Spagyrik (griech. spao = „(heraus)ziehen, trennen", ageiro = „vereinigen, zusammenführen") ist ein aus der Alchemie entwickeltes Verfahren. Die Methode vereint religiöse, mythische, astrologische und naturwissenschaftliche Elemente. Die als Spagyrika bezeichneten Heilmittel werden aus pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ausgangssubstanzen mit Hilfe chemischer Verfahrenstechniken hergestellt.
Ihren Ursprung hat die Spagyrik in der Alchemie, deren Aufgabe unter Anderem die Herstellung von Gold aus unedleren Materialien war. Es entwickelte sich daraus die Vorstellung, dass alle natürlichen Stoffe durch die chemische Bearbeitung von dem Unreinen getrennt werden müssten. Durch das Zusammenfügen der geläuterten Teilprodukte entsteht ein neuer Stoff mit wertvolleren Eigenschaften.
Das Heilverfahren der Spagyrik geht auf Paracelsus (1493-1541) zurück. Dieser verwendete den Begriff synonym zu Alchemie, der jedoch eine Abgrenzung gegenüber anderer Richtungen darstellte. Paracelsus sah in der Aufgabe der Alchemie nicht etwa die Herstellung von Gold, sondern die Herstellung von Arzneimitteln. Johann Rudolf Glauber (1604-1670) verfasste im 17. Jh. eine ausführliche Anleitung zur Herstellung spagyrischer Heilmittel.
Das Verfahren geriet in den folgenden Jahren in Vergessenheit, wurde jedoch im 19. Jh. wieder entdeckt. In Italien entwickelte Privatforscher Cesare Mattei (1809-1896) ein Verfahren zur Herstellung von Arzneimitteln. Auch wenn keine Aufzeichnungen darüber erhalten sind, soll es der Spagyrik sehr ähnlich gewesen sein. Auf Reisen kam der deutsche Mediziner Carl-Friedrich Zimpel (1801-1879) mit der Methode in Kontakt und entwickelte daraufhin ein eigenes spagyrisches Heilsystem. Ein Heilpraktiker in Göppingen stellte für Zimpel die Mittel her und vertrieb sie in Deutschland. Im 20. Jh. verhalf der Biologe Manfred Junius (1929-2004) mit seinem Buch über Spagyrik der Methode zu einer großen Anhängerschaft.
Die Spagyrik ist heute in Deutschland mit dem Namen des Heilpraktikers Ulrich Jürgen Heinz (*1941) eng verbunden. Er fügte der Methode noch eine ideologisch-weltanschauliche Komponente hinzu. Zudem setzt er sie auch zu Diagnosezwecken ein. Zunächst gründete er das „Heinz-Spagyrik-Institut", trennte sich aber wieder davon. Heute praktiziert Heinz eine abgewandelte Form unter dem Namen „Clustermedizin".
Mehrere Firmen produzieren spagyrische Heilmittel, die jeweils ein eigenes Heilsystem darstellen. Die genaue Ausbreitung der Methode ist nicht feststellbar.
Aufgrund der zahlreichen verschiedenen Systeme gibt es auch kein einheitliches Konzept. Zudem ist das Heilverfahren der Spagyrik bei keinem der einzelnen Arten genau beschrieben. Alle Formen verwenden jedoch Mittel, die durch zerstören und wieder vereinen entstehen.
Das Krankheitsverständnis von Zimpel beruht auf der Viersäftelehre. Dieser zufolge machen schlechte Säfte krank. Erst die Reinigung des Blutes unter Beachtung astrologischer und kosmischer Aspekte führt zu einer Gesundung. Zimpel suchte nach einem Universalmittel, dass das Menschenleben verlängert und glaubte es in den spagyrischen Mitteln gefunden zu haben. Er nahm an, dass sie aufgrund ihrer Herstellung über besondere Heilkräfte verfügen.
Die Spagyrik geht davon aus, dass allen Pflanzen eine verborgene Kraft innewohnt, die freigesetzt werden kann, indem ihre Strukturen durch verschiedene Prozesse aufgelöst werden. Dadurch werden Produkte erhalten, die neu zusammengesetzt die einzelnen Eigenschaften der Pflanzen zu einer verstärkten Heilkraft vereinigen.
Eine Theorie über die Wirkweise der Spagyrik, die sich auf alle Formen übertragen lassen, gibt es ebenfalls nicht. Die Ansätze sind teils esoterischer, teils biodynamischer Natur. Jedoch wird angenommen, dass nicht die Inhaltsstoffe der spagyrischen Arzneimittel wirken, sondern die durch das Herstellungsverfahren freigesetzt metaphysische Kräfte. Die Clustermedizin geht davon aus, dass die körpereigenen Gewebe und anderen Substanzen, die zur Herstellung der Spagyrika verwendet werden, Informationen aus ihnen kopieren. Diese werden an den Körper weiter gegeben, der dadurch Botschaften über den eigenen Stoffwechsel erhält und sie selbstständig nach eigenen Bedürfnissen umsetzen kann.
Die Spagyrik stellt keine krankheits- oder ursachenspezifische Behandlung im heutigen Sinn dar. Ihr Gedankengut beruht auf mittelalterlichen Vorstellungen und kann als überholt gelten. Zudem sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen neben dem Placeboeffekt keine Wirkungen von Arzneimitteln bekannt, die unabhängig der verabreichten Substanz sind. Die Inhaltstoffe von Pflanzen werden je nach Herstellungsverfahren der Spagyrika vollständig zerstört. Eine Wirkung kann deshalb nur auf den neu entstandenen Substanzen beruhen. Ob wirksame Stoffe enthalten sind, ist jedoch noch nicht ausreichend untersucht worden. Da in den heutigen Spagyrika andere Inhaltsstoffe enthalten sind, als in den Vorschriften von Zimpel ist eine Übertragung der Wirkung nicht möglich. Die Wirksamkeit der Mittel müsste in gesonderten Studien überprüft werden.
Die Spagyrik kennt ein eigenes Diagnoseverfahren, das von dem deutschen Heilpraktiker Ulrich Jürgen Heinz entwickelt wurde. Damit sollen Krankheiten schon aufspürbar sein, wenn sie mit konventionellen Mitteln noch nicht erkennbar sind. Es wird hierbei ein Tropfen Blut des Patienten verascht, die Asche mit mehrfach destilliertem Wasser vermischt und die Mischung anschließend filtriert. Von der so erhaltenen Lösung wird ein Tropf bei definierter Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit eingetrocknet. Das entstehende Kristallisationsmuster wird mit einer Datenbank abgeglichen. Auf diese Weise wird die Diagnose erhalten und das passende Heilmittel abgeleitet.
Die verwendeten Spagyrika bestehen aus Pflanzen, Tieren, Salzen und Metallen, die nach verschiedenen Rezepturen verarbeitet werden. Sie können innerlich oder äußerlich, auf traditionelle Weise oder nach heutigen Prinzipien angewendet werden.
Bei der traditionellen Behandlung werden die spagyrischen Mittel mit Wein, Branntwein, Fleischbrühe oder Kräutertee eingenommen. Hierbei wird dem jeweiligen Medium zusätzlich die Funktion als Übermittler der Heilkraft zugeschrieben. Nach heutigen Prinzipien erfolgt die Einnahme der Spagyrika unverdünnt. Dabei werden sie vor dem Schlucken eine Zeitlang im Mund behalten. Auch als Injektionen können die Mittel angewendet werden.
Bei akuten Erkrankungen erfolgt die Behandlung so lange bis die Beschwerden abgeklungen sind, bei chronischen Erkrankungen kann sie auch mehrere Monate dauern.
Verschiedene Bücher und Broschüren leiten zur Selbstbehandlung an.
Grundlage für die Ausübung der Spagyrik ist eine homöopathische Ausbildung. Die Methode wird von homöopathisch orientierten Ärzten und Heilpraktikern angewendet.
Mit der Spagyrik sollen alle Krankheiten heilbar sein, bei denen der Patienten noch Selbstheilungskräfte besitzt. Bei schwerwiegenden Erkrankungen soll sie die Behandlung unterstützen.
Da fast alle Spagyrika Alkohol enthalten, dürfen sie nicht von Personen mit Alkoholproblemen angewendet werden. Auch bei Menschen mit Lebererkrankungen und Anfallleiden ist von einer Anwendung abzuraten. Zudem kann durch den Alkohol die Wirkung vieler Arzneimittel, etwa Schlaf- und Beruhigungsmittel, Psychopharmaka, starke Schmerzmittel und Mittel gegen hohen Blutdruck, herabgesetzt werden. Diese Mittel sollten während der Schwangerschaft und Stillzeit und bei Kindern unter 14 Jahren nicht eingesetzt werden.
Für spagyrische Mittel verwendete Ursubstanzen, die nicht verdünnt sind, besitzen die gleichen Gegenanzeigen wie die Ausgangssubstanzen. Zudem können bei ihnen die gleichen Wechselwirkungen mit Medikamenten auftreten wie bei den Ausgangssubstanzen. Für Kinder unter 14 Jahren, Schwangerschaft und Stillzeit und die Verkehrstüchtigkeit gelten für unverdünnte Ursubstanzen die gleichen Einschränkungen wie für die Ausgangssubstanzen.
Die bei der Spagyrik auftretende Erstverschlimmerung wird als positives Zeichen gedeutet. Dadurch kann eine Verschlechterung des Zustandes übersehen werden und eine notwendige Behandlung versäumt werden.
Arsen- und Quecksilberverbindungen, die in manchen Spagyrika enthalten sind, können bei Dauergebrauch Vergiftungserscheinungen hervorrufen.
Unverdünnte Ursubstanzen können die gleichen unerwünschten Wirkungen hervorrufen wie, die auch bei den Ausgangssubstanzen zu erwarten sind.
Belege für die Wirksamkeit der Spagyrik gibt es nicht. Je nach Zusammensetzung der verwendeten Mittel variieren die Risiken. Die Spagyrik ist zur Behandlung von Krankheiten und Störungen „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.