Die Netzhautveränderung bei Diabetes mellitus (diabetische Retinopathie) ist eine Folgeerkrankung der Zuckerkrankheit, die sich an den Augen manifestiert. In Europa und den USA ist die diabetische Retinopathie die häufigste Erblindungsursache bei Menschen zwischen dem 20. und 65. Lebensjahr.
Etwa 90 Prozent der Typ I Diabetiker und 60 Prozent der Typ II Diabetiker erkranken nach 15 Jahren zumindest an einer milden Form der diabetischen Retinopathie. Die optimale Blutzuckereinstellung ist der beste Schutz vor dieser Erkrankung.
Eine diabetische Retinopathie entsteht auf dem Boden einer so genannten Mikroangiopathie. Bei der Mikroangiopathie sind die Wände der kleinen Blutgefäße durch einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel geschädigt. Patienten, die zusätzlich zur Zuckerkrankheit unter Bluthochdruck leiden, erhöhte Blutfette haben, oder Raucher sind, sind besonders gefährdet. Die Ablagerung von Zucker führt an den Gefäßen der Netzhaut des Auges zu Durchblutungsstörungen.
Die Netzhaut ist ein sehr feines Gebilde das durch die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren) mit versorgt wird. Eine optimale Versorgung mit Nährstoffen ist für eine funktionsfähige Netzhaut unerlässlich. Die Mangeldurchblutung des Auges bei Diabetikern kann somit zu Sehstörungen führen.
Man unterscheidet eine nicht-proliferative Phase im frühen Stadium der Retinopathie von einer proliferativen Phase, in der es aufgrund der Mangeldurchblutung zur Neubildung von Gefäßen im Bereich der Netzhaut kommt. Diese neuen Gefäße können auch in den Glaskörper und andere Schichten des Auges einwachsen.
Bei Gefäßneubildungen im Bereich der Regenbogenhaut (Rubeosis iridis) besteht die Gefahr eines akuten Winkelbogenglaukoms. Durch die Entstehung neuer Gefäße kommt es auch zu Einblutungen in den Augapfel, die der Betroffene als dunkle Wolken wahrnimmt. Daraus kann sich ein so genanntes Makulaödem bilden, bei dem der gelbe Fleck, die Stelle des schärfsten Sehens, aufquillt.
Diese Beeinträchtigung des gelben Fleckes kann das Sehvermögen in hohem Maße beeinträchtigen. Mit der Zeit bilden sich Narben im Bereich der Netzhaut, die beim Betroffenen die Sehstörungen noch verstärken. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Ablösung der Netzhaut, was beim Betroffenen zur Erblindung führt.
Die diabetische Retinopathie beginnt meist schleichend und wird von den Betroffenen zunächst nicht bemerkt. Im Verlauf der Erkrankung verschlechtert sich dann zunächst das Sehvermögen der Betroffenen.
Sie sehen Schatten oder Balken, die sich vor das Auge schieben und die Sicht versperren und nehmen Lichtblitze oder Rußregen wahr. Mit der können die Patienten nur noch verzerrte Bilder erkennen. Wenn die Erkrankung weiter fortschreitet kann sie bis zur Erblindung des Betroffenen führen.
Zusammenfassend kann man somit folgende Stadien der Retinopathie bei Diabetikern unterscheiden:
Für die Entscheidung zu einer möglichen Therapie der Retinopathie ist die Kenntnis der Erkrankungsphase von großer Bedeutung.
Da die diabetische Retinopathie im Anfangsstadium meist unbemerkt bleibt, ist es für Diabetiker unerlässlich, auch bei Beschwerdefreiheit regelmäßig einen Augenarzt aufzusuchen. Mindestens einmal pro Jahr sollte beim Augenarzt eine Spiegelung des Augenhintergrundes durchgeführt werden.
Nur durch diese Untersuchung kann die diabetische Retinopathie bereits in einem frühen Stadium diagnostiziert und somit rechtzeitig behandelt werden. Um zu überprüfen, ob eine Lasertherapie im Einzelfall geeignet ist um die Retinopathie noch aufzuhalten, kann der Augenarzt eine so genannte Fluoreszenzangiographie durchführen. So kann die Beschaffenheit der kleinen Gefäße im Bereich der Netzhaut genau dargestellt werden.
Eine Verschlechterung der Sehfähigkeit muss jedoch auch bei Diabetikern nicht zwangsläufig durch eine Mikroangiopathie verursacht sein. Besonders beim Vorliegen eines Makulaödems sollte der Arzt einen erhöhten intrakraniellen Druck sowie andere Erkrankungen des zentralen Nervensystems, wie eine Hirnhautentzündung, sicher ausgeschlossen haben. Auch eine Migräne oder ein Schlaganfall kann zu Sehstörungen führen.
Die Grundlage jeder Behandlung von Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus ist eine optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels. Nur so kann ein Voranschreiten der Spätfolgen gestoppt werden. Auch eine gute Blutdruckeinstellung sowie regelmäßige Kontrollen der Blutfettwerte wirken sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus.
Wird die diabetische Retinopathie rechtzeitig erkannt und befindet sich noch in der nicht-proliferativen Phase, kann sie unter Umständen mit einer Lasertherapie behandelt werden. Eine frühzeitige Lasertherapie kann das Auftreten von Komplikationen weitestgehend verhindert und das Fortschreiten der Erkrankung stoppen.
Auch das Makulaödem kann mithilfe einer Lasertherapie in der Regel gut behandelt werden. Ist eine Lasertherapie nicht mehr möglich, kann eine so genannte Kryokoagulation durchgeführt werden. Bei dieser Behandlungsmethode werden Bereiche der Netzhaut auf -70° abgekühlt. Die Wirkung entspricht etwa der der Laserbehandlung.
Bei Einblutungen in den Glaskörper oder drohender Netzhautablösung wird eine Vitrektomie durchgeführt. Dabei wird der gesamte Glaskörper operativ entfernt und durch ein Gasgemisch oder Silikongel ersetzt.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch den Augenarzt etwa einmal pro Jahr sind somit für Diabetiker unverzichtbar. Nur so kann die Erkrankung in einem Stadium erkannt werden, in dem sie noch therapierbar ist. Schwangere Diabetikerinnen sollten etwa alle drei bis fünf Monate eine Kontrolluntersuchung der Netzhaut durchführen lassen.
Bestehen bereits Netzhautveränderungen, sind engere Kontrollintervalle von zwei bis sechs Monaten notwendig. Um eine bessere Durchblutung der von der Mikroangiopathie betroffenen Organe zu erreichen, können zusätzlich so genannte Thrombozytenaggregationshemmer, wie ASS, verabreicht werden.
Bei Spätfolgen der Zuckerkrankheit, wie auch der diabetischen Retinopathie, hängt die Prognose der Betroffenen in hohem Maße von einer guten Einstellung des Blutzuckers und damit von der Mitarbeit des Patienten ab. Daneben spielt das Alter, in dem der Diabetes erstmalig aufgetreten ist, eine wichtige Rolle. Je früher sich die Zuckerkrankheit manifestiert, desto wahrscheinlicher ist mit Folgeerkrankungen zu rechnen.
So entwickeln nach 5-jähriger Diabetesdauer etwa 20 Prozent eine Retinopathie, während nach 15 bis 20 Jahren bereits bis zu 95 Prozent der Diabetiker zumindest leichte Schäden an der Netzhaut entwickelt haben. Eine proliferative Retinopathie haben nach 20-jähriger Diabetesdauer etwa 50 Prozent der Patienten. Jeder Einzelne kann jedoch seine Prognose entscheidend verbessern, wenn er auf ein optimales Körpergewicht, regelmäßige Bewegung und eine gesunde Ernährung achtet.
Letzte Aktualisierung am 07.10.2021.