Das Ulcus molle ist eine Geschlechtskrankheit und betrifft deshalb hauptsächlich den Genitalbereich. Es handelt sich dabei um ein Geschwür im Genitalbereich, das durch ein bestimmtes Bakterium (Haemophilus ducreyi) ausgelöst wird. Im Gegensatz zum Ulcus durum („harter Schanker"), das bei Infektionen mit Treponema pallidum subspecies pallidum (Erreger der Syphilis) auftritt, wird das Ulcus molle im deutschen Sprachraum auch als „weicher Schanker" bezeichnet. Das Ulcus molle gehört zu den meldepflichtigen Geschlechtskrankheiten, genau wie Syphilis, Lymphgranuloma inguinale und die Tripper-Erkrankung. Sie betrifft am häufigsten unbeschnittene Männer, tritt aber hauptsächlich in wärmeren Breitengraden auf (Afrika, Südamerika).
Der Auslöser für dieses Krankheitsbild ist das Bakterium Haemophilus ducreyi. Es wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer infizierten Person übertragen. Das ist nahezu der einzige Übertragungsweg, da das Bakterium sehr empfindlich auf Umwelteinflüsse wie Temperaturschwankungen, Nässe und hohe UV-Strahlung reagiert. Auch eine Übertragung durch Blutkontakte (z.B. Bluttransfusionen) ist unwahrscheinlich, da das Bakterium nach Eintritt in die Genitalschleimhaut meist nur über die regionalen Lymphbahnen verbreitet wird und diese keinen direkten Kontakt zur Blutbahn haben. Die Infektion wird durch verschiedene Faktoren begünstigt.
Durch häufigen ungeschützten Geschlechtsverkehr wird das Risiko, an einer sexuell übertragenen Krankheit zu erkranken stark erhöht. Das gilt vor allem dann, wenn die Sexpartner aus den erwähnten wärmeren Regionen stammen oder eine Reise in diese Länder unternommen hat.
Der Eintritt der Erreger in die Lymphbahn wird durch ein schwaches Immunsystem unterstützt. Gründe für die Schwächung sind beispielsweise bereits bestehende Geschlechtskrankheiten (Tripper, HIV, Syphilis) oder die Einnahme von Immunsuppressiva (Medikamente, die das Abwehrsystem teilweise unterdrücken).
Die ersten Beschwerden treten meist wenige Tage nach der Übertragung (dem ungeschützten Geschlechtsverkehr) auf. Zuerst kommt es zur Ausbildung kleiner Blasen zwischen Vorhaut und Eichel, die meist schon Grund genug sind, einen Arzt aufzusuchen. Diese Blasen entwickeln sich unbehandelt weiter zu Geschwüren, die oft durch überhängende Randstrukturen begrenzt sind. Die Geschwüre können bis zu mehrere Zentimeter groß werden und schmerzen vor allem, wenn sie mit Urin in Kontakt kommen. Sie brechen bei Berührung oder Zugbelastungen leicht auf und bluten dann. Nach einigen Wochen können diese Geschwüre von selbst abheilen, der Erreger verbleibt jedoch dann im Körper und kann andere Schleimhäute befallen (Autoinokulation).
Ein weiteres Symptom dieser Erkrankung sind die zum Teil stark geschwollenen Leistenlymphknoten. Die Infektion kann hier so stark wüten, dass die Lymphknoten durch die entzündete Haut brechen und eitern.
Unter Umständen kommt es, vor allem wenn die Krankheit nicht behandelt wurde, zur Urethritis (Harnröhrenentzündung) oder zu Phimose (Vorhautverengung).
Die Diagnose wird primär durch einen Blick auf die Symptome gestellt, da diese sehr charakteristisch sind. Weiterführend kann dann noch eine Biopsie (Gewebeentnahme mit anschließender Untersuchung) durchgeführt werden. Hierzu wird vor allem infiziertes Gewebe aus den Geschwüren oder betroffenen Lymphknoten entnommen. Mit den Erregern, die dabei gewonnen werden, kann dann auch noch (nach Anzucht) ein Antibiogramm erstellt werden. Hierzu werden verschiedene Bakterienkolonien auf einem Nährboden verteilt und dann abschnittsweise mit verschiedenen Antibiotikaarten behandelt. Dabei kann erkannt werden, auf welches Antibiotikum der betreffende Haemophilus-Stamm besonders sensibel reagiert. Dieses Mittel wird dann verwendet.
Ergänzend sollte der Patient auch immer noch auf Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten getestet werden. Da der Übertragungsweg hier auch vor allem der ungeschützte Geschlechtsverkehr ist, kann eine zusätzliche Infektion nicht ausgeschlossen werden.
Das Ulcus molle ist eine relativ eindeutige Diagnose. Es gibt jedoch trotzdem einige Erkrankungen, die ähnliche Symptome hervorrufen können.
Die Syphilis wird in drei aufeinander folgende Stadien eingeteilt. Das erste Stadium wird durch eine Hauterscheinung charakterisiert, die als Ulcus durum (harter Schanker) bezeichnet wird. Im Gegensatz zum Ulcus molle ist das Ulcus durum erhaben, schmerzlos und vor allem verhärtet.
Bei dieser Erkrankung sind die Körperzellen nicht in der Lage, genug Zucker aufzunehmen. Dadurch zirkuliert mehr Zucker im Blut, das bedeutet, dass der Blutzuckerspiegel über eine lange Zeit stark erhöht ist. Dieses erhöhte Zuckerangebot im Gefäßsystem löst einen Verschluss kleinerer Gefäße aus. Das nachfolgende Gewebe stirbt ab und es entstehen Geschwüre. Ist dies im Bereich der Eichel der Fall, kann diese Krankheit unter Umständen mit einem Ulcus molle verwechselt werden. Daher sollte unter anderem eine Blutzuckermessung durchgeführt werden.
Seit Entdeckung des Penicillins und aller folgenden Antibiotikaarten ist die Behandlung des Ulcus molle sehr einfach durchzuführen. Vor der Gabe eines bestimmten Antibiotikums sollte ein Antibiogramm erstellt werden, um die Wirksamkeit des Mittels zu gewährleisten. Haemophilus ducreyi hat über die Jahre hinweg vor allem Resistenzen gegen Penicillin und Sulfonamide gebildet. Jedoch sind nicht alle Stämme von Haemophilus resistent, deswegen sollten immer diejenigen Antibiotika verwendet werden, die der Patient am besten verträgt. Nach Antibiotika-Einnahme sterben die Bakterien relativ schnell ab und die Geschwüre verheilen meist vollständig innerhalb weniger Wochen. Diese Heilung kann auch durch verschiedene Salben unterstützt werden, meist ist das jedoch nicht nötig. Bis zur vollständigen Heilung sollte auf Sex vollkommen verzichtet werden, um keine weiteren Menschen anzustecken. Alle Sexualpartner seit Infektionsbeginn sollten benachrichtigt und gegebenenfalls untersucht werden, um eine schnelle Behandlung zu vollziehen und eine epidemische Ausbreitung zu verhindern.
Ungefähr zwei Wochen nach Behandlungsbeginn sollte eine Nachuntersuchung durchgeführt werden, um den Therapieerfolg zu kontrollieren.
Die Aussichten auf Heilung stehen für diese Krankheit sehr gut. Sie verursacht schon relativ früh Beschwerden, die einen Arztbesuch erzwingen. Deshalb kann die Erkrankung meist schon früh behandelt werden. Da Haemophilus ducreyi sehr gut auf verschiedene Antibiotika anspricht, ist eine schnelle und folgenlose Heilung sehr häufig.
Letzte Aktualisierung am 27.08.2021.