Bei einer Kurzsichtigkeit (Myopie) ist das Nahsehen kaum oder gar nicht beeinträchtigt, während weiter entfernte Objekte nur unscharf wahrgenommen werden. Der Grund hierfür liegt meist in einem zu langen Augapfel. Die Augenlinse, die ja für die Ferneinstellung sorgen müsste, kann sich nicht stark genug abflachen, um diesen Fehler zu korrigieren. Die Strahlen fallen vor der Netzhaut auf einen Punkt zusammen. Wenn sie die Netzhaut erreichen, weichen sie schon wieder auseinander und das Bild wird nur unscharf wahrgenommen.
Die Netzhaut (Retina) liegt im hinteren Teil des Auges und besteht aus vielen nebeneinander stehenden Zellen, die einfallende Lichtstrahlen in elektrische Signale umwandeln und diese dann an das Gehirn weiterleiten. Je weniger dieser Zellen von einem einzelnen Lichtstrahl getroffen werden, desto schärfer wird das Bild, das dann im Kopf entsteht. Um ein möglichst scharfes Bild zu erhalten, müssen die einfallenden Lichtstrahlen also im Idealfall so gebündelt werden, dass sie nur auf einen Punkt der Netzhaut fallen. Um die Strahlen zu bündeln, stehen einige Strukturen des Auges zur Verfügung. Die Brechkraft des Auges beträgt normalerweise 63 Dioptrien.
Die Hornhaut bedeckt unsere Pupille kuppelförmig und ist die erste Struktur unseres Auges, die mit den Lichtstrahlen in Berührung kommt. Durch ihre Krümmung können hier die Lichtstrahlen schon gebrochen werden. Die Brechkraft der Hornhaut macht mit 43 Dioptrien den größten Teil an der Gesamtbrechkraft des Auges aus.
Die Augenlinse ist in der Pupille aufgespannt. Die Fasern, an denen die Linse aufgehängt ist (Zonula-Fasern), können durch Muskeln gespannt oder entspannt werden. Dadurch wird der Linsenapparat zur einzigen Stelle des Auges, an der die Brechung des Lichts direkt beeinflusst werden kann.
Werden die Zonula-Fasern entspannt, so kugelt sich die Linse, aufgrund ihrer Eigenelastizität, stärker zusammen und das Licht wird stärker gebrochen. Dieser Vorgang ermöglicht das Nahsehen. Die stark gebrochenen Lichtstrahlen fallen genau auf der Netzhaut zusammen und ergeben so ein scharfes Bild.
Beim Fernsehen („in die Ferne sehen") müssen die Zonula-Fasern gespannt werden, um die Linse abzuflachen. Die eintreffenden Strahlen werden dadurch weniger stark gebrochen und auf der Retina entsteht wieder ein scharfes Bild.
Die Linse steuert mit normalerweise 20 Dioptrien nur einen kleinen Teil zur Gesamtbrechkraft bei. Im Gegensatz zur Hornhaut kann sie ihre Brechkraft jedoch verändern und sich so auf verschiedene Situationen einstellen.
Es werden zwei verschiedene Arten von Kurzsichtigkeit unterschieden, die nochmals unterteilt werden können.
Die Achsenmyopie wird durch einen zu langen Augapfel verursacht. Die Linse kann das Bild nur auf einem Punkt vor der Netzhaut scharf stellen. Wenn die Strahlen die Retina erreichen, weichen sie schon wieder auseinander und das Bild wird unscharf.
Die häufigste Form (ca. 80 Prozent) der Achsenmyopie ist die Myopia simplex oder auch „Schulmyopie". Vor der Pubertät beginnt der Augapfel, länger zu werden, bis das Körperwachstum mit ca. zwanzig Jahren abgeschlossen ist. Der Sehfehler bleibt meist unter sechs Dioptrien.
Bei der benignen progressiven Myopie kann der Sehfehler bis zu dreißig Dioptrien betragen. Der Fehler stabilisiert sich erst ab dem 30. Lebensjahr.
Die maligne progressive Myopie geht mit einem erhöhten Risiko für eine Netzhautablösung einher. Der Augapfel wächst unkontrolliert, ohne dass der innen liegende Glaskörper mitwächst.
Hierbei kommt es zu Sehfehlern aufgrund anderer Erkrankungen des Auges.
Durch die altersbedingte Linsentrübung kann es zu Veränderungen der Brechkraft der Linse kommen. Durch die verstärkte Brechung kommt es zur Kurzsichtigkeit.
Der Keratokonus ist eine Missbildung der Hornhaut, die wahrscheinlich vererbt wird. Auf der Hornhaut bildet sich ein Kegel, der die Brechkraft der Hornhaut teilweise stark verändern kann.
Diese pathologische (krankhafte) Wölbung der Augenlinse kann bei verschiedenen Erkrankungen (z.B. beim Warfan-Syndrom) auftreten.
Das Hauptsymptom der Myopie ist die Kurzsichtigkeit selbst. Auf längere Distanz können Gegenstände nicht mehr scharf gesehen werden. Typischerweise tritt dieses Symptom im Schulkindalter in den Vordergrund, wenn die Schrift auf der Tafel nicht mehr scharf erkannt wird. Oft wird versucht, den Sehfehler durch Zusammenkneifen der Augen zu kompensieren.
Im Allgemeinen besteht bei kurzsichtigen Menschen ein erhöhtes Risiko, an einer Netzhautablösung zu erleiden.
Einige weitere, aber sehr unspezifische Symptome sind Kopfschmerz (durch die Anstrengung) und trockene Augen (durch das angestrengte Zusammenkneifen).
Verschiedene Untersuchungsmethoden werden angewendet, um die Diagnose „Kurzsichtigkeit" zu sichern.
Schon im Gespräch mit dem Patienten kann der Arzt häufig auf die Erkrankung schließen. Wenn der Patient seine Probleme schildert, muss vor allem auf die Entfernungen eingegangen werden, ab denen nicht mehr scharf gesehen werden kann.
Zunächst wird meist eine objektive Refraktionsbestimmung durchgeführt. Diese Untersuchung wird heutzutage vollautomatisch von einem speziellen Gerät durchgeführt. Beim Blick durch das Gerät wird die Abweichung der Sehschärfe von der Norm ermittelt. Gleichzeitig wird häufig auch noch die Wölbung der Hornhaut ermittelt, um eine Sehhilfe optimal anpassen zu können. Die objektive Refraktionsbestimmung muss noch durch die subjektive ergänzt werden. Hierbei blickt der Patient durch verschiedene Linsen mit unterschiedlichen Stärken auf Zeichen, die in ca. fünf Metern Entfernung stehen. Der Patient entscheidet, bei welcher Linsenstärke die Zeichen am schärfsten zu sehen sind.
In schweren Fällen (etwa bei Kindern) kann die Bestimmung der Refraktion (zu korrigierende Brechkraft) auch durch spezielle Geräte (Skiaskope) durchgeführt werden.
Verschiedene andere Erkrankungen können ähnliche Symptome wie die Kurzsichtigkeit hervorrufen. Auch bei Schäden an der Netzhaut kann beispielsweise die Sehschärfe beeinträchtigt werden.
Die Behandlung der Kurzsichtigkeit gehört heutzutage zu einer der häufigsten Behandlungen in der Augenmedizin.
Die übliche Behandlung der Myopie besteht im Vorsetzen einer „Minuslinse". Hierbei handelt es sich um eine Zerstreuungslinse, die von beiden Seiten konkav geschliffen ist. Dadurch werden die Strahlen gerade so weit gestreut, dass sie, nach der Brechung an Hornhaut und Linse, wieder direkt auf die Netzhaut fallen. Die Linse kann entweder als Brille vor den Augen oder als Kontaktlinse direkt auf dem Auge getragen werden.
Bei großer Abweichung vom Normalwert (mehr als 15 Dioptrien) wird das Tragen einer Brille problematisch. Das auf die Netzhaut auftreffende Bild wird stark verkleinert, so dass die Sehstärke herabgesetzt wird. Außerdem müssen zum Ausgleich solcher Sehstärkefehler dicke Gläser verwendet werden, was den Träger oft im Alltag behindert. Daher werden bei großen Abweichungen von der Norm Kontaktlinsen empfohlen, die diese Nachteile im Allgemeinen nicht aufweisen.
Kurzsichtigkeit kann nicht durch Training der Augenmuskulatur oder sonstiger Strukturen erfolgreich behandelt werden, obwohl immer noch verschiedene Übungsprogramme gegen Kurzsichtigkeit angeboten werden. Das Problem der Kurzsichtigkeit ist in den meisten Fällen ein zu langer Augapfel, der nicht „wegtrainiert" werden kann.
Es gibt verschiedene Operationsarten, mit denen die Myopie korrigiert werden kann. Sie werden unter dem Begriff „refraktive Chirurgie" zusammengefasst.
Vor allem die Laser-Behandlung der Kurzsichtigkeit wird heutzutage sehr häufig angewandt. Nach Berechnung der notwendigen Korrektur wird die obere Hälfte der Hornhaut mit einem Laser eingeschnitten und zur Seite geklappt. Dann kommt ein spezieller Laser (Excimer-Laser) zum Einsatz, der von der auf dem Auge verbliebenen Hornhautschicht den vorher berechneten Wert abschleift (höchstens 20 Prozent). Die restliche Hornhaut wird zurückgeklappt und saugt sich fest. Die entstandene Verletzung heilt innerhalb einiger Tage vollständig aus.
Diese LASIK (Laser in-situ Keratomileusis) ist sehr zuverlässig bei einer Korrektur von bis zu sechs Dioptrien.
In seltenen Fällen wird ein zweiter Eingriff nötig, um die gewünschte Verbesserung der Sehkraft zu erreichen.
Jeder chirurgische Eingriff ist mit gewissen Risiken behaftet. Im Allgemeinen sind hier Infektionen und Anästhesieprobleme zu nennen. Speziell bei Augenoperationen kann es auch noch zu Über- oder Unterkorrekturen, erhöhte Blendeempfindlichkeit und Vernarbungen der Hornhaut erwähnenswert. In seltenen Fällen können die Vernarbungen so ausgeprägt sein, dass eine Hornhauttransplantation notwendig wird.
Kurzsichtigkeit ist ein Problem, das meist lebenslang besteht und nur durch eine Operation vollständig entfernt werden kann. Allerdings ist die Myopie so weit verbreitet, dass für Kurzsichtige kaum Einschränkungen entstehen. In höherem Alter kompensiert die Altersweitsichtigkeit manchmal die Kurzsichtigkeit, so dass dann auch ohne Brille eine normale Sehschärfe erreicht werden kann.
Letzte Aktualisierung am 06.08.2021.