Eine Gelbsucht (medizinisch: Ikterus) ist leicht zu erkennen: Das Weiße in den Augen verfärbt sich gelb und auch die Haut nimmt einen gelblichen Ton an. Noch immer wird die Gelbsucht in der Bevölkerung mit einer ansteckenden Hepatitis, einer Leberentzündung, in einen Topf geworfen. Tatsächlich steckt zwar häufig eine Fehlfunktion der Leber und somit manchmal eine Hepatitis hinter einer Gelbsucht, aber auch andere Faktoren können eine Gelbsucht auslösen. Zudem sind viele Formen der Hepatitis gar nicht ansteckend. Damit ist die Gelbsucht nicht die eigentliche Erkrankung, sondern die Gelbfärbung ist ein Symptom, das auf verschiedene Krankheiten hinweist.
Das Blut im menschlichen Körper erneuert sich beständig. Blutkörperchen besitzen eine begrenzte Lebensdauer und neue Blutzellen werden permanent gebildet. Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) leben ungefähr 120 Tage, bis sie in Leber und Milz abgebaut werden. Bei diesem Abbauprozess entsteht das sogenannte Bilirubin. Täglich werden auf diese Weise ungefähr 300 Milligramm Bilirubin im menschlichen Organismus gebildet. Das so freigesetzte Bilirubin bindet sich an Eiweiße im Blut und gelangt durch den Blutkreislauf in die Leber. Dort wird es weiterverarbeitet und mit der Gallenflüssigkeit in den Darm geleitet und von dort ausgeschieden. Geringe Anteile werden auch über die Nieren mit dem Harn abgesetzt. Wenn die Leber nicht richtig arbeitet, erhöht sich der Anteil, der mit dem Urin ausgeschieden wird.
Zur Gelbfärbung von Haut, Schleimhäuten und Lederhaut des Auges kommt es dann, wenn das Bilirubin nicht mehr komplett ausgeschieden wird und sich im Körper sammelt. Bei geringfügig erhöhten Bilirubinwerten kommt es jedoch oft noch nicht zu einer Gelbfärbung.
Je nachdem, wo die Störung entsteht, unterscheidet man drei Formen der Gelbsucht:
Die Ursache liegt vor der Leber. Diese Form wird auch als hämolytischer Ikterus bezeichnet. Unter Hämolyse versteht man die Auflösung der roten Blutkörperchen. Bei einem hämolytischen Ikterus findet dieser Vorgang, der sich normalerweise in der Leber vollzieht, vorzeitig und außerhalb der Leber statt. Die Ursachen dafür können zahlreich sein: Erblich bedingte Blutkrankheiten oder Überreaktionen des Immunsystems können ebenso dahinter stecken wie schwere Infektionen, Malaria, Bluttransfusionen oder sogar eine mechanische Herzklappe. Bei einem hämolytischen Ikterus sind sowohl Stuhl als auch Urin dunkel verfärbt.
Hier liegt die Ursache in der Leber. Die Leber übernimmt vielfältige und wichtige Aufgaben im menschlichen Organismus, indem sie für die Entgiftung verantwortlich ist und Galle für die Verdauung produziert. Wird die Leber geschädigt – am häufigsten geschieht dies durch Alkoholmissbrauch –, ist ihre Funktion eingeschränkt. Neben Alkohol können Medikamente der Leber schaden. Ferner können Virusinfektionen wie Hepatitis oder eine sogenannte Autoimmunhepatitis die Leber schädigen und auch eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche) kann die Leber überlasten. Eine Leberzirrhose und Leberversagen gehen ebenfalls mit einem Ikterus einher. Die Symptome einer Lebererkrankung sind ebenso vielfältig wie unspezifisch. Sie reichen von Müdigkeit über Übelkeit bis hin zu Gewichtsverlust und Fieber. Schmerzen macht eine kranke Leber nur selten.
Die Ursache liegt hinter der Leber. Auslöser sind meist Gallensteine, die den Gallengang blockieren. Das in der Leber freigesetzte Bilirubin kann nicht aus der Galle in den Darm abfließen. Man spricht dann von einem Verschlussikterus oder einer Cholestase (Gallenaufstau). Gallensteine kommen häufig vor. Sie machen sich durch kolikartige Schmerzen und Übelkeit, häufig in Zusammenhang mit fettem Essen, bemerkbar. Häufig treten jedoch über längere Zeit keine Beschwerden auf. Werden Gallensteine bei einer Ultraschalluntersuchung diagnostiziert, sollten sie zertrümmert oder entfernt werden, um Folgeschäden wie zum Beispiel einen Verschlussikterus zu verhindern. Hat ein Stein den Gallengang bereits blockiert, muss dieser operativ oder im Rahmen der ERCP-Untersuchung beseitigt werden.
Eine Sonderform ist der sogenannte idiopathische Schwangerschaftsikterus, der im letzten Drittel der Schwangerschaft auftreten kann. Die Ursachen sind ungeklärt. Für die Mutter ist dies ungefährlich. Der Geburtstermin kann dadurch manchmal etwas verfrüht eintreten.
Die Symptome des posthepatischen Ikterus gehen vor allem auf den Gallenstau zurück. Dieser kann heftigen Juckreiz auslösen. Der Urin kann sehr dunkel sein und der Stuhl sehr hell. Fettstühle treten auf, weil Nahrungsfette nicht ausreichend verarbeitet werden können.
Über die Hälfte aller Neugeborenen entwickelt einen sogenannten physiologischen Ikterus. Die Leber arbeitet noch nicht in ihrer Gänze. Der kleine Organismus hat Mühe, das Hämoglobin aus der Zeit vor der Geburt (fetales Hämoglobin), das abgebaut wird, vollumfänglich auszuscheiden. In den meisten Fällen ist die Störung harmlos und klingt von selbst wieder ab.
Neben den oben genannten Ursachen kann auch eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, wie zum Beispiel eine Bauchspeicheldrüsenentzündung oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, die Ursache für eine Gelbsucht sein.
Zahlreiche seltene genetische Störungen können für eine Gelbsucht verantwortlich sein. So sorgt eine Erkrankung namens Morbus Meulengracht (auch: Gilbert-Syndrom) dafür, dass der Bilirubinspiegel stetig leicht erhöht ist und so ein chronischer Ikterus besteht. Da es durch die wenig erhöhten Werte meist lediglich zu einer Gelbfärbung der Augen kommt und die Störung ansonsten keinen Krankheitswert hat, wird sie normalerweise nicht behandelt. Zu den weiteren seltenen Erbkrankheiten, die eine Gelbsucht auslösen können, gehören das Dubin-Johnson-Syndrom und das Rotor-Syndrom.
Bei der Erkrankung Mukoviszidose sind die Drüsensekrete zähflüssiger als normal, sodass sich auch Leber und Gallenwege leicht verstopfen können, was dann zu einer Gelbsucht führt.
Pilzvergiftungen, Parasiten, Abszesse oder Zysten können die Funktion der Leber beeinträchtigen und zu einer Gelbsucht führen. Die Gründe für eine Gelbsucht sind so zahlreich, dass sie hier nur auszugsweise erwähnt werden können. Wer bei sich eine Gelbfärbung im Auge oder auf der Haut feststellt, muss den Arzt aufsuchen, um den Ursachen auf den Grund zu gehen.
Als erstes Symptom einer Gelbsucht färbt sich die weiße Haut im Auge gelb. Im weiteren Verlauf verfärben sich die Schleimhäute und die Haut am ganzen Körper gelblich. Mit steigendem Bilirubinspiegel kann sich der Harn dunkelbraun verfärben (Bilirubinurie) und der Stuhl kann hell bis weiß sein. Dann tritt häufig auch starker Juckreiz auf, der entsteht, wenn die Gallensäuren nicht mehr abfließen können. Selbst die Organe können sich gelb verfärben.
Um die Ursachen einer Gelbsucht zu ermitteln, ist für den Arzt die Krankengeschichte des Patienten von großer Bedeutung:
All diese Anhaltspunkte können die Ursache für die Gelbsucht zumindest eingrenzen. Beim Abtasten des Bauches kann der Arzt bereits ertasten, ob eine vergrößerte Leber (Fettleber) sowie die knotige Struktur einer Leberzirrhose vorliegt. Schmerzen bei leichtem Druck auf die Gallenblase können auf einen Gallenstau hinweisen. Eine Ultraschalluntersuchung liefert meist deutliche Hinweise auf die Ursachen. Genauer ist die Diagnose mit einer endoskopischen Ultraschalluntersuchung (Endosonographie, Untersuchung über ein schlauchartiges Instrument durch eine Art „Spiegelung“). Eine weitere genaue Untersuchung mittels Spiegelung und Röntgen-Kontrastmitteluntersuchung bietet die ERCP (endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie). CT und MRT kommen als letztes Mittel der Wahl nur bei schwieriger Diagnostik zum Einsatz.
Mithilfe von Laboruntersuchungen lässt sich Näheres über die Ursachen der Gelbsucht erfahren. Zunächst ist der Bilirubinwert ausschlaggebend, der sich mithilfe einer Blutuntersuchung feststellen lässt. Der Normalwert bei Erwachsenen liegt unter 1,1 Milligramm pro Deziliter (mg/dl). Liegen die Werte darüber, spricht man von einer Hyperbilirubinämie. Ab etwa zwei Milligramm Bilirubin pro Deziliter verfärbt sich die weiße Haut im Auge gelb, dann ist die erhöhte Bilirubinkonzentration auf den ersten Blick erkennbar und man spricht von einer Gelbsucht. Interessant sind außerdem die Blutwerte Gamma-GT und alkalische Phosphatase sowie die Leberenzyme GOT und GPT. Eine Urinuntersuchung liefert ebenfalls Hinweise auf dortiges Bilirubin sowie auf Urobilinogen, Hämoglobin und Eiweiß, die bei verschiedenen Erkrankungen ausgeschieden werden können. Sollte eine Gewebeprobe notwendig sein, kann diese mithilfe einer Nadel oder kleinen OP zur Bauchspiegelung entnommen werden (Biopsie).
Die Therapie einer Gelbsucht hängt von ihren Ursachen ab. Gallensteine können mit Stoßwellen zertrümmert oder endoskopisch entfernt werden. Ist die Krankheit fortgeschritten, muss manchmal die Gallenblase komplett entfernt werden. Da die Gallenblase kein lebenswichtiges Organ darstellt, können Betroffene im Anschluss bei ausgewogener, fettarmer Ernährung ganz normal leben.
Ist die Leber durch Medikamente geschädigt, sollte nach Alternativen gesucht werden. Mit dem Ende der Einnahme verschwindet auch die Gelbsucht wieder.
Ist Alkohol die Ursache für die Gelbsucht, muss auf Alkohol verzichtet werden. Eine Fettleber, die auf Alkoholkonsum beruht, kann sich regenerieren, aber nur dann, wenn konsequent überhaupt kein Alkohol mehr getrunken wird. Eine Fettleber, die auf falscher Ernährung und Übergewicht beruht, kann sich mithilfe von Gewichtsreduzierung und ballaststoffreicher Ernährung wieder erholen.
Sind Viren die Ursache einer Gelbsucht, können antivirale Medikamente helfen.
Wie die Therapie ist die Prognose einer Gelbsucht von der Ursache abhängig und kann damit sehr unterschiedlich ausfallen.
Einer Gelbsucht lässt sich vorbeugen, indem man versucht, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse gesund zu halten. Eine vollwertige, fett- und zuckerarme Ernährung sowie Alkohol in Maßen (oder Verzicht auf Alkohol) sind eine gute Grundlage dafür.
Vor einer Hepatitis A/B-Infektion schützt eine Impfung, die zum Beispiel bei Reisen nach Afrika oder Asien unerlässlich ist. Auch geschützter Geschlechtsverkehr gehört zu den Vorbeugungsmaßnahmen.
Frauen mit einer bereits diagnostizierten Leberstörung dürfen keine Anti-Baby-Pille einnehmen.
aktualisiert am 18.02.2019