Als Mikroangiopathie bezeichnet man eine krankhafte Veränderung der kleinen Blutgefäße (Arteriolen und Kapillaren). Die Bezeichnung Mikroangiopathie setzt sich aus den griechischen Begriffen „Mikro" = klein und „Angiopathie"= Gefäßerkrankung zusammen. Sie entsteht in der Regel durch einen dauerhaft hohen Blutzuckerspiegel bei Diabetikern.
Die Gefäße, die von der Mikroangiopathie betroffen sind so klein, dass sie mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Sie spielen jedoch für die Blutversorgung in den verschiedenen Organen und Geweben eine wichtige Rolle, da sie aufgrund ihrer zahlreichen Verzweigungen jede einzelne Zelle des Körpers erreichen. Von der diabetischen Mikroangiopathie sind Typ I und Typ II Diabetiker in gleichem Maße betroffen.
Die Mikroangiopathie ist in den meisten Fällen die Folge eines zu hohen Blutzuckerspiegels bei Diabetikern. Der Diabetes mellitus wurde bei den Betroffenen entweder zu spät erkannt oder war über lange Zeit schlecht eingestellt und nicht ausreichend behandelt. Die genauen Mechanismen, die zur Entstehung eines Mikroangiopathie führen, sind bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Die Forscher scheinen sich jedoch in dem Punkt sicher zu sein, dass die hohe Zuckerkonzentration im Blut mit der Zeit die Wände der haarfeinen Blutgefäße (Endothel) schädigt. Durch eine Ablagerung von Zuckermolekülen wird das Endothel immer dicker und brüchiger. Mit der Zeit entwickeln sich durch die Wandverdickung Durchblutungsstörungen. Diese betreffen in der Mehrzahl der Fälle die Augen (diabetische Retinopathie) und die Nieren (diabetische Nephropathie). Zusätzlich zur Erkrankung an Diabetes mellitus existieren weitere Risikofaktoren, die die Gefahr der Entstehung einer Mikroangiopathie erhöhen. Diese sind
Von einer Mikroangiopathie können zunächst alle Organe und Gewebe betroffen sein. Am häufigsten manifestiert sich diese Folgeerkrankung des Diabetes mellitus jedoch am Auge und an den Nieren. Eine Mikroangiopathie der Augen wird auch als Retinopathie bezeichnet. Hier sind die kleinen Blutgefäße in der Netzhaut des Auges betroffen, deren Gefäßwand sich aufgrund der Zuckerablagerungen langsam verdicken. Die Erkrankung beginnt meist schleichend und wird zu Beginn von den Betroffenen nicht bemerkt. Wird das Fortschreiten der Erkrankung nicht gestoppt, kann die diabetische Retinopathie im schlimmsten Falle zur Erblindung führen.
Manifestiert sich die Mikroangiopathie im Bereich der Nieren, wird sie als diabetische Nephropathie bezeichnet. Diese Erkrankung entwickelt sich schleichend und schreitet häufig über 10 bis 25 Jahre voran. Mit der Zeit entwickeln sich ein Bluthochdruck und eine zunehmende Ausscheidung von Eiweiß (Proteinurie). Die Leistung der Nieren nimmt immer weiter ab, was im schlimmsten Fall zur Nierenschwäche (Niereninsuffizenz) und zum absoluten Nierenversagen führen kann. Patienten mit einer diabetischen Nephropathie werden meist dialysepflichtig, da ihre Nieren bei fortschreitender Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, das Blut zu reinigen.
Auf dem Boden einer Mikroangiopathie kann sich mit der Zeit auch ein so genanntes Diabetisches Gangrän entwickeln. Als Gangrän wird abgestorbenes Gewebe bezeichnet, das nur sehr schwer zu behandeln ist. Es kommt vor allem an den Füßen vor und entsteht aufgrund der unzureichenden Gewebsdurchblutung bei der Mikroangiopathie. Charakteristisch ist die so genannte fleckige Gangrän mit Rötung der Haut und einer erhöhten Hauttemperatur. Diese kann für die Betroffenen sehr schmerzhaft sein. Unzureichendes Schuhwerk sowie Verletzungen und Druckstellen begünstigen die Entstehung eines Diabetischen Gangräns.
Um eine Mikroangiopathie zu erkennen, müssen die Organe, an denen sie sich manifestiert, regelmäßig untersucht werden. Dazu sollte sich jeder Diabetiker einmal pro Jahr beim Augenarzt vorstellen. Dieser führt eine Spiegelung des Augenhintergrundes durch und kann so eine diabetische Retinopathie bereits im Frühstadium diagnostizieren.
Eine diabetische Nephropathie wird meist anhand einer Urinuntersuchung diagnostiziert. Die Betroffenen scheiden bei Fortgeschrittener Nephropathie meist viel Eiweiß über die Niere aus (Proteinurie), deren Leistung durch die schlechte Durchblutung immer mehr abnimmt. Liegen neben der Proteinurie auch ein Bluthochdruck sowie eine Retinopathie vor, und besteht der Diabetes mellitus länger als 10 Jahre, gilt die Diagnose der diabetischen Nephropathie als praktisch gesichert. Um genauere Informationen über die Art und die genaue Lokalisation der Nierenschädigung zu erhalten, kann zusätzlich eine Probe (Biopsie) aus der Niere entnommen und untersucht werden.
Neben dem Diabetes mellitus können jedoch auch andere Erkrankungen, wie das Hämolytisch-Urämische Syndrom, Lupus erythematodes, Sklerodermie oder Plasmozytome eine Mikroangiopathie verursachen. Ist bei der Diagnose einer Mikroangiopathie eine Zuckerkrankheit noch nicht bekannt, sollten andere Auslöser für die Schädigung der Kapillaren in jedem Fall ausgeschlossen werden.
Um eine Mikroangiopathie erfolgreich behandeln zu können, ist eine frühzeitige Diagnose und ein rechtzeitiger Therapiebeginn erforderlich. Jeder Diabetiker sollte deshalb seine Augen mindestens einmal pro Jahr von einem Augenarzt untersuchen lassen. Wird eine Retinopathie bereits in einem frühen Stadium erkannt, kann sie durch eine Laser-Therapie behandelt werden.
Im Falle eines Diabetischen Gangräns muss zunächst auf eine Druckentlastung der betroffenen Extremität geachtet werden. Enge Schuhe, drückende Socken und zirkuläre Verbände sollten die Betroffenen vermeiden. Oft ist im fortgeschrittenen Stadium des diabetischen Gangräns aufgrund der schlechten Wundheilung bei Diabetikern ein großzügiges chirurgisches Ausschneiden der Wunde unumgänglich. Nicht selten ist auch eine Amputation des betroffenen Fußes notwendig. Diabetiker müssen deshalb in jedem Fall auf eine fachgerechte Fußpflege achten, um einem diabetischen Gangrän vorzubeugen.
Besteht der Verdacht einer Mikroangiopathie oder ist ein Patient besonders gefährdet diese zu entwickeln, kann die Durchblutung durch die Gabe von so genannten Thrombozytenaggregationshemmern, wie ASS, verbessert werden. Außerdem ist in der Therapie der Folgeerkrankungen von Diabetes mellitus eines gute Blutzuckereinstellung unerlässlich.
Eine bereits bestehende Mikroangiopathie kann in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine langfristig gute Einstellung des Blutzuckerspiegels kann jedoch das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder sogar aufhalten.
aktualisiert am 10.09.2021