Beide Krankheitsbilder sind mit einem ausgeprägten Krankheitsgefühl und einer Schwäche verbunden. Bei etwa 20 Prozent der Patienten treten beide Formen der Erkrankung gleichzeitig auf, weshalb sie auch als eine Einheit gesehen werden.
Die Erkrankung wird umgangssprachlich auch als Polymyalgie bezeichnet. Es handelt sich um eine entzündlich-rheumatische Muskelerkrankung unbekannter Ursache. Die Polymyalgia rheumatica geht mit ausgeprägten symmetrischen Schmerzen und Kraftlosigkeit in der Oberarmen und Oberschenkeln einher. Sie betrifft also vor allem die Schulter- und Beckengürtelmuskulatur. Zudem zählt sie zu den Gefäßentzündungen (Vaskulitiden).
In Deutschland erkranken jährlich etwa 16.000 bis 40.000 Menschen an Polymyalgie. Frauen sind von dieser Erkrankung etwa viermal häufiger betroffen als Männer. Die Polymyalgie tritt meist erst nach dem 60. Lebensjahr auf.
Die Arteriitis temporalis ist eine entzündliche Erkrankung der Aorta und der Gefäße im Bereich der Kopfarterien. Die Erkrankung befällt vorwiegend die Äste der Halsschlagader, vor allem die Schläfenschlagader (Arteria temporalis). Daher auch der Name Arteriitis temporalis. Sie wird auch als Horton-Krankheit bezeichnet.
Sie tritt häufig mit der Polymyalgia rheumatica auf, kann aber auch alleine auftreten. Die Erkrankung geht mit starken Kopfschmerzen einher, seltener mit plötzlichen Sehstörungen.
In Deutschland sind etwa 30.000 Menschen an Arteriitis temporalis erkrankt. Die Erkrankung betrifft vorwiegend Personen > 60 Jahre, wobei Frauen drei- bis viermal häufiger betroffen sind.
Zudem gibt es ein ausgeprägtes Nord-Südgefälle der Erkrankungshäufigkeit (vor allem in skandinavischen Ländern).
Die Ursachen für die Polymyalgia rheumatica sind weitgehend noch unbekannt. Bis heute ist es der Wissenschaft nicht gelungen, den genauen Ort der pathologischen Prozesse zu identifizieren. Hier liegt, wie bei den meisten anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, eine Fehlsteuerung des Immunsystems, also eine Autoimmunkrankheit vor. Vermutet wird, dass die im Blut zirkulierenden Zellen des Immunsystems im Alter dazu neigen, außer Kontrolle zu geraten und in der Folge Botenstoffe produzieren, die zu einer Entzündung im ganzen Körper führen.
Weiterhin wird als Ursache eine Entzündung von Blutgefäßen (Vaskulitis) diskutiert, da die Erkrankung mit der Arteriitis temporalis assoziiert ist. Sind die Schläfenarterie oder andere Gefäße des Kopfes betroffen, so wird das Krankheitsbild als Arteriitis temporalis bezeichnet (tritt in 50 Prozent der Fälle mit der Polymyalgie auf).
Leider sind die Auslöser der Arteriitis temporalis noch unbekannt. Vermutet wird ein Zusammenhang mit viralen Infekten. Dafür spricht vor allem eine jahreszeitliche Häufung der Erkrankung. Bei den Patienten kann man vermehrt T-Lymphozyten in den Schlagaderwänden nachweisen, so dass man davon ausgeht, dass eine Immunreaktion gegen die elastischen Fasern in den Gefäßwänden zugrunde liegt. Die entzündeten Arterien können zu einer Verengung oder sogar zu einem Verschluss führen. Zudem diskutiert man über mögliche Zusammenhänge mit genetischen Veranlagungen.
Die Beschwerden treten relativ plötzlich, innerhalb von 2 Wochen auf. Leitbeschwerden sind außerdem:
Begleitende Beschwerden können sein:
Gelegentlich können auch Schmerzen der Gelenke auftreten, diese stehen jedoch meist nicht im Vordergrund. Treten Kopfschmerzen oder Sehstörungen auf, kann dies Symptom einer Mitbeteiligung der Blutgefäße des Kopfes sein, beispielsweise der Arteriitis temporalis.
Typische Beschwerden der Arteriitis temporalis sind:
Die Arteriitis temporalis tritt meist zusammen mit einer Polymyalgia rheumatica auf.
Wie bei jeder anderen Krankheit erfolgt die Diagnosestellung über die Krankengeschichte (Anamnese) und verschiedenen Untersuchungen. Wichtig ist vor allem die Schilderung der Beschwerden durch den Patienten und die folgende körperliche Untersuchung, um einen ersten Eindruck zu gewinnen.
Zur Diagnosestellung der Polymyalgia werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
Bei den Blutuntersuchungen findet man fast immer Anzeichen einer schweren Entzündung. Erhöht sind hier vor allem die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das CRP (c-reaktive Protein).
Bei Verdacht auf eine Gefäßbeteiligung, kann eine Gewebeprobe (Biopsie) der Schläfenarterie beweisend sein. Die Gewebeprobe wird nach Entnahme unter dem Mikroskop untersucht. In ungefähr 30 Prozent der Fälle zeigt sich dabei das typische Bild einer Risenzellarteriitis.
Die Diagnose wird als sehr wahrscheinlich angesehen, wenn mindestens drei der sieben folgenden Kriterien erfüllt sind (Diagnosekriterien nach Bird):
Anhand der charakteristischen Symptome kann die Diagnose der Arteriitis temporalis gestellt werden. Weiterhin werden folgende Untersuchungen durchgeführt:
Die Laborbefunde zeigen eine Erhöhung der Entzündungsparameter. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) und das c-reaktive Protein (CRP) sind deutlich erhöht.
Bei einer Gewebeuntersuchung aus den Schläfenarterien, finden sich so genannte Riesenzellen und Entzündungszellen unter dem Mikroskop.
Bei der augenärztlichen Untersuchung findet man, bei Beteiligung der Augen/Netzhauarterie, einen kirschroten Fleck in der Fovea centralis (Zentrale Sehgrube).
Es handelt sich hierbei um eine spezielle Ultraschalluntersuchung, bei der mit Hilfe einer computergesteuerten Farbcodierung die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes und seine Fließrichtung dargestellt werden können. Die Untersuchung erfolgt in der Regel an der Schläfenarterie und kann eine Verengung der Arterie bzw. Flußminderung sichtbar machen.
Ein entscheidendes diagnostisches Zeichen ist das sofortige Ansprechen auf Kortisonpräparate. Tritt dies nicht ein, so müssen andere Erkrankungen, wie ein Tumor, ausgeschlossen werden.
Leider ist in der Praxis die Diagnose Arteriitis temporalis nicht immer sicher zu stellen. Andere rheumatologische Krankheiten können ähnliche Beschwerden verursachen. Oft bleibt keine Zeit für umfangreiche Untersuchungen. Bei Augenbeschwerden muss der Arzt sofort handeln, um das Augenlicht zu erhalten. Hierbei ist vor allem die hochdosierte Kortisontherapie (über drei Tage, auch als intravenöse Stoßtherapie) nützlich. Der Patient bemerkt spätestens nach zwei Tagen eine deutliche
Ziel der Therapie ist die Linderung der Beschwerden.
Goldstandard stellen weiterhin die Glukokortikoide dar. Die Polymyalgia rheumatica spricht schnell auf eine Therapie mit Kortison an. Bei richtiger Dosierung kommt es zu einer prompten Besserung der Beschwerden. Die Beschwerden sind wie weggeblasen. Das Kortison wird am Anfang hoch dosiert und langsam und schrittweise auf eine dauerhafte Erhaltungsdosis reduziert.
Während der Therapie kann es zu Nebenwirkungen, wie beispielsweise Gewichtszunahme oder Knochenschwund (Osteoporose) kommen. Daher werden zusätzlich Kalzium und Vitamin D verabreicht, um diese Komplikationen zu vermeiden.
Treten weitere Begleiterscheinungen unter der Therapie mit Glukokortikoiden auf, so können zusätzlich noch Immunsuppressiva wie Methotrexat oder Chloroquin zur Anwendung kommen. Zur Verhütung von Rückfällen muss die Therapie für mindestens ein Jahr beibehalten werden.
Die Diagnose der Arteriitis temporalis erfordert eine sofortige Therapie.
Mittel der ersten Wahl sind die Glukokortikoide. Die akut auftretenden Beschwerden werden mit Kortison behandelt. Innerhalb weniger Tage kommt es zu einer wesentlichen Beschwerdebesserung. Auch eine drohende Erblindung wird durch die Gabe von Kortison verhindert.
Zu Beginn der Therapie wird das Kortison in einer höheren Dosierung gegeben. Diese kann dann nach einigen Monaten auf eine so genannte Erhaltungsdosis reduziert werden. Die Erhaltungsdosis wird in der Regel über fünf Jahre verabreicht, um ein Rezidiv (Rückfall) zu vermeiden. Über die Kontrolle der Entzündungsparameter kann man die Wirkung der Therapie feststellen.
Zeigt sich keine Besserung unter der Behandlung mit Kortison, so kommen zytostatische Substanzen wie Methotrexat oder Azathioprin zum Einsatz.
Bei einer konsequent durchgeführten Therapie heilt die Erkrankung meist innerhalb weniger Jahre komplikationslos aus. Die Prognose ist also gut. Durch eine Kortisontherapie werden die Patienten schnell schmerzfrei und nach ein bis zwei Jahren kann das Kortison allmählich abgesetzt oder auf eine geringe Dosis reduziert werden.
Die Prognose ist gut. Ist die Krankheit einmal ausgeheilt, so sind Rückfälle selten.
Leider gibt es keine Möglichkeiten, um die Erkrankung vorzubeugen, da es sich um eine Autoimmunkrankheit handelt. Durch die zusätzliche Gabe von Kalzium und Vitamin D können jedoch weitgehend Begleiterkrankungen bzw. Nebenwirkungen der Kortisontherapie verhindert werden.
Letzte Aktualisierung am 07.10.2021.