Die mikrobiologische Therapie, auch Symbioselenkung, ist ein Verfahren der Alternativmedizin, bei der die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst wird. Verwendung finden hierbei Mittel mit lebenden oder abgetöteten Bakterienkulturen.
Für den menschlichen Körper sind Bakterien sowohl nützlich als auch schädlich sein. Robert Koch und Louis Pasteur fanden im 19. Jh. heraus, dass Bakterien die Ursache vieler Infektionskrankheiten sind. Das führte zu der Entwicklung von Antibiotika, die Bakterien abtöten oder sie zumindest an ihrer Vermehrung hindern.
Anfang des 20. Jh. wurde schließlich entdeckt, dass Haut und Schleimhäute von Bakterien besiedelt werden und diese Bakterienflora für die Gesundheit von Bedeutung ist. Daraufhin wurde untersucht, wie die Bakterienbesiedlung beeinflusst werden kann, um die Gesundheit zu erhalten und Krankheiten zu bekämpfen.
Besonders Interesse galt dem Darm, der von einer großen Zahl an Bakterien und Pilzen besiedelt ist. Diese stehen in einer Symbiose mit dem Menschen. Es wurde angenommen, dass die Darmflora durch die Einnahme von Bakterienprodukten beeinflusst werden kann.
Durch weitere Forschung wurde das Wissen über den Darm als Immunorgan erweitert und die Rolle der Mikroorganismen an der Immunleistung genauer untersucht. Die mikrobiologische Therapie ist dadurch von ihrem Standpunkt der therapeutischen Wirksamkeit abgekommen und ist heute ein Verfahren zur Beeinflussung der körpereigenen Immunabwehr.
Die mikrobiologische Therapie geht davon aus, dass in den Körper eingebrachte Bakterienprodukte die Immunabwehr beeinflussen. Außerdem sollen sie die Darmbesiedlung mit Mikroorganismen und die Stoffwechselleistung der Bakterienflora verändern. In der Regel werden hierzu zwei verschiedene Mittel nacheinander eingenommen. Eines, das die Immunreaktion beeinflusst und eines, das die Wirkung des ersten Mittels teilweise wieder aufhebt.
In der mikrobiologischen Therapie werden außerdem auch sogenannte Autovakzine eingesetzt. Diese sind Mittel, die aus Körpersekreten hergestellt werden und im Rahmen der Behandlung dem Patienten gespritzt werden. Ihre Wirkung setzt direkt im Blut an. Dabei regen die jeweiligen Produkte unterschiedliche Elemente des Immunsystems an. Die Wirkung der Autovakzine ist außerdem von deren Konzentration abhängig. So regt etwa eine hohe Konzentration die Produktion von Gamma-Interferon, einem Eiweiß, das Krankheitserreger bekämpft, an. Eine geringe Konzentration bewirkt hingegen die Bildung von Interleukin, Eiweißen mit Vermittlerfunktion.
Die Präparate werden auch außerhalb der mikrobiologischen Therapie eingesetzt, um eine durch Antibiotika geschädigte Darmflora wieder aufzubauen.
Zwar beruht das Konzept der mikrobiologischen Therapie auf einer wissenschaftlichen Grundlage, dessen Umsetzung ist jedoch nicht plausibel. Es ist gesichert, dass eine gesunde Darmflora die Darmschleimhaut besiedelt. Dadurch können sich unerwünschte Keime nicht in dem Maße vermehren, dass sie dem Körper schaden. Nahrungsbestandteile, die vorher nicht verarbeitet wurden, werden im Darm für den Körper verfügbar gemacht. Zudem regen die Bakterien der Darmflora mit ihren Stoffwechselprodukten die Darmperestetik an. Sie sind an der Produktion der Vitamine K und B12 sowie der Immunleistung des Darms beteiligt.
Die Wirkung oral aufgenommener Erreger wird in der konventionellen Medizin im Rahmen von Schluckimpfungen genutzt. Hierbei werden abgeschwächte Erreger eingenommen, die auf der Oberfläche des Darms eine Immunreaktion hervorrufen. Zudem führt sie zu einer Immunantwort im Blut.
Die Darmschleimhaut wird zu einem Großteil von Bifido- und Milchsäurebakterien besiedelt. Werden diese oral zugeführt, wird die unspezifische Immunabwehr erhöht. Das Immunsystem wird dadurch jedoch nicht zwangsläufig gestärkt, da das komplexe Zusammenwirken verschiedener Komponenten seine Regulierung steuert. Werden Bakterienzubereitungen gespritzt, gelangen Zellbestandteile ins Blut. Dies ist für das Immunsystem ein Signal für eine Abwehrreaktion. Diese Abwehrreaktion ist jedoch nicht von der Konzentration der Bakterienzubereitung abhängig und es werden auch keine spezifischen Elemente des Immunsystems angesprochen.
Nach einer längeren Behandlung mit Antibiotika kann eine geschädigte Darmflora mit Bifido- und Milchsäurebakterien wieder aufgebaut werden. Diese sind etwa in probiotischen Lebensmitteln wie Joghurt enthalten. Die Einnahme spezieller mikrobiologischer Präparate ist nicht notwendig.
Vor einer Behandlung mit Präparaten der mikrobiologischen Therapie wird in der Regel eine übliche medizinische Diagnose gestellt. War der Betreffende in kurzer Zeit mehrfach krank, wird von einer Abwehrschwäche ausgegangen. Sprechen Erkrankungen nicht oder nur sehr langsam auf die Behandlung an oder sind der Magen-Darm-Trakt und die Haut betroffen, wird häufig eine Stuhlanalyse empfohlen. Hierbei werden in den Ausscheidungen die Art und die Menge der enthaltenen Bakterien bestimmt.
Die mikrobiologische Therapie besteht aus mehreren Schritten. Zunächst wird ein Präparat eingenommen, das die Immunreaktion unterdrückt. Weitere Präparate erhalten die lebenden Keime. Wenn notwendig werden Injektionen eingesetzt, die zweimal wöchentlich in ansteigender Konzentration gespritzt werden. Die verwendeten Präparate sind meist Fertigprodukte, die hauptsächlich Bakterienarten enthalten, die auch im Darm vorkommen. Autovakzine werden in darauf spezialisierten Laboratorien für jeden Patienten einzeln hergestellt. Sie werden aus abgetöteten Keimen hergestellt, die aus Stuhl, Harn, Nasensekret, Speichel, Rachenabstrich, Scheidensekret oder Eiter des Patienten gewonnen werden.
Da die Präparate nicht verschreibungspflichtig sind, werden sie auch zur Selbstbehandlung eingesetzt. Dies ist beispielsweise bei Durchfall der Fall.
Angewendet wird die mikrobiologische Therapie von Heilpraktikern, aber auch von Ärzten. Die Methode ist in der Weiterbildung zum Arzt für Naturheilverfahren enthalten.
Die Anwender der mikrobiologischen Therapie nennen in erster Linie Erkrankungen der Atem- und Harnwege, sowie im Magen-Darm-Bereich und des Genitaltrakts als Anwendungsbereiche. Auch bei Allergien, Ekzemen, rheumatischen Krankheiten und Abwehrschwäche, die als wiederkehrende oder chronische Infektionskrankheiten auftritt, soll die Methode helfen. Als Zusatzbehandlung in der Nachbehandlung von Krebserkrankungen soll die Therapie die Abwehrkräfte stärken.
Bei Scheideninfektionen und Harnwegsinfektionen verdrängt die Behandlung mit der mikrobiologischen Therapie die Hefepilze (Candida albicans) im Darm. Weitere Anwendungsgebiete sind allergische Reaktionen bei Säuglingen wie Neurodermitis, entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sowie Nasennebenhöhlenentzündungen. Durchfälle sollen bei Anwendung der Methode schneller abklingen.
Die mikrobiologische Therapie sollte nicht bei einer akuten Gallenblasen- und Bauchspeicheldrüsenentzündung, einem Darmverschluss und bei erheblicher Gewichtsabnahme angewendet werden. Auch bei akut fieberhaften Erkrankungen ist von einer Behandlung abzuraten.
Während der Schwangerschaft sollte die mikrobiologische Therapie nicht eingesetzt werden.
Werden Bakterienpräparate injiziert, können Risiken von leichten Hautrötungen an der Einstichstelle bis hin zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock auftreten.
Bei der oralen Behandlung von Durchfallerkrankungen und Laktoseintoleranz ist die therapeutische Wirksamkeit der mikrobiologischen Therapie ausreichen nachgewiesen. Da das Risiko bei der Einnahme von Bakterienzubereitungen gering ist, fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung in diesem Fall positiv aus. Die mikrobiologische Therapie ist somit für die erwähnten Anwendungsgebiete „geeignet".
Die therapeutische Wirksamkeit bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Reizdarmsyndrom und Nahrungsmittelallergien ist nicht ausreichend belegt. Hier fällt die Nutzen-Risiko-Einschätzung negativ aus und die mikrobiologische Therapie ist für diese Erkrankungen „nicht geeignet".
Auch für andere Anwendungsarten der mikrobiologischen Therapie, wie Injektionen, liegt kein ausreichender Nachweis über die Wirksamkeit vor. Da mit einer Injektion erhebliche Risiken verbunden sind, fällt die Abwägung von Nutzen und Risiko negativ aus. Die mikrobiologische Therapie ist als Injektion zur Behandlung von Erkrankungen „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 16.11.2021.