Schröpfen (ahd. screfan „kratzen, eine Verletzung setzen") ist ein Ausleitungsverfahren der Alternativmedizin, bei dem kleine Gefäße durch Unterdruck auf der Haut befestigt werden. Auf diese Weise wird die Durchblutung der betreffenden Hautregion angeregt (unblutiges Schröpfen) oder eine Ableitung von Blut bewirkt (blutiges Schröpfen). Ziel der Methode ist es, belastende Stoffe aus dem Körper zu entfernen, aber auch Verspannungen lösen und oder die Energiebalance im Körper wiederherstellen. Ähnliche Verfahren sind Aderlass, Blutegeltherapie, Baunscheidtieren und Cantharidinpflaster.
Erste Belege für das Schröpfen stammen aus Mesopotamien und Ägypten. In anderen Kulturkreisen wie Indien, China und Südamerika war das Verfahren bekannt. Die verwendeten Schröpfköpfe bestanden aus verschiedenen Materialien, etwa Kuhhorn, Ton, Bambus, Bronze oder Glas. Auch wenn das Schröpfen eine typisch ärztliche Tätigkeit war, war das blutige Schröpfen im Mittelalter unter ihnen verpönt. Während dieser Zeit wurde es von Badern, Barbieren und Steinschneidern angeboten. Paracelsus (1493-1541), der als bedeutendster Vertreter des Schröpfens gilt, lehnte das blutige Schröpfen ebenfalls ab. Dennoch wurde die Methode bis ins 19. Jh. auch von Ärzten praktiziert. In den 1920er Jahren machte der Wiener Kliniker Bernhard Aschner (1883-1960) das Schröpfen und andere ausleitende Verfahren populär. Auf das blutige Schröpfen verzichten Ärzte seit der zweiten Hälfte des 20. Jh. weitgehend, da es mit erheblichen Hautverletzungen verbunden ist. Heilpraktiker führen es nach wie vor durch.
Das Konzept des Schröpfens als ausleitendes Verfahren geht auf die Vier-Säfte-Lehre, auch Humorallehre, des altgriechischen Gelehrten Hippokrates (470-377 v. Chr.) zurück. Diese besagt, dass die vier Säfte schwarze Galle, gelbe Galle, Schleim und Blut den Organismus steuern. Ist die Mischung der Säfte ausgeglichen, ist der Körper gesund. Krankheiten werden durch eine Störung der Mischung oder den Überfluss der Flüssigkeiten verursacht, was auch als Humoralpathologie bezeichnet wird. Der Entzug von Blut führt zu einer Ausleitung von schlechten, giftigen Stoffen aus dem Körper. Daneben wird auch eine Beziehung zwischen Hautarealen und inneren Organen für möglich gehalten. Wulstig verhärtete Eindellungen der Haut (Myogelose) sind Anzeichen für beginnende Krankheiten, deren Entwicklung durch Schröpfen aufgehalten werden kann. Zum Teil werden auch eine Auswirkung auf den Druck der Gehirnflüssigkeit und die energetischen Prozesse im Körper angenommen.
Das Schröpfen kann zu den unspezifischen Reiz- und Regulationstherapien gerechnet werden. Es ist vorstellbar, dass eine Tiefenwirkung über Head-Zonen und Nervenverbindungen im entsprechenden Körpersegment besteht. Als Head-Zone wird ein Hautareal bezeichnet, dessen Nerven im gleichen Rückenmarksabschnitt (Segment) liegen, wie die Nerven eines bestimmten Organs (Segmenttheorie). Alle weiteren Beziehungen zwischen Haut und Organen, die über diese Segmenttheorie hinaus gehen, können angezweifelt werden. Auch für Auswirkungen des Schröpfens auf den Druck der Gehirnflüssigkeit, die Beeinflussung von Energie, die im Körper zirkuliert, und dem Ausleiten krankmachender Stoffe gibt es keine Nachweise.
Beim Schröpfen werden glockenförmige Becher aus Glas oder Kunststoff, sogenannte Schröpfköpfe verwendet, in denen ein Unterdruck erzeugt wird.
Zunächst wird der Rücken des Patienten mit Rotlicht erwärmt. Anschließend werden 6 bis 10 Schröpfköpfe auf der Haut angebracht. Meist werden sie entlang der Wirbelsäule, manchmal jedoch auch am Bauch gesetzt. Der Unterdruck in den Schröpfköpfen führt zu einer Erweiterung der Blutkapillaren der Haut. Dadurch tritt Blut aus. Nach einigen Minuten bilden sich blaue Flecken und nach längerer Zeit auch Blutblasen. Eine Behandlung dauert etwa 10 bis 15 Minuten. Die blutige Blasen und die blauen Flecken verschwinden einige Tage nach dem Schröpfen von allein. Während dieser Zeit sollte die Haut mit Baumwollkleidung bedeckt und nur mit Körperöl gereinigt werden. In der Regel erfolgt die Behandlung in einer Sitzung. Bei chronischen Beschwerden wird jedoch zu einer Wiederholung nach Abklingen der Spuren des ersten Schröpfens geraten.
Die Saugmassage ist eine Form des unblutigen Schröpfens, bei der auf einem eingeölten Hautareal eine Schröpfglocke mit Vakuum einige Minuten hin und her geschoben wird. Durch den Unterdruck bildet sich ein Bluterguss. Wird die Methode zu kosmetischen Zwecken eingesetzt, wird die Behandlung vor Bildung eines blauen Fleckes beendet, da bereits eine gerötete Haut eine stärkere Durchblutung anzeigt. Die petechiale Saugmassage nach Zöbelein ist eine Weiterentwicklung dieser Technik. Statt eines Schröpfkopfes wird hierbei ein Sauggerät eingesetzt. Dieses wird über die Reflexzonen der Haut geführt, um die inneren Organe zu behandeln.
Vor dem Schröpfen wird bei dieser Methode die Haut zunächst entweder mit Blutlanzetten kreuzförmig oder mit einem Sakrifikationsapparat eingeritzt. Durch den Unterdruck füllen sich die Schröpfköpfe nach dem Aufsetzen mit Blut aus den Schnitten. Die Behandlung dauert 10 bis 20 Minuten. In dieser Zeit werden pro Schröpfkopf ca. 50 mL Blut aus dem Körper geleitet. Das Verfahren ist schmerzhaft und sollte nicht direkt über Wirbeln und großen Arterien durchgeführt werden.
Die Technik des Schröpfens wird in Heilpraktikerschulen und vom Bundesverband deutscher Heilpraktiker gelehrt. Eine einheitliche Regelung für die Ausbildung gibt es nicht.
Ziel des unblutigen Schröpfens ist die Stärkung, um Blut, Wärme und Kraft zuzuführen oder einen Mangel auszugleichen. Angewendet wird es bei schmerzhaften Gewebeverhärtungen in Haut und Unterhaut (Myogelosen), Ohrengeräuschen, Ausbleiben der Menstruation, Asthma und Tuberkulose.
Hauptanwendungsgebiete des blutigen Schröpfens sind das Ausleiten von Überschuss, Hitze oder Schmutzstoffen und eine Entlastung der örtlichen oder allgemeinen Blutfülle. Zudem wird es eingesetzt, um Schmerzen und rheumatische Beschwerden zu lindern, Muskelschmerzen und -verspannungen zu bessern und -knoten zu lösen sowie Durchblutungsstörungen zu beheben.
Bei Menschen mit Blutgerinnungsstörungen und Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, darf nicht geschröpft werden. Auch bei Nierenschwäche darf das Schröpfen nicht angewendet werden.
Bei stark beanspruchter Haut und Altershaut sollte die Methode nicht eingesetzt werden. Blutiges Schröpfen darf nicht bei entzündeter Haut und nach einer Bestrahlung angewendet werden. Zudem sollte es bei Menschen mit überschießender Narbenbildung nur mit äußerster Vorsicht eingesetzt werden.
Schröpfen ist schmerzhaft und ruft an den Stellen, die geschröpft werden, Blutergüsse hervor.
Werden beim blutigen Schröpfen die Geräte nicht sorgfältig desinfiziert, besteht die Gefahr einer Infektion.
Das Erzeugen des Unterdrucks mit einem in Benzin getränkten Wattebausch kann zu Verbrennungen der Haut führen.
Für die Wirksamkeit des Schröpfens gibt es bei keinem Anwendungsgebiet Nachweise. Da besonders das blutige Schröpfen mit Risiken verbunden ist, fällt die Nutzen-Risiko-Einschätzung negativ aus. Die Technik ist zur Behandlung von Krankheiten oder Störungen „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.