikologie ebenfalls als Giftstoffe. Ihre Anwender raten häufig dazu, konventionelle Medikamente abzusetzen. Dies kann zu beträchtlichen gesundheitlichen Risiken führen.
Bei einigen Erkrankungen gibt es Hinweise auf eine therapeutische Wirksamkeit der Homotoxikologie. Die Durchführung entsprechender Studien ist jedoch mangelhaft. Zwar ist kein direktes Risiko mit der Anwendung homotoxikologischer Mittel verbunden, die Nutzen-Risiko-Abwägung fällt jedoch eher negativ aus. Somit ist die Homotoxikologie zur Behandlung von Erkrankungen „wenig geeignet".
Letzte Aktualisierung am 10.09.2021.