Lyme-Arthritis ist eine Sonderform einer bakteriellen Gelenkentzündung (Arthritis), die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgeslöst wird. Das Bakterium Borrelia burgdorferi wird durch den Zeckenstich übertragen. Monate bis Jahre nach einem Zeckenstich kann eine Borreliose als Krankheitsmanifestation neben Muskelbeschwerden und Nervenschädigungen auch eine Arthritis hervorrufen. Bei etwa einem von zehn Borreliose-Patienten tritt eine Lyme-Arthritis auf.
Bei der Borreliose handelt es sich um eine oft über Jahre in Schüben auftretenden und zum Teil chronisch verlaufende entzündliche Erkrankung. Die Lyme-Arthritis kann zu jeder Zeit im Jahr beginnen, da die Zeit zwischen dem Zeckenstich und der nachfolgenden Gelenkentzündung lang und sehr wechselnd sein kann. Bei der Lyme-Arthritis bzw. Lyme-Borreliose handelt es sich um eine Gelenkentzündung, welches hauptsächlich an einzelnen großen Gelenken, z.B. Hüftgelenk oder Kniegelenk lokalisiert ist.
Man kann nicht genau schätzen, wie viele Menschen wirklich von der Lyme-Borreliose betroffen sind. Vermutlich werden viele Fälle noch übersehen. In Deutschland schätzen Experten 30.000 bis 60.000 Fälle pro Jahr. Die Lyme-Arthritis ist vermutlich die häufigste Gelenkentzündung bei Kindern und Jugendlichen, die nach einer bakteriellen Infektion auftritt. Die Erkrankung kommt selten vor dem 4. Lebensjahr vor.
Die Erkrankung kann sich spontan zurückbilden, aber immer wieder an einem anderen Gelenk auftreten. In seltenen Fällen kann die Lyme-Arthritis, falls sie nicht antibiotisch behandelt wird, zu einer Erkrankung des zentralen Nervensystems fortschreiten. Durch eine frühe Behandlung der Borreliose können Komplikationen vermieden werden. Wird dagegen die Borreliose jahrelang nicht behandelt, so können irreparable Nerven- und Gelenkschäden zurückbleiben.
Auslöser der Lyme-Arthritis sind verschiedene Bakterien aus der Gruppe der Borrelien. Verantwortlich ist in erster Linie der Holzbock, eine in den USA und Europa weit verbreitete Zeckenart. Die wichtigsten Erreger sind Borrelia burgdorferi, Borrelia garinii und Borrelia afzelli. Vermutlich werden die Erreger auch durch Fliegen, Mücken oder Bremsen übertragen, dies konnte aber noch nicht eindeutig bewiesen werden. Wegen ihrer immunologischen Auffälligkeit, ihrer langsamen Vermehrung und ihrer mangelnden Aggressivität sind Borrelien überaus schwer zu orten. Obwohl das Immunsystem erkennt, dass Fremdkörper vorhanden sind, kann es diese schwer fassen.
Borrelien leben im Darm der Zecken, es dauert also einige Zeit, bis sie von der Zecke ins menschliche Blut gespült werden. Entdeckt ein Erwachsener eine Zecke binnen 24 Stunden auf seinem Körper, so ist die Ansteckungsgefahr nahe Null. Borrelien werden nicht, wie fälschlicherweise immer noch angenommen, automatisch nach Zeckenstichen übertragen. Erst wenn sich die Zecke voll angesogen hat, gelangen die Erreger in den menschlichen Blutkreislauf.
Je nachdem wo sich die Bakterien verstecken, kann es in der Folge zu Hautausschlägen, Herzmuskelentzündungen, Nervenschädigungen oder auch Gelenkentzündungen kommen. Nach der Infektion verbreitet sich der Erreger in fast allen Organen, darunter auch die Gelenkinnenhaut. Wie die Borrelien jedoch in die Gelenkhöhle gelangen, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Man weiß zudem auch nicht, weshalb das menschliche Immunsystem, besonders in den Gelenken, überreagiert. Es wird angenommen, dass die Oberflächeneiweiße der Borrelien den Eiweißen der Gelenkinnenhaut derart gleichen, dass immunologische Kreuzreaktionen auftreten und somit das Immunsystem statt den Bakterien die eigenen Gelenke angreift.
Die meisten Zecken sind jedoch nicht infiziert, so dass die meisten Stiche gar nicht zur Infektion führen. Kommt es allerdings zu einer Infektion, verlaufen viele ohne wesentliche Krankheitserscheinungen. Treten jedoch Krankheitserscheinungen auf, so handelt es sich meist um ein Erythema migrans (wandernde Röte), die mit und ohne Antibiotika nach einer gewissen Zeit verschwindet, ohne zu späteren Formen der Lyme-Arthritis fortzuschreiten.
Die Lyme-Arthritis ist eine Infektionskrankheit und wird nicht vererbt. Bei der chronischen Lyme-Arthritis bestehen zwar spezifisch ererbte Faktoren, der genaue Mechanismus ist jedoch bis heute unbekannt, so dass man nicht erklären kann warum bei einigen Patienten eine Neigung zu einem chronischen Verlauf besteht.
Die Erkrankung ist nicht ansteckend, obwohl es sich um eine Infektionskrankheit handelt. Das bedeutet also, dass der Erreger nicht von einem Menschen auf den anderen übertragen werden kann, weil das Bakterium von der Zecke übertragen werden muss.
Bei der Erkrankung liegt meist eine Monarthritis, dass heißt Befall eines einzelnen Gelenkes, oder Oligoarthritis, also Befall mehrerer Gelenke, selten eine Polyarthritis, Befall vieler Gelenke, mit chronisch-entzündlichen Gelenkergüssen vor. Die Lyme-Borreliose wird in drei Stadien eingeteilt.
Nach einigen Tagen bis Wochen tritt bei ungefähr 60 Prozent aller Borreliose-Infektionen, rund um die Stichstelle eine klar abgrenzbare, kreisförmige Rötung auf. Man erkennt sozusagen eine Frontlinie zwischen Borrelien und körpereigener Immunabwehr. Dieser Kreis weitet sich immer mehr aus, wird blasser und verschwindet schließlich nach Wochen und Monaten. Diese Wanderröte, auch Erythema migrans genannt, kann in verschiedenen Ausformungen auftreten und wird als sicheres Zeichen für eine erfolgte Infektion angesehen. Die Infektion wird manchmal von grippeähnlichen Symptomen, wie Fieber, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen und Müdigkeit begleitet. Gelegentlich kann es auch zu Leber-, Milz- und Lymphknotenvergrößerungen kommen.
Nach einer Latenzzeit von bis zu zehn Wochen kommt es meist zu einer Streuung des Erreger über die Blutbahn oder Lymphbahn. Es kommt zu Allgemeinsymptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Nachtschweiß, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie selten auch zu einer Gewichtsabnahme. Manchmal kann es auch zu einem Haarausfall kommen. In dieser Phase treten häufig Konzentrationsprobleme, Schwindelattacken und unerträgliche Müdigkeit auf. Charakteristisch sind zudem extreme nächtliche Schweißausbrüche und Episoden mit unangenehmen Empfindungen durch einen schnellen und als heftig empfundenen Pulsschlag. Selten kann man polytope Erytheme (Wanderröte an mehreren Körperstellen) beobachten. Im zweiten Stadium können bereits Gesichtslähmungen auftreten, ebenso Bindehaut-, Augenhaut-, Pupillenentzündungen und Entzündungen des gesamten Augapfels. Bei etwa acht Prozent der Betroffenen treten Entzündungen des Herzbeutels und Herzrhythmusstörungen auf, die Brustschmerzen verursachen können.
Im Stadium drei treten vorrangig Organ- und Gelenkentzündungen auf. Diese können sich entweder nach Jahren oder Monaten, oder aber unter Auslassung der ersten beiden Stadien entwickeln und dennoch alle Beschwerden beinhalten. Zudem kommt es in diesem Stadium auch zu einer typischen Verdünnung und Fältelung der Haut und zur Gehirnentzündung sowie Entzündung des gesamten Nervensystems. Dieser Verlauf kann, wenn sie nicht behandelt wird, sich über Jahre hinziehen. Für die Lyme-Arthritis ist typisch, dass die Beschwerden zwischendurch immer wieder verschwinden und die Entzündung nur an einigen wenigen Gelenken lokalisiert ist. Häufig ist das Kniegelenk betroffen. Die Entzündung ist meist von einem massiven Gelenkerguss und mit gallertartiger Masse gefüllten Hohlräumen in Gelenksnähe, den so genannten Baker-Zysten, begleitet. Da die Gelenkschwellung ausstrahlt, kann es zu so genannten "Wurstfinger" oder "Wurstzehen" kommen. In einigen Fällen können sogar die Fersen angeschwollen sein.
Hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung der möglichen Beschwerden, die bei einer Lyme-Arthritis auftreten können:
In letzter Zeit spricht man häufig von einem so genannten "Post-Lyme-Syndrom". Es handelt sich hierbei um ein chronisches Müdigkeitssyndrom, welches gelegentlich von Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen und Gelenkschmerzen ohne objektivierbaren Befund begleitet wird.
Es gibt keine international akzeptierten Diagnosekriterien. Nicht jeder infizierte kann sich bei einem Arztbesuch an einen Zeckenstich erinnern. Selbst in durchseuchten Zeckengebieten wird die Diagnose Lyme-Arthritis bzw. Borellien-Arthritis häufig nicht gestellt. Zur klinischen Diagnose im Kindes- und Jugendalter kann ein Score herangezogen werden, der sich aus folgenden Punkten zusammensetzt:
Eine Punktzahl > 6 macht eine Lyme-Arthritis wahrscheinlich. Dagegen schließen Werte unter 2,5 eine Lyme-Arthritis mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Werte dazwischen bedürfen weiterer Evaluation.
Besteht der Verdacht auf eine Lyme-Arthritis, der sich durch das Arztgespräch und die körperliche Untersuchung (typische kreisrunde Rötung) stellen lässt, so muss dieser Verdacht durch Laboruntersuchungen abgeklärt werden. Leider ist der laborchemische Nachweis recht schwierig. Der Nachweis gelingt selten durch Kultur oder Polymerase-Kettenreaktion aus dem Gelenkpunktat (wird entnommen, um eine andere bakterielle Arthritis auszuschließen) sowie über den indirekten Weg der Serumantikörper.
Mit Zeckeninfektionen vertraute Labors bieten den so genannten Enzym-Immuno-Test an. Dadurch kann man aus der Blutprobe die Antikörper gegen Borrelia burgdorferi nachweisen. Fällt der Test positiv aus, so muss ein Bestätigungstest durchgeführt werden, der Immunoblot oder Western-Blot heißt. Erst dann kann eine sichere Diagnose gestellt werden. Borrelien können auch durch eine Urinprobe identifiziert werden, allerdings sind diese Testverfahren ziemlich aufwendig und gelingen meistens auch gar nicht. Wie bereits erwähnt kann man unter Umständen eine Untersuchung der Gelenkflüssigkeit durchführen, in der sich die Erbsubstanz des Bakteriums Borrelia burgdorferi befinden kann. Dazu wird in den Laboratorien die Polymerase-Kettenreaktion angewandt. Dieser Labortest ist jedoch schwer durchzuführen und nur wenigen Laboratorien gelingt es, gute Ergebnisse zu produzieren.
Beachte: Ein negativer Ausfall dieses Testes schließt auf keinen Fall eine Lyme-Arthritis aus.
Die Lyme-Arthritis ist eine bakterielle Infektionskrankheit, die durch eine konsequente antibiotische Therapie erfolgreich behandelt werden kann. In vielen Fällen wird auch von einem spontanen Sistieren der Beschwerden berichtet. Mindestens 80 Prozent der Patienten mit Lyme-Arthritis werden nach ein oder zwei antibiotischen Behandlungen geheilt. Normalerweise heilt die Arthritis durch eine erfolgreiche Antibiotikatherapie binnen relativ kurzer Zeit, das heißt innerhalb von drei bis vier Wochen, aus. In Einzelfällen kann die Antibiotikatherapie jedoch wirkungslos bleiben. Patienten bei denen eine antibiotische Behandlung nicht zur Heilung führt, müssen mit entzündungshemmenden antirheumatischen Mitteln therapiert werden.
Eine frühe Behandlung mit Antibiotika ist besonders wichtig, weil dadurch Komplikationen vermieden werden können. Im frühen Ansteckungsstadium werden die Antibiotika in der Regel oral verabreicht. Hierzu werden in der Regel das Amoxicillin oder Doxycyclin verschrieben. Liegt die Infektion jedoch länger zurück, so müssen die Antibiotika höher dosiert werden und am besten intravenös in ambulanter oder stationärer Therapie verabreicht werden. In der Regel klingen alle entzündlichen Prozesse rasch ab. Besteht jedoch eine jahrelang nicht therapierte Borreliose, so können irreparable Nerven- und Gelenkschäden zurückbleiben.
Des Weiteren können auch physikalische Therapieformen wie Kältetherapie, Gelenkpunktion (Entleerung eines großen Ergusses durch Ableiten über eine Kanüle aus dem Gelenk) und Ruhigstellung des Gelenkes mittels Schienen oder Bandagen, hilfreich sein.
Die Heilungschancen für Lyme-Arthritis sind gut. In den meisten Fällen verschwindet die Gelenkentzündung nach einer Antibiotikabehandlung, ohne bleibende Schäden zu hinterlassen. In der Regel erfolgt eine vollständige Zurückbildung der Lyme-Arthritis bereits nach sechs Monaten. Bei 10 Prozent der Patienten entwickelt sich eine chronische Form. In Einzelfällen kann ein bleibender Schaden am Gelenk auftreten, welches zu einem verminderten Bewegungsumfang und vorzeitiger Arthrose (Gelenkabnutzung) führen kann. Jedoch kann es selbst bei langjährigem Krankheitsverlauf und auch nach offensichtlichem Versagen der Antibiotikatherapie, immer noch zu spontanen Rückbildungen kommen.
Bisher gibt es weder eine wirksame Prophylaxe noch einen Impfstoff. Die wirksamste Vorbeugungsmaßnahme erscheint immer noch das Meiden von Borrelien verseuchten Zeckengebieten zu sein. In Endemiegebieten sind etwa 30 Prozent der Zecken Borrelienträger.
Hilfreiche Maßnahmen und Tipps:
Die fachgerechte Entfernung von Zecken:
Letzte Aktualisierung am 09.08.2021.