Die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie (SMT) ist ein Verfahren der Alternativmedizin, bei dem mit Sauerstoff angereicherte Luft eingeatmet wird. Sie besteht aus drei Schritten, die auch die Einnahme von Vitaminen und Mineralien sowie körperliche Aktivität umfassen. Ziel der Methode ist die Stärkung des Organismus.
Bereits drei Jahre nach der Entdeckung des Sauerstoffs 1774 durch den Theologen und Privatgelehrten Joseph Priestley (1733-1804) gab dieser bekannt, dass das Gas medizinisch wirksam sei. Therapien mit Sauerstoff fanden darauf hin in ganz Europa Verbreitung. Besonders im 20. Jh. führte sein Ruf als Lebenselixier zu der Entwicklung verschiedener Methoden. Auch der Dresdner Physiker und Mediziner Manfred von Ardenne (1907-1997) entwickelte in seinem Dresdner Forschungsinstitut neben physikalischen und technischen Neuerungen zwei medizinische Verfahren - die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie und die Krebs-Mehrschritt-Therapie (KMT). Aus diesen entstanden mehrere Varianten, die sich in den Therapieschritten nur wenig unterscheiden.
In Deutschland ist die SMT weit verbreitet und es wurden einige SMT-Gesellschaften gegründet. Die Handhabung der verschiedenen Methoden unter dem Begriff Ardenne-Therapie ist jedoch nicht einheitlich.
Von Ardenne beobachtete, dass im Alter, durch Stress und bei geschwächten Menschen der Partialdruck des Blutes sinkt. Hierbei handelt es sich um den Druck, unter dem Sauerstoff im arteriellen Blut gelöst ist. Dieses Absinken des Druckes führt zu einer mangelnden Versorgung der Zellen mit Sauerstoff, wodurch sich die Blutgefäße verengen. Das Blut zirkuliert schlechter und die Sauerstoffversorgung verschlechtert sich weiter. Dieser „zelluläre Gefäßwand-Schaltmechanismus der Mikrozirkulation" ist laut von Ardenne Ursache für den allgemeinen Leistungsabfall und die Abnahme der Funktionsfähigkeit der Organe im Alter.
Die Kombination von Vitaminzufuhr, Einatmen von Sauerstoff und Bewegungstraining führt zu einer Anhebung des Partialdrucks in den Arterien. Gleichzeitig wird der Druck in den Venen jedoch gesenkt. Der Sauerstoff erweitert dabei die Blutkapillaren, was zu einer Anregung der Mikrozirkulation und der Steigung des Blutflusses führt. Das Sauerstoffangebot im Gewebe steigt, wodurch der energetische Status wieder angehoben und der Stoffwechselprozess angeregt wird. Dadurch ist der Körper in der Lage, die Sauerstoffaufnahme der Lunge zu verbessern, und die Gewebe können das Gas optimal nutzen.
Das Konzept der Krebsbehandlung beruht zusätzlich noch auf den Vorstellungen von Otto Warburg. So ist der übliche Weg der Energiegewinnung in allen Krebszellen gestört. Diese Zellen greifen deshalb auf den Stoffwechselgang der Gärung zurück und kommen ohne Sauerstoff aus. Das Gewebe reichert sich jedoch mit sauren Stoffwechselprodukten an.
Die Zusammenhänge, auf die sich das Konzept stützt, widersprechen den wissenschaftlich nachgewiesenen Funktionen des Sauerstoffs im Körper. So ist der Sauerstoffpartialdruck etwa durch die Höhenlage beeinflusst. Ein Abfall des Drucks ist ohne Krankheitswert. Die Erhöhung des arteriellen Ruhe-Partialdrucks hält nicht wie behauptet monatelang an. Bereits nach wenigen Minuten nach Absetzen der Sauerstoff-Zufuhr sinkt er wieder ab. Von Ardenne änderte daraufhin das Konzept und ging von einer Erhöhung des venösen Drucks aus. Auch dies wurde widerlegt, was zu einer erneuten Veränderung des Konzepts führte. Ebenso wurden auch die Anwendungsbereiche während der Durchführung klinischer Studien geändert.
Die Übersäuerung von Gewebe bei Krebs kann nicht verallgemeinert werden, da sie nicht in jedem Fall auftritt. Die Theorie von Otto Warburg wurde durch biochemische Erkenntnisse widerlegt. In der speziellen Krebstherapie (sKMT) wird dem Körper Glucose zugeführt, um eine Gärung herbeizuführen und den Stoffwechsel sauer zu machen. Das widerspricht jedoch den Erkenntnissen über den natürlichen Abbau von Glucose im Körper. Zudem wird bei der sKMT der Körper überwärmt, was sich in wissenschaftlichen Studien nicht bewährt hat.
Die Durchführung der sogenannten Ardenne-Therapien ist nicht einheitlich geregelt. Deshalb sollte bei jedem Anwender zunächst erfragt werden, in welcher Form die Behandlung abläuft.
Vor der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie wird eine gründliche medizinische Diagnose mit Blutgasanalyse durchgeführt.
Der Ablauf der SMT ist in drei Schritte unterteilt. Im ersten Schritt wird ein Kombinationsmittel, das in der Regel Vitamin B1, Vitamin C, Magnesiumorotat und Dipyridamol enthält, eingenommen. Dadurch soll die Sauerstoffaufnahme des Blutes fördern. Anschließend inhaliert der Patient über eine Nasensonde oder eine Sauerstoffmaske ein Gemisch aus Sauerstoff und Luft. Der dritte Schritt umfasst tägliches, dosiertes Bewegungstraining, wie Training auf dem Ergometer, Gehtraining oder Gymnastik. Auch das soll die Aufnahme und Wirkung des Sauerstoffs unterstützen. Sind Patienten nicht mehr bewegungsfähig, entfällt dieser Schritt. Die klassische SMT besteht in der Regel aus 18 Sitzungen zu je zwei Stunden.
Eine Variante der SMT ist der 15-Minuten-O2-Schnellprozess. Hier trainiert der Patient nach der Einnahme des Medikamentencocktails zusätzlich auf einem Ergometer, während er die mit Sauerstoff angereicherte Luft inhaliert. Die Behandlung dauert nur 15 Minuten und die körperliche Anstrengung sollte abhängig von der Belastbarkeit des Patienten zwischen 20 und 150 Watt liegen.
Zur Selbstbehandlung ist die SMT nicht geeignet.
Die SMT-Gesellschaften bieten eine eintägige Ausbildung in der SMT an. Angewendet wird die Methode von niedergelassenen Praxen, Tageskliniken und von Heilpraktikern.
Mit der SMT sollen das Krankwerden bekämpft und Altersprozessen entgegengesteuert werden.
Die Anwendungsgebiete der Methode sind Durchblutungsstörungen am Herzen, im Gehirn und an den Gliedmaßen, zu hoher und zu niedriger Blutdruck, Herzreaktionen aufgrund eines Druckanstiegs im Lungenkreislauf (Cor pulmonale), Plazentaschwäche, Hörsturz, verschiedene Sehverschlechterungen und Medikamentennebenwirkungen. Auch zur Operationsvor- und -nachbehandlung, bei Verschleißerscheinungen der Gelenke, chronischen Hautleiden und Lebererkrankungen wird SMT eingesetzt. Zudem wird sie auch bei Altersschwäche und Typ-2-Diabetes, zur Anregung der Körperabwehr, Vorbeugung von Tumoren und Verbesserung der Lebensqualität bei Krebsleiden angeboten. Weitere Anwendungsbereiche sind Regeneration, Leistungssteigerung, Wirkungsverbesserung und Einsparung von Medikamenten sowie Risikosenkung beim Geburtsvorgang.
Der Sauerstoffgehalt des Inhalationsgemisches liegt bei etwa 60 Prozent. Ob dies auf Dauer zu Schäden führen kann, ist nicht sicher. Deshalb ist von einer Selbstbehandlung mit SMT abzuraten.
Die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie sollte nicht bei chronischem Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxämie) angewendet werden, da es zu einer Kohlendioxidnarkose, Bewusstseinsstörungen oder gar Koma kommen kann.
Auch bei akuten Schleimhautentzündungen, Lungenerkrankungen, Atemnot, Herz- und Bronchialasthma, arteriellen Verschlusskrankheiten, akuten allergischen Reaktionen, Überfunktion der Schilddrüse, Epilepsie, Autoimmunerkrankungen und unmittelbar nach Herz- und Gehirninfarkten sollte die Methode nicht eingesetzt werden.
Manche Anwender raten dazu, die KMT nur dann durchzuführen, wenn die Möglichkeiten der etablierten Medizin ausgeschöpft sind.
Reiner Sauerstoff sollte unter normalen Druckbedingungen nicht länger als vier Stunden inhaliert werden. Bei einer Überdosierung können Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Kopfschmerzen, Krämpfe und einen Zustand ähnlich akuter Atemnot (Lungenödem - ein akutes Atemnotsyndrom durch Flüssigkeitsansammlung in der Lunge; Lungenfibrose - Verlust der Elastizität des Lungengewebes durch Vernarbung) hervorrufen.
Bei der Überwärmung des Körpers ist die benötigte Temperatur so hoch, dass sie Patienten in Lebensgefahr bringt.
Nebenwirkungen der sKMT sind Fieber, Abgeschlagenheit, Schwäche, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schmerzen, Ausbrechen von Herpes-Infektionen, Kreislaufkollaps, Nieren- und Leberversagen. Zudem kann es zu Verbrennungen infolge der Überwärmung kommen.
Werden zusätzlich andere Methoden wie Chelattherapie oder Zelltherapien eingesetzt, sind deren Risiken zu beachten.
Weder bei Erkrankungen noch bei Alterserscheinungen, zur Verbesserung der Krankheitsabwehr oder Leistungsfähigkeit konnte ein therapeutischer Nutzen der SMT nachgewiesen werden. Die Risiken sind erheblich, wodurch die Nutzen-Risiko-Abwägung negativ ausfällt. Somit ist SMT zur Therapie von Erkrankungen, zur Vorbeugung von Krankheiten und Alterungsprozessen und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 13.09.2021.