Um scharf sehen zu können, müssen Lichtstrahlen, die auf das Auge treffen, auf einen Punkt der Netzhaut gebündelt werden. Um das zu erreichen, besitzt das Auge zwei Linsen, die das einfallende Licht unterschiedlich stark brechen. Insgesamt weisen diese beiden Linsen eine Brechkraft von 63 Dioptrien auf.
Die Augenlinse hat eine Brechkraft von ungefähr 20 Dioptrien und kann sich an verschiedene Entfernungen anpassen, indem sie ihre Rundung (und damit ihre Brechkraft) verändert.
Die Hornhaut erfüllt gleich mehrere Funktionen. Sie stellt die äußerste Schicht des Augapfels dar und ist deshalb auch für den mechanischen Schutz des Auges wichtig. Außerdem besitzt sie eine Brechkraft von 43 Dioptrien, stellt also zwei Drittel der Gesamtbrechkraft des Auges. Im Normalfall ist die Hornhaut gleichmäßig gekrümmt.
Beim Astigmatismus (Stabsichtigkeit) ist meist die Krümmung der Hornhaut unregelmäßig. Die einfallenden Lichtstrahlen werden unterschiedlich, was dazu führt, dass die Strahlen auf der Netzhaut nicht punkt- sondern strichförmig auftreffen. Daraus resultiert eine ständige Unschärfe, die (im Gegensatz zu Kurz- und Weitsichtigkeit) unabhängig von der Entfernung der betrachteten Gegenstände ist. In selteneren Fällen können auch Veränderungen der Augenlinse einen Astigmatismus hervorrufen.
Es gibt verschiedene Auslöser für einen Astigmatismus.
Hierbei handelt es sich um eine Krümmungsanomalie, die meist die gesamte Hornhaut betrifft und auch als regulärer Astigmatismus bezeichnet wird. Dieser Fehler besteht in den meisten Fällen schon von Geburt an und kann gut korrigiert werden.
Andere Formen des Astigmatismus werden unter dem Begriff „irregulärer Astigmatismus" zusammengefasst.
Die Hornhaut kann durch verschiedene schädliche Einflüsse geschädigt werden, da sie die äußerste Begrenzung des Auges darstellt. Narbengewebe kann nach Verletzungen, Entzündungen oder Infektionen mit bestimmten Erregern entstehen. Es weist andere Brechungseigenschaften als das umliegende Hornhautgewebe auf.
Der Keratokonus (Hornhautkegel) ist vermutlich eine erbliche Krankheit, bei der sich die Hornhaut zu einem Kegel wölbt.
Der Katarakt (Linsentrübung) kann zum Astigmatismus führen, wenn die Trübung der Linse ungleichmäßig verteilt ist. Außerdem können verschiedene seltene Erkrankungen des gesamten Körpers Auswirkungen auf die Form der Linse haben, was die Brechungseigenschaften verändern kann.
Da beim Astigmatismus meist die Hornhaut oder dauerhaft die Linse betroffen ist, besteht meist eine zumindest teilweise verschwommene Sicht. Meist kommt es, abhängig von der Entfernung des betrachteten Gegenstands, zu verschieden ausgeprägten Unschärfen. Lichtstrahlen, die aus einer bestimmten Ebene vor dem Auge auftreffen, werden stärker gebündelt als Strahlen aus einer anderen Ebene.
Daraus ergibt sich dann folgendes Bild: Bilder aus einer bestimmten Entfernung werden stabförmig verzerrt wahrgenommen, das Bild ist in einer Richtung scharf (Brennlinie). Ein Bild, das weiter entfernt oder näher am Beobachter steht, wird dann um 90 Grad verdreht stabförmig verzerrt gesehen. Zwischen diesen beiden Extremen liegt dann ein Bereich, der relativ scharf gesehen wird.
Der Astigmatismus kann, neben den Unschärfen, auch andere Symptome hervorrufen, die unspezifisch sind und bei fast allen Fehlsichtigkeiten auftreten können. Dazu gehören Kopfschmerzen, Augenbrennen und Rötungen des Auges. Sie sind Ausdruck der Belastungen, denen das Auge ausgesetzt ist.
Der Verdacht auf einen Astigmatismus kann häufig bereits bei der Befragung des Patienten (Anamnese) gestellt werden. Es müssen jedoch auch weiterführende Untersuchungen stattfinden.
Dieses Untersuchungsgerät ist eine Scheibe, die ein Loch in der Mitte und nach außen hin mehrere konzentrische Kreise aufweist. Der Untersucher hält diese Scheibe vor das zu untersuchende Auge und blickt durch das Loch in der Mitte. Beim gesunden Auge wäre die Spiegelung der Kreise auf dem Auge regelmäßig, beim Astigmatismus jedoch erscheinen die Linien teilweise verzerrt. Es handelt sich hierbei um eine recht einfache Untersuchungsmethode, die noch durch genauere Messungen ergänzt werden muss.
Das Ophthalmometer ist ein Gerät, das den Krümmungsradius der Hornhaut vermisst und dadurch Rückschlüsse auf Krümmungsanomalien zulässt. Dazu projiziert das Gerät zwei kleine Objekte auf die Hornhaut des betroffenen Auges und misst dann die Reflektionen anhand einer Skala aus. Ein geübter Untersucher kann damit die Krümmung der Hornhaut in jede Richtung ermitteln.
Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung des Ophthalmometers. Anstatt nur zwei Objekte auszumessen, werden ungefähr 30.000 Punkte ausgemessen und so die gesamte Hornhaut abgetastet.
Eine weitere Möglichkeit, den Sehfehler zu ermitteln, ist die objektive Refraktionsbestimmung, bei der der Betroffene durch ein Gerät blickt, das unter anderem die Hornhaut abtastet und die optimale Form für Kontaktlinsen ermitteln kann.
Um Kontaktlinsen oder Brillen anzupassen, ist die subjektive Refraktionsbestimmung nötig. Hierbei blickt der Patient durch verschiedene Linsen und bestimmt, bei welchen Stärken er am schärfsten sieht. Anders als bei Kurz- oder Weitsichtigkeit ist der Ausgleich müssen die vorgeschalteten Linsensysteme unter Umständen gedreht werden, da der Fehler ja nicht die ganze Hornhaut betrifft, sondern nur Teile davon.
Der Astigmatismus sollte unbedingt von anderen Fehlsichtigkeiten wie Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit oder Alterssichtigkeit abgegrenzt werden. Zur Behandlung eines Astigmatismus müssen spezielle Linsen verwendet werden. Meist kann jedoch schon ein einfacher Sehtest eine Unterscheidung ermöglichen. Letzte Zweifel können durch eine Untersuchung der Hornhaut beseitigt werden.
Die Therapie richtet sich vor allem nach der Form des Astigmatismus.
Diese Form der Stabsichtigkeit kann relativ einfach ausgeglichen werden, da die Hornhautkrümmung meist nur in eine Richtung fehlerhaft ist. Zur Korrektur werden Zylindergläser eingesetzt, die das Licht nur in einer Ebene brechen können. Sie müssen so eingesetzt werden, dass sie senkrecht zur Abweichung stehen. Die Korrektur kann sowohl durch eine Brille als auch durch Kontaktlinsen erfolgen. Der Vorteil an Kontaktlinsen ist die Anpassung an die Augenbewegung. Sie bewegen sich so, dass die Korrektur optimal durchgeführt werden kann. Heutzutage können neben den harten Kontaktlinsen auch weiche eingesetzt werden. Zu beachten ist außerdem, dass zusätzliche Fehlsichtigkeiten (z.B. Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit) gleich in einer Linse mitkorrigiert werden können.
Bei leichteren Formen des irregulären Astigmatismus kann die Korrektur unter Umständen durch harte Kontaktlinsen erreicht werden. Das ist jedoch nur möglich, wenn die Hornhaut die auslösende Struktur ist.
Bei schwereren Fällen des Astigmatismus muss ein Ersatz der betroffenen Struktur in Betracht gezogen werden. Die Hornhaut kann durch ein Hornhauttransplantat ersetzt werden, die Linse wird meist gegen eine Kunstlinse ausgetauscht. Wie bei allen Operationen besteht auch hier das Gefahr der Infektion oder der Narbenbildung. Die Hornhauttransplantation geht außerdem noch mit dem Risiko einer Transplantatabstoßung (Host-versus-Graft-Reaktion) einher.
Eine weitere Möglichkeit, Astigmatismus zu behandeln, ist die Operation mit einem Laser. Dadurch können Unebenheiten der Hornhaut ausgeglichen werden und die Brechkraft verändert werden. Die derzeit am häufigsten angewandte Laser-Methode ist die LASIK-Behandlung, die auch zur Behandlung von Kurz- und Weitsichtigkeit erfolgreich eingesetzt wird.
Der Astigmatismus tritt meist schon im Kindesalter auf. Bei frühzeitiger Behandlung stehen die Chancen einer kompletten Heilung gut. Leichtere Formen des Astigmatismus können meist gut mit Brillen oder Kontaktlinsen korrigiert werden.
Letzte Aktualisierung am 09.08.2021.