Das Reizdarmsyndrom (RDS) ist eine funktionelle Störung des Darms. Der Darm ist eigentlich gesund, die Routineuntersuchungen geben keinen Hinweis auf krankhafte Veränderungen. Die Betroffenen sind organisch gesund, aber dennoch krank, da sie unter reichlichen Beschwerden leiden. Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Stuhlunregelmäßigkeiten (mal Verstopfung, mal Durchfall) und Unwohlsein treten dauerhaft auf und führen zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität. Obwohl die Erkrankung stark einschränkend ist, ist sie für den Betroffenen nicht lebensbedrohlich. Der Reizdarm ist weder bösartig noch ansteckend, auch das Risiko andere organische Erkrankungen zu kriegen, ist durch den Reizdarm nicht erhöht.
Zum ersten Mal tritt das Reizdarm-Syndrom zwischen dem 20. bis 40. Lebensjahr auf und wird bei Frauen (16 Prozent) doppelt so häufig diagnostiziert, wie bei Männern (8 Prozent). Allein in Deutschland schätzt man mit fünf Millionen Betroffenen, damit ist das Reizdarm-Syndrom die häufigste Gesundheitsstörung in der Bevölkerung.
Die genauen Ursachen für die Entstehung des Reizdarms sind bisher nicht eindeutig bekannt. Experten vermuten ein Zusammenspiel zwischen überempfindlichen Eingeweiden und einer gestörten Darmbeweglichkeit. Das bedeutet es besteht wahrscheinlich eine Störung zwischen den Darmnerven und der Darmmuskulatur. Dabei wird dem Nerven-Botenstoff Serotonin eine Schlüsselrolle zugeschrieben, da sie unter anderem für die Steuerung der Darmfunktion und die Schmerzwahrnehmung verantwortlich ist.
Man kam zu dieser Annahme, weil beim Reizdarm-Syndrom öfters eine Darmbewegungsstörung beobachtet wurde und bereits normale Verdauungsvorgänge sehr schmerzhaft waren. Als weiterer Grund für die gestörte Nervenübermittlung werden zuvor durchgemachte infektiöse Erkrankungen des Darms diskutiert, denn die Erkrankung tritt bei vielen Betroffenen erst nach einer durchgemachten Darminfektion auf. Bei feingeweblichen Untersuchungen konnte zum Teil auch entzündliche Veränderungen des Darms festgestellt werden.
Insgesamt resultiert eine gestörte Wahrnehmung der darmeigenen Nervenzellen. Durch eine Fehlinterpretation der Darmnerven werden normale Reize wie Füllungszustand des Darms als Schmerzreize übersetzt.
Als weitere Auslöser des Reizdarm-Syndrom kommen in Frage:
Beim Reizdarm-Syndrom liegt ein charakteristisches Beschwerdebild der Erkrankung vor. Typische Beschwerden sind:
Nach dem Stuhlgang kommt es meistens zu Besserung der Beschwerden. Typisch für das Reizdarm-Syndrom ist, dass die Beschwerden chronisch sind. Nach den Rom-Kriterien ist die Diagnose des Reizdarm-Syndroms erst dann gesichert, wenn diese Symptome innerhalb eines Jahres insgesamt zwölf Wochen ausmachen und man keine anderen Ursachen für die Beschwerden finden konnte.
Wie bei allen Erkrankungen ist eine gründliche und gezielte Anamnese von großer Bedeutung. Mit dem Aufnahmegespräch kann bereits anhand der Diagnosekriterien der Rom II oder den DGVS (Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten) Kriterien aufgrund der typischen Beschwerdemuster ein Reizdarmsyndrom festgestellt werden.
Die Kriterien wurden erstmals 1988 auf dem 13. Internationalen Kongress für Gastroenterologie zusammengestellt und bis heute mehrfach aktualisiert und überarbeitet. Laut den Kriterien müssen während der vergangenen zwölf Monate über die Dauer von mindestens zwölf Wochen (muss nicht unbedingt an einem Stück sein) Bauchschmerzen oder Unwohlsein auftreten. Zudem müssen mindestens zwei der drei folgenden Punkte erfüllt sein:
Beschwerden wie abnorme Veränderungen der Stuhlfrequenz und Stuhlkonsistenz, Gefühl der inkompletten Entleerung, Schleimbeimengungen im Stuhl und Blähungen können die Diagnose des Reizdarm-Syndroms zusätzlich stützen.
Wichtig ist hier wiederum, dass alle möglichen organischen Ursachen ausgeschlossen werden müssen. Erst dann kann man von einem Reizdarm sprechen. Der Arzt kann eine verlässliche Diagnose daher nur durch vorherige eingehende Untersuchungen stellen. Neben der klinischen Untersuchung werden folgende diagnostische Maßnahmen durchgeführt:
Als Differentialdiagnosen kommen in erster Linie folgende Erkrankungen in Frage:
Die Behandlung des Reizdarm-Syndroms zielt in erster Linie darauf auf, vorhandene Beschwerden zu lindern, da keine organischen Erkrankungen zugrunde liegen. Der Therapieplan besteht aus einer Diät, einer medikamentösen Behandlung sowie Psychotherapie.
Insbesondere durch Verhaltenstherapie und Entspannungsübungen (Muskelentspannung) soll der Patient lernen Stresssituationen zu bewältigen und vorhandene Beschwerden zu minimieren.
Medizinisch gesehen ist die Prognose für den Reizdarm-Syndrom gut. Sie ist weder tödlich, noch kann sie mit anderen ernsthaften Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Dennoch wird aufgrund der starken Beschwerden die Lebensqualität der Betroffenen stark eingeschränkt, insbesondere durch anhaltende Schmerzen und wechselnde Stuhlgewohnheiten. Die Beschwerden können mit der Zeit an Intensität zunehmen oder abnehmen, zum Teil aber auch ganz abklingen. Mit einer richtigen Behandlung wurde nach fünf Jahren bei 50 % der Patienten eine Beschwerdefreiheit erzielt. Daher ist eine erfolgreiche Behandlung für die Beschwerdelinderung sehr wichtig, die Patienten können dann wieder ein „normales" Leben führen.
Um die Beschwerden des Reizdarm-Syndroms vorzubeugen muss der Betroffene aktiv mitarbeiten. Hier ist die Führung eines Tagebuches zu empfehlen. Die Betroffenen sollen herausfinden wann und unter welchen Umständen die Beschwerden auftreten oder sich verstärken und dies notieren, beispielsweise bei Stress, Ernährung, auf der Arbeit. Der Stress im alltäglichen Leben muss minimiert werden, versuchen Sie oft Entspannungsübungen zu Hause und am Arbeitsplatz durchzuführen. Setzen Sie sich nicht unnötig in Stress. Ausreichende Bewegung ist wichtig, um die Darmfunktion zu aktivieren und auch wieder Stress abzubauen. Versuchen Sie ihren Körper gesund zu halten.
Letzte Aktualisierung am 29.06.2021.