Zelltherapien im Sinne der Frischzellentherapie sind alternativmedizinische Verfahren, bei dem Zubereitungen aus tierischem Gewebe verabreicht werden. Diese sollen das Immunsystem beeinflussen. Die Art der Therapie unterscheidet sich von der Stammzellentherapie, die konventionell angewendet wird. Je nach Ausgangsprodukt oder Entwickler der Methode tragen die Zelltherapien verschiedene Namen. Diese sind etwa Organotherapie, zytoplasmatische Therapie (Theurer-Therapie), Thymustherapie (THX-Behandlung) und Serumtherapie (Wiedemann Kur).
Die Frischzellentherapie wurde von dem Schweizer Chirurgen Paul Niehans entwickelt. 1931 behandelte er Patienten mit Gewebeextrakten ungeborener Tiere. Hierbei wurden frisch gewonnene, getrocknete oder gefrorene Zellen gespritzt. Mit dieser Methode sollten Krankheiten geheilt und vorgebeugt, aber auch der Alterungsprozess aufgehalten und Patienten verjüngt werden. Vor allem die letzten beiden Punkte machten die Methode schnell populär. Als 1955 80 schwere Zwischenfälle, von denen 30 tödlich verliefen, bekannt wurden, wurden Arzneimittel aus getrockneten und gefrorenen Zellen vom Markt genommen. Frischzellenkuren werden jedoch auch heute noch durchgeführt.
Begründer der Thymustherapie ist der schwedische Tierarzt Elis Sandberg. Dieser behandelte in den 1950er Jahren Kranke mit Zubereitungen aus Kälberthymus, das er THX nannte. Seit 1975 wird die Methode auch in Deutschland angewendet. Während anfangs Aufschwemmungen ganzer Zellen des Thymus ungeborener Schafe und Kälber gespritzt wurden, wurden später aufgrund der zahlreichen unerwünschten Wirkungen Präparate aus speziellen Auszügen entwickelt. Heute werden Arzneimittel angeboten, die chemisch reine Eiweißstoffe enthalten, deren Zusammensetzung und Aufbau bekannt ist.
Tierische Gewebe und Organe sind in zahlreichen Produkten zu zelltherapeutischen Anwendung enthalten.
Die Frischzellentherapie beruht auf der Vorstellung, dass Zellen von Tierfeten ihre Informationen über Jugendlichkeit an den Organismus, dem sie injiziert werden, weitergeben und ihn so revitalisieren. Da fremde Zellen nachweislich vom Organismus abgestoßen werden, sind nicht die Zellen selbst, sondern deren Inhaltsstoffe die Träger der Wirkung. Aus ihnen filtern bedürfte Organe die passenden Informationen für sich heraus. Wenn Organe versagt haben, der Körper geschwächt ist und wenn Infektionskrankheiten und Krankheiten bestehen, bei denen die Organe stark entzündet sein können, soll die Behandlung nicht angewendet werden. Bei Geisteskrankheiten spricht die Therapie nicht an.
Für das Immunsystem sind in den Organismus eingebrachte Fremdzellen und deren Bestandteile Antigene. Diese lösen eine Antigen-Antikörper-Reaktion aus. Der Körper versucht auf diese Weise die fremden Zellen schnellstmöglich wieder zu entfernen. Die hierbei stattfindende Abstoßreaktion ist nachweisbar. Nicht plausibel ist die Vorstellung, dass injizierte Zellen spezifisch auf ein Organ wirken.
Die Thymustherapie erklärt die geschwächte Immunabwehr im Alter mit einer eingeschränkten Funktion der Thymusdrüse, die ein wesentlicher Bestandteil des Immunsystems ist. Durch das spritzen von Thymuszellen wird dem Organismus das zurückgegeben, was nur noch in geringen Mengen vorhanden ist. Somit versteht sich die Thymustherapie als eine Art Substitutionstherapie. Auch die durch Krankheiten geschwächte Immunabwehr sollen Thymusextrakte verbessern. Es wird angenommen, dass diese von außen zugeführten Thymusfaktoren das Knochenmark zur Bildung neuer Immunzellen anregt. Zudem reaktivieren die Extrakte diese Zellen und stellen das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten von Immunzellen wieder her.
Das der Thymus (Bries) ein wichtiges Organ für das Immunsystem ist, ist unumstritten. Hier werden die Lymphozyten, eine Gruppe weißer Blutkörperchen, in T-Lymphozyten, die an der Immunabwehr beteiligt sind, umgewandelt. An diesem Prozess sind die sogenannten Thymusfaktoren beteiligt. Der Thymus verkleinert sich nach der Pubertät und verliert seine Funktion. Die T-Lymphozyten sorgen jedoch dafür, dass weiterhin genug von ihnen gebildet werden. Eine bei älteren Menschen nachlassende Immunabwehr hat zahlreiche verschiedene Gründe. Hierfür ist die funktionslose Thymusdrüse nicht allein verantwortlich.
Es ist nachgewiesen, dass Thymusextrakt die Konzentration verschiedener Blutzellen und -faktoren erhöht und so das Immunsystem beeinflusst. Inwiefern dies zur Behandlung von Krankheiten genutzt werden kann, ist jedoch noch nicht ausreichend geklärt.
Die Selbstheilungskräfte menschlicher Organe und Gewebe sollen durch die verschiedenen Zellen ungeborener Tiere oder Bestandteile fetaler Tierzellen angeregt werden.
Für die Frischzellentherapie werden frische Zubereitungen aus dem Gewebe ungeborener Tiere verwendet. Diese werden streng hygienisch aufbereitet und sofort injiziert. Dem Patienten werden bei jeder Behandlung mehrere, bis maximal 35 Zellarten gespritzt. Anschließend sollte er 30 Stunden im Bett ruhen und sich danach noch zwei Tage schonen. Die Behandlungsserien sollten im Abstand von 5 bis 8 Monaten wiederholt werden.
In der Thymustherapie werden verschiedene Produkte eingesetzt. Diese können aus Frischzellen aus dem Thymus bestehen oder Fertigpräparate mit Extrakten aus der Thymusdrüse von Kälbern sein. Zudem ist auch eine große Zahl an Arzneimitteln aus Tierorganextrakten erhältlich. Üblicherweise werden die Mittel injiziert, sie können jedoch auch geschluckt oder als Aerosol inhaliert werden. Die Behandlung sollte kurmäßig erfolgen, wobei sich sechs Wochen Anwendung und vier bis sechs Wochen Pause abwechseln. Hierbei wird die Dosis des Präparats langsam erhöht bis eine Unverträglichkeitsreaktion eintritt, die die Toleranzgrenze kennzeichnet. Erst wenn diese Dosis problemlos vertragen wird, wird zur nächst stärkeren übergegangen. Um Unverträglichkeiten zu vermeiden, werden von manchen Anwendern vor der Therapie Kortison und ein Antiallergikum gespritzt.
Wird mit der Zelltherapie eine Krebsbehandlung unterstützt werden, sollte die Anwendung bereits vor einer Operation begonnen werden. Nachher kann sie gegebenenfalls mit einer anderen Begleittherapie kombiniert werden.
Ärzte und Heilpraktiker gehören zu den Anwendern der Zelltherapien.
Die Anwendungsbereiche der Frischzellentherapie sind Regeneration und Revitalisierung, stress- und altersbedingte Abbauerscheinungen, krankheitsbedingte Organschäden, anlagebedingte Schäden und Leistungsminderungen, Immunbegleittherapie bei Tumorerkrankungen, sowie multiple Sklerose.
Thymusextrakte sollen bei nahezu allen Störungen einschließlich Blutdruckprobleme, Erektionsstörungen, Wechseljahresbeschwerden, chronische Krankheiten wie rheumatische und allergische Erkrankungen, Diabetes, grüner Star und multipler Sklerose anwendbar sein. Auch bei Aids, Krebserkrankungen und zu deren Vorbeugung sollen sie eingesetzt werden können.
Zelltherapien sollen bei Kindern unter 12 Jahren, sowie während Schwangerschaft und Stillzeit nicht eingesetzt werden.
Thymusextrakte dürfen nicht bei der Autoimmunerkrankung Myasthenia gravis, Thymustumoren und Allergien gegen tierisches Eiweiß angewendet werden.
Weitere Gegenanzeigen für Präparate aus Thymus sind Erkrankungen des Thymus, Schilddrüsenüberfunktion und Autoimmunkrankheiten.
Da vermutet wird, dass Zelltherapien einen positiven Effekt auf Diabetes haben, sollte der Blutzuckerspiegel häufiger kontrolliert werden und die Medikamentendosis gegebenenfalls angepasst werden. Notfalls ist ein Arzt zu Rate zu ziehen.
Weitere Gegenanzeigen und Wechselwirkungen sind von den jeweiligen Produkten abhängig.
Das Injizieren von artfremdem Eiweiß kann allergische Reaktionen hervorrufen, die sich bis zu einem lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock mit Blutdruckabfall, Herzrasen und Luftnot steigern könne. Diese Reaktionen können direkt nach der Injektion, aber auch erst bis zu zwei bis drei Wochen auftreten.
Es besteht die Gefahr, dass mit den tierischen Geweben auch Viren und andere Krankheitserreger übertragen werden können. Bei Produkten aus tierischen Geweben von Rindern besteht trotz gesetzlicher Bestimmungen das Risiko der Übertragung von BSE. Vor allem bei Ausgangsprodukten, deren Herkunft nicht nachvollziehbar ist, ist das Risiko besonders hoch.
Für die therapeutische Wirksamkeit der Zelltherapien sind keine ausreichenden Nachweise vorhanden. Da die mit ihr verbundenen Risiken jedoch erheblich sind, fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus. Zelltherapien sind somit zur Behandlung von Krankheiten „nicht geeignet".
Letzte Aktualisierung am 14.09.2021.