Der Begriff Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) bezeichnet eine chronische Stoffwechselerkrankung, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Es existieren verschiedene Formen der Zuckerkrankheit, wobei der Diabetes mellitus Typ II mit 90 Prozent die häufigste darstellt.
Hingegen sind nur etwa fünf Prozent aller Diabetiker in Deutschland vom Diabetes mellitus Typ I betroffen. Der Typ I Diabetes ist eine so genannte Autoimmunerkrankung, die einen absoluten Mangel am Hormon Insulin verursacht. Er wird deshalb auch als insulinabhängiger Diabetes mellitus bezeichnet.
Die Erkrankung beginnt meist schon im Kindes- oder Jugendalter, weshalb diese Diabetesform häufig auch als juveniler Diabetes mellitus bezeichnet wird. Er kann sich aber unter Umständen auch erst im fortgeschrittenen Alter manifestieren.
Die Ursachen des Diabetes mellitus Typ I ist ein absoluter Mangel am Hormon Insulin. Dieses Hormon wird jedoch von den Körperzellen benötigt, um den im Blut zirkulierenden Zucker aufzunehmen und ihn zur Energiegewinnung zu nutzen. Bei Insulinmangel bleibt ein Großteil des durch die Nahrung aufgenommenen Zuckers im Blut, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt.
Der Mangel an Insulin ist beim Diabetes mellitus Typ I die Folge einer so genannten Autoimmunerkrankung. Bei diesen Erkrankungen besteht eine Fehlregulation des Immunsystems, das körpereigene Zellen als fremd einstuft und bekämpft. Im Falle des Diabetes mellitus Typ I zerstören die Zellen des Immunsystems die insulinproduzierenden B-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Je mehr B-Zellen durch die Autoimmunerkrankung zerstört werden, desto weniger Insulin kann die Bauchspeicheldrüse produzieren. So entsteht mit der Zeit eine Überzuckerung der Körpers (Hyperglykämie) die bis in ein bedrohliches Koma (ketoazidotisches Koma) führen kann.
Der Typ I Diabetes beginnt zunächst schleichend und wird von den Betroffenen in der Anfangsphase oft nicht bemerkt. Die Bekämpfung der körpereigenen B-Zellen hat jedoch bereits begonnen und die Antikörper gegen die Zellen der Bauchspeicheldrüse zirkulieren bereits im Blut.
In diesem frühen Stadium können verschiedene Mechanismen (Triggerfaktoren) die Zerstörung der B-Zellen weiter vorantreiben. Zu diesen Triggerfaktoren zählen verschiedene Virusinfektionen, wie Masern, Mumps, Röteln und dem Coxackie-Virus, sowie verschiedene Medikamente, die das Immunsystem beeinflussen. Hierzu gehören beispielsweise so genannte Interferone, die bei der Therapie von Leberentzündungen und der Multiplen Sklerose eingesetzt werden.
Auch Umweltfaktoren, wie beispielsweise Ernährungsgewohnheiten, scheinen Einfluss auf die Entstehung eines Typ I Diabetes zu nehmen. Forschungen haben außerdem gezeigt, das Kinder, die gestillt wurden, ein niedrigeres Risiko haben, als Kinder, die vor dem ersten Lebensjahr bereits Kuhmilchprodukte erhalten haben.
Daneben besteht beim Diabetes mellitus Typ I meist auch eine genetische Veranlagung diese Erkrankung zu entwickeln. Bei bis zu 10 Prozent der Typ I Diabetiker leidet auch ein Elternteil unter der Erkrankung, bei etwa 5 Prozent ist ein Großelternteil betroffen. Kommen zu dieser Veranlagung die oben beschriebenen Auslösemechanismen hinzu, kommt es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum Ausbruch der Erkrankung.
So ergeben sich folgende Risikofaktoren für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ I:
Der Diabetes mellitus Typ I entsteht allmählich und manifestiert sich typischerweise im Alter zwischen 15 und 19 Jahren, nicht selten sind jedoch auch jüngere oder ältere Menschen betroffen. Meist sind die Patienten schlank und untergewichtig. Bei einer Sonderform des Diabetes mellitus Typ I, dem so genannten LADA-Diabetes (Latent Autoimmune Diabetes of Adults), erkranken hingegen eher Personen über 25 Jahre.
Zu Beginn ist der Blutzuckerspiegel meist noch normal und die Betroffenen haben keine Beschwerden, obwohl die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen schon begonnen hat. Im Verlauf der Erkrankung leiden die Typ I Diabetiker meist unter starkem Durst (Polydipsie), da der Körper viel Flüssigkeit benötigt um den überschüssigen Zucker im Blut auszuspülen. Aufgrund dessen entwickeln die betroffenen einen häufigen Harndrang (Polyurie), sodass der Zucker schließlich mit dem Urin ausgeschieden werden kann.
Typ I Diabetiker leiden außerdem vermehrt unter Müdigkeit, Gewichtsverlust, Schwäche und Sehstörungen. Auch Juckreiz, Kreislaufstörungen, Schwindelgefühl, Muskelkrämpfe, Übelkeit und Infektanfälligkeit sind bei Diabetikern nicht selten, da der erhöhte Blutzucker die körpereigene Abwehr in hohem Maße schwächt.
Die Symptome sind beim Typ I Diabetes meist wesentlich stärker ausgeprägt als bei Typ II Diabetikern. Häufig treten die Beschwerden akut auf und können sich rasch zu einem bedrohlichen ketoazidotischen Koma entwickeln, wenn nicht rechtzeitig behandelt wird.
Die Diagnose des Diabetes mellitus basiert auf der typischen Vorgeschichte, sowie typischen klinischen Befunden und der Labordiagnostik. Beim Diabetes mellitus Typ I treten die typischen Symptome meist akut auf und sind wesentlich stärker ausgeprägt als beim Diabetes mellitus Typ II.
Der wichtigste Labortest in der Diagnose des Diabetes mellitus ist die Bestimmung des Blutzuckers. Dieser sollte nüchtern gemessen werden und beim Gesunden einen Wert von 126mg/dl nicht überschreiten. Auch ein so genannter oraler Glukosetoleranztest kann in der Diagnostik eines Diabetes mellitus hilfreich sein. Der 2-Stunden-Blutzuckerwert sollte bei Gesunden einen Wert von 200mg/dl nicht überschreiten.
In der weiteren Diagnostik kann zusätzlich eine Urinzuckermessung vorgenommen werden, die mit einem Teststreifen einfach durchführbar ist. Sie sollte auch bei bereits festgestelltem Diabetes mellitus etwa ein bis zwei Mal pro Jahr routinemäßig erfolgen.
Eine entscheidende Rolle in der Diagnose des Diabetes mellitus Typ I nimmt die Immundiagnostik ein. Dabei werden so genannte Autoantikörper bestimmt, die bei 90 Prozent der Typ I Diabetiker im Blut nachweisbar sind.
Die Autoantikörper sind oft schon Jahre vor der Manifestation der Erkrankung erhöht, sodass durch diese Untersuchung auch das individuelle Risiko für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ I bestimmt werden kann. Jedoch kann die Immundiagnostik auch bei bereits bestehender Erkrankung hilfreich sein, da sich der Verlauf und die schwere der Erkrankung individuell sehr gut vorhersagen lassen.
Dabei können verschiedene Formen von Antikörpern vorliegen:
Wurde die Diagnose eines Typ I Diabetes sichergestellt, sollten zusätzliche Untersuchung durchgeführt werden, die eine Früherkennung von Diabetes-Folgekrankheiten erlauben.
Dazu zählen eine Bestimmung der Nieren- und Blutfettwerte, eine Spiegelung des Augenhintergrundes, die Untersuchung der Nervenbahnen, regelmäßige Blutdruckkontrollen, Urinuntersuchungen sowie die regelmäßige Inspektion der Füße. Zur Kontrolle der Diabetestherapie wird außerdem in regelmäßigen Abständen der Langzeit-Zuckerwert HbA1c bestimmt werden.
Erhöhte Blutzuckerwerte können auch im Rahmen einer so genannten passageren Hyperglykämie auftreten. Diese sind meist durch Stresssituationen, wie eine Operation oder einen Unfall bedingt. Solche passageren Hyperglykämien können im durch Verlaufsuntersuchungen leicht vom manifesten Diabetes mellitus abgegrenzt werden.
Um den Diabetes mellitus Typ I differentialdiagnostisch vom Typ II Diabetes abzugrenzen, müssen die einzelnen Faktoren in ihrer Summe betrachtet werden: Der Typ I Diabetes ist seltener als der Diabetes mellitus Typ II, er manifestiert sich meist vor dem 30. Lebensjahr und beginnt plötzlich und akut. Die Betroffenen sind meist normalgewichtig und haben ausgeprägte Symptome.
Sind zusätzlich zu diesen Faktoren noch Autoantikörper im Blut nachweisbar gilt ein Diabetes mellitus als praktisch erwiesen.
Beim Diabetes mellitus Typ I besteht die Grundlage jeder Therapieform zunächst in der Gabe von Insulin, da der Körper dieses Hormon nicht mehr selbst herstellen kann. Der Standard der Insulintherapie beim Typ I Diabetes ist die so genannte intensivierte Insulintherapie. Diese auch als Basis-Bolus-Therapie bezeichnete Form der Behandlung soll die körpereigene Insulinproduktion imitieren.
Dazu spritzt sich der Patient morgens und abends so genanntes Intermediärinsulin, das einen konstanten Insulinspiegel über den Tag verteilt gewährleisten soll. Zusätzlich sind bei dieser Form der Therapie Injektionen von kurzwirksamem Insulin vor den Hauptmahlzeiten notwendig, die der Menge an Nahrungskohlenhydraten angepasst werden. So kann in der Regel eine zufrieden stellende Einstellung des Stoffwechsels bei guter Lebensqualität erreicht werden.
Eine Alternative zur intensivierten Insulintherapie ist die kontinuierliche Insulingabe mittels einer Insulinpumpe. Dabei wird Normalinsulin zur Abdeckung des basalen und mahlzeitbezogenen Insulinspiegels kontinuierlich verabreicht. Diese Art der Therapie eignet sich besonders für Patienten, die einen instabilen Stoffwechsel haben oder in ihrer Lebensführung flexibel sein möchten.
Die Insulintherapie kann durch eine Ernährungsbehandlung ergänzt werden. Bei Typ I Diabetikern sollte tägliche Nahrungsmenge auf sechs bis sieben Mahlzeiten pro Tag verteilt werden um Über- oder Unterzuckerungen entgegenzuwirken.
Nur der LADA-Diabetes, eine Sonderform des Diabetes mellitus Typ I, kann zu Beginn der Erkrankung auch mit einer Diät oder oralen Antidiabetika zunächst ausreichend behandelt werden und ist erst in einer späteren Phase der Erkrankung auf Insulin angewiesen.
Entwickelt der Betroffene zusätzlich zum Typ I Diabetes eine Nierenschwäche (terminale Niereninsuffizienz) kann eine Transplantation von Niere und Bauchspeicheldrüse (Pankreas) durchgeführt werden. Nach dieser Operation normalisiert sich der Kohlenhydratstoffwechsel in der Regel und die Patienten sind nicht länger auf die Zuführung von Insulin angewiesen.
Ein bisher nur experimentell angewandtes Verfahren ist die Transplantation von Inselzellen aus einem menschlichen Spenderpankreas.
Dazu werden Insulin produzierende Zellen aus Pankreasgewebe isoliert und dem Empfänger über die Pfortader in die Leber transplantiert. Ergänzend zu jeder Form der Diabetes-Therapie sollte jeder Patient eine Schulung erhalten um Diabetes-typische Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Auch regelmäßige Selbstkontrollen des eigenen Stoffwechsels sollte jeder Typ I Diabetiker durchführen können.
Um den gefährlichen Komplikationen durch eine Unterzuckerung vorzubeugen, sollte jeder Diabetiker, auch bei gut eingestelltem Blutzucker, immer ein Stück Traubenzucker in der Tasche haben. Das Ziel einer optimalen Diabetestherapie ist eine Verbesserung der Lebenserwartung und der Lebensqualität des Betroffenen sowie die Vermeidung von Komplikationen und Folgeerkrankungen.
Der Diabetes mellitus Typ I ist derzeit noch nicht heilbar. Er lässt sich jedoch sehr gut mit Insulin behandeln. Typ I Diabetiker sind jedoch lebenslang auf Insulininjektionen angewiesen. Nur wenn eine optimale Einstellung des Blutzuckers durch angepasste Insulinzufuhr und regelmäßige Blutzuckerkontrollen gewährleistet ist können sowohl gefährliche Entgleisungen des Stoffwechsels als auch gefürchtete Folgeschäden der Erkrankung verhindert werden.
Studien belegen, dass ein dauerhaft guter Blutzuckerspiegel das Risiko für Folgeschäden an den Augen und den Nerven um 60 bis 80 Prozent senkt. Bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz kann die Prognose durch eine Transplantation von Niere und Pankreas deutlich verbessert werden.
Letzte Aktualisierung am 10.09.2021.