Der Hoden besteht zum großen Teil aus kleinen Kanälchen, in denen Spermien produziert werden. Die Spermien wandern dann in diesen Kanälchen weiter und differenzieren sich dabei vollständig. Bevor sie in den Samenkanal eintreten, müssen sie den Nebenhoden passieren, der dem Hoden direkt anliegt und eine gewundene Röhre darstellt. Hier durchlaufen die Spermien in 80 Tagen noch einmal letzte Differenzierungsschritte.
Durch verschiedene Ursachen kann es nun zur Entzündung von Hoden oder Nebenhoden kommen. Häufiger ist die Nebenhodenentzündung, doch sowohl Ursachen als auch Symptome ähneln sich stark.
Die Hodenentzündung (Orchitis) entsteht vor allem nach der Pubertät, die Nebenhodenentzündung (Epididymitis) tritt vermehrt in hohem Alter auf.
Als Hauptauslöser für die Hoden- und die Nebenhodenentzündung gelten Bakterien und Viren. Dabei gibt es verschiedene Arten, die diese Erkrankungen besonders häufig auslösen. Meist bestehen dabei auch noch andere Krankheiten gleichzeitig.
Das Mumpsvirus aus der Familie der Rubulaviren ist der häufigste Auslöser für Orchitis oder Epididymitis. Das Mumpsvirus wird über Tröpfcheninfektion weitergegeben und verursacht primär eine Schwellung der Ohrspeicheldrüse, was der Erkrankung auch den Namen „Ziegenpeter" eingebracht hat. Ungefähr fünf bis acht Tage nach Krankheitsausbruch kommt es dann bei jedem dritten erkrankten Erwachsenen zur Epididymitis oder, in selteneren Fällen, zur Orchitis. Der Grund hierfür ist eine Streuung der Viren von der Ohrspeicheldrüse in die Blutbahn, worüber dann Hoden und Nebenhoden erreicht werden können.
Die Coxsackie-Viren (benannt nach der Stadt Coxsackie im Bundesstaat New York) verursachen eine Vielzahl von Krankheiten. Sie können die Sommergrippe, Augeninfektionen und jugendlichen Diabetes auslösen. Auch die Infektion des Hodens und des Nebenhodens gehören zum Krankheitsspektrum dieser Viren.
Auch die Viren der Herpesfamilie können eine Komplikation im Hoden- oder Nebenhodenbereich auslösen. Besonders prägnant ist hierbei, dass Herpesviren häufig schon in der Kindheit übertragen werden und fast 90% aller Erwachsenen Träger dieser Viren sind. Zum Ausbruch der Krankheit kommt es dann in bestimmten Situationen (geschwächtes Immunsystem, Stress).
Seltener sind Bakterien der Auslöser für die beiden Krankheitsbilder. Hierbei spielt vor allem der sexuelle Übertragungswegsweg eine große Rolle. Die Bakterien gelangen über die Harnröhre in den Samenleiter und „steigen" dann auf, bis sie den Nebenhoden erreichen. Haupterreger sind hierbei Chlamydien oder der Erreger der Tripper-Infektion Neisseria gonorrhoea.
Hoden und Nebenhoden sind gut durchblutete und sehr gut innervierte (mit Nerven versehene) Strukturen. Deshalb treten die Symptome heftig und schnell auf.
Durch die Infektion werden Immunzellen angelockt, die verschiedene Stoffe ausschütten. Diese Stoffe erhöhen die Durchblutung und die Durchlässigkeit der Gefäße, um vermehrt Immunzellen in das Gewebe austreten zu lassen. Dabei wird auch Wasser ins Gewebe gedrückt, das dann die Schwellung auslöst. Die Rötung erscheint durch die erhöhte Durchblutung.
Der Hoden ist eine sehr druckempfindliche Struktur. Im Hodensack steht nur begrenzter Platz zur Verfügung. Durch die Schwellung wird großer Druck auf den Hoden ausgeübt, gleichzeitig sensibilisiert die Entzündung Schmerzfasern im Hoden (er wird noch empfindlicher). Der Schmerz kann so stark werden, dass eine Untersuchung nur mit Betäubung möglich wird.
Durch die Entzündung werden sowohl Spermienzahl als auch
-geschwindigkeit vermindert. Es entsteht also eine meist vorübergehende Einschränkung der Fruchtbarkeit.
Unter Umständen kann es zu Problemen beim Wasserlassen kommen, was häufig durch eine Vergrößerung der Prostata ausgelöst wird. Diese Vergrößerung ist eine Begleiterscheinung der Entzündung. Gelegentlich verbleibt Restharn in der Blase, der dann häufiges Wasserlassen (auch nachts) auslöst.
Orchitis und Epididymitis lösen auch im ganzen Körper Reaktionen aus. Die Entzündungsstoffe, die von Immunzellen gebildet werden, können durch das Blut in verschiedene Gewebe gelangen. Gelangen sie ins Gehirn, lösen sie eine Temperaturerhöhung im ganzen Körper aus (Fieber). Das Fieber kann sehr hoch werden, was dann separat behandelt werden muss.
Sie muss bei starken Schmerzen unter Betäubung durchgeführt werden. Meist kann eine Entzündung schon allein durch einen Blick diagnostiziert werden (starke Schwellung und Rötung), doch der Arzt muss abklären, ob nicht auch andere Erkrankungen beteiligt sind oder die Entzündung ausgelöst haben (Hodenkrebs, Hodentorsion).
Die Befragung des Patienten zielt vor allem darauf ab, zu erfahren, ob eine Mumpsinfektion abgelaufen ist. Es kann nämlich sein, dass die typischen Mumps-Symptome (geschwollene Ohrspeicheldrüse) zum Zeitpunkt der Orchitis oder Epididymitis schon abgeklungen und nicht mehr erkennbar sind.
Die Ultraschalldiagnostik dient in diesem Fall dazu, das Ausmaß der Entzündung zu bestimmen und eventuell andere betroffene Strukturen zu erkennen.
Im Blut können verschiedene erhöhte Entzündungsparameter wie CRP (C-reaktives Protein) festgestellt werden. In manchen Fällen ist es sogar möglich, den Erreger direkt aus dem Blut zu isolieren.
Der Mittelstrahlurin gibt Aufschluss über Erreger, die nicht über das Blut übertragen wurden. Hierbei können vor allem Bakterien erkannt werden. Auch eine begleitende Entzündung der Harnröhre kann hierdurch ausgeschlossen werden.
Die Hoden- oder Nebenhodenentzündung muss klar gegen zwei ähnliche Erkrankungen abgegrenzt werden.
Eine Verdrehung des Hodens und des Samenstrangs ist ein Zustand, der eine schnelle operative Versorgung benötigt, um ein Absterben des Hodens aufgrund von Blutunterversorgung zu verhindern. Besteht die Torsion schon länger, kommt es zu Schwellung und Schmerzen, den Hauptsymptomen der Entzündung. Der Arzt muss per Tastuntersuchung oder Ultraschall unbedingt eine klare Entscheidung treffen, da diese die weitere Therapie bestimmt.
Beim Hodenkrebs besteht meist zuerst eine Schwellung, bevor es in manchen Fällen zur Schmerzsymptomatik kommt. Im Gegensatz zur Torsion und zur Entzündung ist die Schwellung meist nicht gleichmäßig verteilt und beim Abtasten kann meist ein separater Tumor am Hoden entdeckt werden.
Die Hoden- oder Nebenhodenentzündung heilt normalerweise von selbst wieder ab. Die Behandlung soll vor allem unterstützend wirken und Folgeschäden vermeiden.
Wichtig sind vor allem Bettruhe und Kühlung des Hodens, um die Schwellung zu lindern. Außerdem kann ein Hodenbänkchen verwendet werden. Hierbei handelt es sich um eine Erhöhung, wie z.B. ein kleines Kissen. Durch die Hochlagerung wird der Blutfluss in den Hoden vermindert und der Abfluss der Flüssigkeit aus dem Hoden verbessert.
Die erste Maßnahme des Arztes bei starken Schmerzen kann die Injektion eines Lokalanästhetikums (Betäubungsmittel) in den Samenstrang sein, um die Schmerzen zu lindern. Im weiteren Verlauf kann dann mit handelsüblichen Schmerzmitteln gearbeitet werden, wie Diclofenac oder Acetylsalicylsäure. Außerdem ist in jedem Fall eine Antibiotikatherapie gerechtfertigt, um eine zusätzliche bakterielle Infektion (bakterielle Superinfektion) zu verhindern. Wurde die Entzündung durch Viren verursacht (Mumps-Viren), müssen zusätzlich Virostatika gegeben werden, um die Ausbreitung der Viren zu verhindern.
In manchen Fällen ist es nötig, einen suprapubischen Blasenkatheter zu legen, vor allem wenn durch die Ultraschalluntersuchung eine größere Menge Restharn festgestellt wurde. Dann wird unter lokaler Betäubung eine Nadel von vorne über die Haut des Unterbauchs in die Blase eingeführt.
Die Symptome klingen unter Behandlung normalerweise schnell wieder ab. Allerdings können eine Verlangsamung der Spermien und eine verminderte Spermienzahl über Monate hinweg bestehen bleiben. In einigen Fällen (zwei bis drei Prozent der durch Mumps ausgelösten Fälle) kommt es zu dauerhafter Unfruchtbarkeit.
Wenn keine Behandlung erfolgt, kann die Entzündung chronisch werden.
Letzte Aktualisierung am 17.08.2021.