Die Musiktherapie ist der gezielte Einsatz von Musik zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung geistiger, seelischer und körperlicher Gesundheit. Es wird selbst musiziert oder die Musik gehört.
Seit es den Menschen gibt, dient Musik als nonverbales Kommunikationsmittel und in jeder Kultur entwickelte sich eine eigene Art, Musik zu machen. So wurde Musik schon früh mit Heilung und Wohlbefinden in Verbindung gebracht.
In Deutschland entwickelte sich die Musiktherapie etwa 1960 als therapeutisches Verfahren. Sie beruht auf Beobachtungen, dass kranke Menschen, wenn sie musizieren, Veränderungen erleben. 1981 etablierte sich in Deutschland ein eigenständiges musiktherapeutisches Studium und 1995 wurde das Institut für Musiktherapie in Heidelberg gegründet. Dieses befasst sich unter anderem mit den Wechselwirkungen von Musik und seelischen und körperlichen Prozessen.
Der Begriff der Musiktherapie ist nicht fest umrissen und umfasst eine Vielzahl von praktischen Übungen mit unterschiedlichen theoretischen Erklärungsansätzen. Die Musiktherapie, die sich an psychotherapeutischen Erklärungsmodellen orientiert, umfasst zwei Hauptrichtungen: die psychotherapeutische und prozessorientierte Richtung und die leistungs- und/oder übungsorientierte Richtung.
Die psychotherapeutische und prozessorientierte Richtung umfasst die psychoanalytische Musiktherapie. Hier ist Musik das Medium, mit dem auf klassische psychoanalytische Weise gearbeitet wird. Ebenso umfasst diese Richtung die integrative Therapie, die sich auf der humanistisch orientierten Psychotherapie beruht. Musik entsteht hierbei als Improvisation zwischen Patient und Therapeut. Die Gefühle, die der Patient hierbei empfindet, werden im Gespräch mit dem Therapeuten aufgearbeitet.
Zur zweiten Richtung gehört etwa die anthroposophische Musiktherapie, die auf dem Konzept von Rudolf Steiner beruht, aber auch der schöpferische Musiktherapie nach Nordoff-Robins. Bei dieser Richtung wird weitgehend darauf verzichtet, das Erlebte in einem Gespräch zu erörtern.
Die Musik hat vielfältige Wirkungen auf den Menschen. So kann sie emotional anrühren und Erlebnisse aus dem Unterbewusstsein wieder ins Bewusstsein heben, so dass sie verarbeitet werden können. Zudem kann Musik Spannungen lösen und das Wohlbefinden fördern. Das Zuhören, aber auch das Musizieren, verbessert die Konzentration. Musik stellt außerdem ein Kommunikationsmittel für Menschen dar, deren Ausdrucksmöglichkeiten eingeschränkt sind.
Musik selbst stellt bei den übungsorientierten Richtungen das Kommunikationsmittel dar. Bei den psychotherapeutischen Formen hingegen bietet sie dem Patienten eine Möglichkeit, in eine fruchtbare Kommunikation mit dem Therapeuten zu treten. In der Gruppenarbeit kann die Wahrnehmungsfähigkeit verbessert und ein neues Verhalten erlernt werden.
Das Konzept der Musiktherapie kann wissenschaftlich bestätigt werden. Die Auswirkungen der Musik auf das Gehirn sind medizinisch nachweisbar und gut untersucht. Beispielsweise führt die dauerhafte und intensive Auseinandersetzung mit Musik zu Veränderungen der Hörrinde und des sogenannten Balkens, einem Faserbündel, das beide Hirnhälften miteinander verbindet. Auch werden Nervenstrukturen im limbischen System, das der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient, aktiviert.
Die Musik hat Einfluss auf die Gefühle und wirkt sich so auch auf Körperfunktionen aus. Werden Klänge als schön empfunden, wirken diese auf die Zentren des Gehirns, die bei angenehmen Erlebnissen aktiviert werden. Gleichzeitig wird die Aktivität der Gehirnregion, die bei Angst angesprochen wird, verringert. Es kommt zur Veränderung verschiedener Hormone im Blut. Es wird weniger von dem Stresshormon Kortisol und mehr von dem Hormon Oxytozin, das den Aufbau einer stabilen zwischenmenschlichen Beziehung unterstützt, ausgeschüttet. Auch die Ausschüttung körpereigener Schmerzhemmer wird beeinflusst, was zu einer allgemeinen Entspannung führt.
Die Behandlung der Musiktherapie kann passiv oder aktiv erfolgen. Bei der aktiven Behandlung improvisiert der Patient meist mit Orff-Instrumenten (Rhythmus- und Schlaginstrumente) Rhythmen, Töne, Klänge oder Melodien. Bei der passiven Musiktherapie hingegen wird dem Patienten Musik vorgespielt, die er aufnimmt. Musiktherapie wird in Einzel- oder in Gruppentherapie abgehalten. Die Behandlung findet in Abständen von ein oder mehreren Tagen statt.
In Deutschland wird an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten der Studiengang Musiktherapie angeboten. Das Diplom, bzw. der Bachelor- oder Masterabschluss bestätigen den erfolgreichen Hochschulabschluss. Voraussetzung für das Studium ist eine musikalische Vorbildung. Auch im nicht ärztlichen Bereich gibt es eine musiktherapeutische Zusatzausbildung für Heil-, Sonder- und Sozialpädagogen.
Die Musiktherapie wird stationär in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken, aber auch in Sonderschulen und -kindergärten sowie in heilpädagogischen Einrichtungen eingesetzt.
In der Psychotherapie hat die Musiktherapie das Ziel, das Erleben und Verhalten des Patienten konstruktiv zu verändern und ihm so die bessere Entfaltung seiner Persönlichkeit zu ermöglichen. Eingesetzt wird die Musiktherapie bei Verhaltensstörungen von Kindern und Jugendlichen. Außerdem wird sie bei Erwachsenen bei psychiatrischen Störungen wie Neurosen, Psychosen, organischen Hirnstörungen und psychosomatischen Erkrankungen sowie Klinikbehandlungen, die mit außerordentlichem Stress einhergehen, angewendet. Bei einer geistigen Behinderung dient die Musiktherapie als heilpädagogisches Element. Weitere Anwendungsgebiete sind zudem die begleitende Behandlung nicht tumorbedingter chronischer Schmerzen, Migräne bei Kindern und die Therapie von Demenz.
Für die therapeutische Wirksamkeit der Musiktherapie zur Verringerung von Stress, Linderung von Schmerzen, Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Besserung bei Verhaltensstörungen und bei psychischen Problemen wie Depressionen und Schizophrenie sind ausreichend Nachweise vorhanden. Zudem fördert sie die zwischenmenschlichen Beziehungen von kindlichen Krebspatienten, verringert die Belastung von Patienten mit einer koronaren Herzerkrankung und senkt Herzfrequenz und Blutdruck. Da das Risiko gering ist, fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung positiv aus. Somit ist die Musiktherapie für die genannten untersuchten Anwendungsgebiete „geeignet".
Bei anderen Anwendungsgebieten ist der Nutzen der Musiktherapie fraglich. Die Nutzen-Risiko-Einschätzung fällt hierfür negativ aus und die Methode ist zu deren Behandlung „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.