Das Wort Migräne kommt aus dem Griechischen und bedeutet „halber Schädel". Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die in der Regel anfallsartig, periodisch und pulsierend auftritt. Die Schmerzen sind typischerweise auf eine Kopfhälfte begrenzt, können jedoch während einer Attacke auch die Seite wechseln. Einige der Patienten verspüren den Schmerz aber ebenfalls über den gesamten Kopf. Die Migräneattacke wird oft mit Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit begleitet.
In Deutschland leiden etwa zehn Millionen Menschen an Migräne. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Etwa 12 bis 14 Prozent der Frauen und 6 bis 8 Prozent der Männer erleiden im Jahr mindestens eine Migräneattacke (nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, DMKG). Die Migräne tritt meist zum ersten Mal während der Pubertät auf, im Alter zwischen 10 und 19 Jahren. Sie kann sich über die Jahre hinweg bessern und zum Teil ganz verschwinden oder aber sich stärker ausbilden.
Es gibt zwei Hauptformen der Migräne, die Migräne mit Aura oder die Migräne ohne Aura. 85 Prozent der Migränepatienten leiden unter der Migräne ohne Aura, die man früher auch „einfache Migräne" nannte. Migräne mit Aura ist mit zusätzlichen neurologischen Ausfallserscheinungen gekennzeichnet.
Laut der Beschreibung der IHS ( International Headache Society) werden Menschen mit Migräne erst dann als Migräniker bezeichnet, wenn sie in ihrem Leben mindestens zwei Migräneattacken mit Aura oder fünf Attacken ohne Aura durchlebt haben.
Migräne kann auch mit anderen Kopfschmerzen kombiniert auftreten, die man aber getrennt behandeln sollte. Man beobachtet am häufigsten die Kombination mit episodischen oder chronischen Spannungskopfschmerzen, selten auch mit Cluster-Kopfschmerzen.
Die Ursachen für die Entstehung der Migräne sind bislang nicht definitiv geklärt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass eine Gefäßerweiterung und örtlich begrenzte Entzündungen an den Nervenzellen, die Entstehung der Migräne begünstigen. Mechanismen die zur Migräne führen, betreffen sowohl die Hirnnerven als auch die Zentren im Hirnstamm und Mittelhirn.
Migräne wird als eine komplexe biologische Funktionsstörung der Gehirns aufgefasst, die sich folgendermaßen auswirken kann:
Auch autonome Zentren im Hirnstamm und Mittelhirn sind offenbar gestört.
Des weiteren beobachtete man verschiedene organische Prozesse mit einer erblichen Veranlagung für diese Erkrankung. Allein die Tatsache, dass die Vererbung bei der Migräne eine wichtige Rolle spielt, macht deutlich, dass die Krankheit selbst nicht heilbar ist.
Bei der Schmerzentstehung spielt der Trigeminusnerv (Hirnnerv) eine zentrale Rolle. Während eines Migräneanfalls wird das Gefäßsystem des Hirnnervs (Trigeminus-System) aktiviert und die Schmerzsignale weitergeleitet. Warum es zu dieser Aktivierung kommt ist bislang nicht geklärt. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass während einer Migräneattacke ein Zentrum im Hirnstamm vermehrt durchblutet wird. Es wird angenommen, dass die erhöhte Aktivität des Hirnstamms die Ursache der Schmerzentstehung ist und nicht eine Folge der Kopfschmerzen.
Eine übermäßige Ausschüttung von Botenstoffen führt zu einer Explosion im Gehirn. Der Botenstoff Serotonin nimmt hier eine Schlüsselrolle an, da der Serotoninspiegel sich in Abhängigkeit der Migräneattacke und Migräneintervall deutlich verändert. Serotonin bewirkt eine Erweiterung und erhöhte Durchlässigkeit der Gefäße. Geringe Mengen von Gewebsflüssigkeit treten in das umgebende Gewebe ein und bewirken eine minimale vorübergehende Schwellung. Die Schwellung drückt auf die Nerven und verursacht die typischen Migräneschmerzen.
Bei einer speziellen Form der Migräne, die familiäre hemiplegische Migräne, konnte man bislang drei Gendefekte auf den Chromosomen 1-19 identifizieren. Diese Migräneform ist selten und wird dominant vererbt. Während einer Migräneattacke wird sie von neurologischen Ausfällen bis hin zur teilweisen Lähmung (Hemiplegie) begleitet. Ob genetische Defekte auch bei anderen Formen der Migräne eine Rolle spielen, ist noch unklar.
Auslöser einer Migräneattacke dürfen mit der Ursache der Erkrankung nicht verwechselt werden, zu den wichtigsten Auslösern, den so genannten Triggern, gehören:
Ein Migräneanfall verläuft klassischerweise in vier Phasen, die aber nicht von allen Patienten vollständig durchlaufen werden müssen.
Für die Diagnosestellung der Migräne ist das ärztliche Gespräch und die ausführliche Erhebung der Krankengeschichte von großer Bedeutung. Der Arzt kann allein durch die Anamnese in vielen Fällen bereits feststellen, um welche Art von Kopfschmerzen es sich beim Patienten handelt. Eine genaue Beschreibung der Schmerzen mit ihren Begleiterscheinungen (Symptome) wie Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, sind wegweisend und erleichtern die Diagnosestellung für den Arzt, da die Symptome zum Teil spezifisch für Migräneattacken sind (wodurch, wie, wo, wie oft, wie lange?). Auch das führen eines Kopfschmerztagebuches ist hier besonders hilfreich.
Im EEG ( Elektroeonzephalogram) können unspezifische Hirnfunktionsstörungen beobachtet werden oder aber keine pathologischen Auffälligkeiten auftreten. Daher sind aufwendige Spezialuntersuchungen meist nicht erforderlich. Kopfschmerzen treten auch oft als Begleitsymptom verschiedener Erkrankungen auf, deshalb sollte man bei Verdacht auf Vorliegen einer anderen Krankheit eine neurologische Untersuchung durchführen. Ist die neurologische Untersuchung auffällig, können weitere Verfahren zum Einsatz kommen, um die Verdachtsdiagnosen zu bestätigen oder auszuschließen.
Migräneähnliche Kopfschmerzen können auch Anzeichen anderer Krankheiten sein. Um diese auszuschließen wird in erster Linie eine neurologische Untersuchung durchgeführt und die Reflexe überprüft. Mögliche Krankheitsursachen mit ähnlichen Symptomen können sein:
Die Migräne ist nicht innerhalb kurzer Zeit zu behandeln. Je nachdem, wie stark eine Migräneattacke verläuft, kann man sie unterschiedlich behandeln.
Nach Sicht der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) kann man bei leichten bis mittelschweren Migräneattacken rezeptfreie Schmerzmittel einnehmen. Empfohlen wird hier die gut wirksame Dreier-Kombination aus Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol und Koffein. Der Erfolg dieser Kombination wurde in der weltweit größten Studie zur Wirksamkeit von Schmerzmitteln in der Selbstmedikation belegt. Durch diese Kombination verstärken sich die Effekte der Einzelsubstanzen. Koffein unterstützt zudem die rasche Aufnahme in den Körper. Aus diesem Grund kann man die Dosis minimieren und somit auch die Nebenwirkungen der Einzelpräparate gering halten. Als Begleitmedikation sollte man immer zusätzlich noch Mittel gegen Erbrechen einnehmen.
Zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Migräneattacken empfiehlt die DMKG in erster Linie Serotonin-Agonsiten, die so genannten Triptane. Triptane weisen die gleiche Wirkung wie das körpereigene Serotonin auf.
Wirkmechanismus der Triptane:
Bei einer akut einsetzenden Migräneattacke weisen die Triptane die beste Wirksamkeit auf, auch wenn die Schmerzen bereits eingesetzt haben. Gleichzeitig mindern sie Übelkeit und Erbrechen. Zur Migränebehandlung stehen sieben verschiedene Wirkstoffe aus der Klasse der Triptane zur Verfügung. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkform und Wirkungseintritt.
Rizatriptan, Almotriptan und Eletriptan gehören zur Gruppe der schnell und stark wirksamen Präparate, der Schmerz nimmt innerhalb von 2 Stunden in ihrer Intensität stark ab. Die Wirkung von Naratriptan und Frovatriptan tritt etwas später ein, sie sind zwar schwächer dosiert, aber dafür lang anhaltend und haben wenige Nebenwirkungen (passieren die Blut-Hirn-Schranke, haben dadurch eine lange Halbwertszeit). Bei lang anhaltenden Attacken und regelmäßigen Wiederkehrkopfschmerzen sind sie daher gut geeignet. Sumatriptan und Zolmitriptan werden aufgrund ihrer Wirkweise in der Mitte eingeordnet. Triptane sind in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich und zwar als Tablette, Zäpfchen, Nasenspray, Spritze und Schmelztablette.
Jedem Migränepatienten ist weiterhin eine Prophylaxe zu empfehlen um starke unerträgliche Migräneattacken vorzubeugen. Hierzu stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, deren Wirkung aber erst nach Wochen eintritt und etwas Geduld erfordert. Zur Vorbeugung werden durch die DMKG empfohlen:
Neben der Medikamenteneinnahme sind auch andere Maßnahmen sinnvoll. Der Patient braucht Ruhe und Schlaf, am besten in einem abgedunkelten Raum, fern von Licht und Lärm. Kalte Kompressen und Entspannungsübungen können auch hilfreich sein.
Migräne ist eine chronische nicht heilbare Erkrankung, die aber bei individueller Therapie gut behandelt werden kann. Migränepatienten sind durch ihre Krankheit oftmals stark eingeschränkt, der Alltag ist bei Anfällen kaum noch zu bewältigen. Eine Migräneprophylaxe ist hier sehr sinnvoll, weil dadurch die Häufigkeit der Anfälle, ihre Stärke und Dauer gesenkt werden können.
Die medikamentöse Prophylaxe sollte am besten mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen kombiniert werden, um einen besseren Erfolg zu erzielen. Mit Ausdauertraining (Schwimmen, Jogging), gezielter Entspannung (Lockerungsübungen, Atemübungen) und Verhaltensänderungen (regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, Vermeidung von Druck und Stress) kann erreicht werden, dass Migräneanfälle seltener auftreten und nicht mehr sehr schwer verlaufen.
Letzte Aktualisierung am 25.06.2021.