Die rheumatoide Arthritis, auch chronische Polyarthritis genannt, ist eine chronisch-entzündliche Systemerkrankung, die mehrere Gelenke, aber auch andere Organe des Körpers betrifft und von Patient zu Patient unterschiedlich verlaufen kann.
Die Erkrankung, bei der eine genetische Veranlagung (HLA-DR 4, HLA-DR 1) und Umweltfaktoren eine Rolle spielt und Frauen im Alter von 20 – 50 Jahren etwa drei- bis viermal so häufig betroffen sind wie Männer, tritt vor allem zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf. Nach dem 60. Lebensalter ist die Anzahl bei Frauen und Männern ausgeglichen. Eine autoimmune Fehlregulation bewirkt durch die Freisetzung von entzündungsfördernden Signalbotenstoffen (IL-1, IL-6, TNF- u.a.) eine Entzündung der Gelenkschleimhaut (Synovialitis). Typisch für die rheumatoide Arthritis ist eine sogenannte Pannus-Bildung, spezifische Zellen, die Knochen und Knorpelgewebe durch Enzymproduktion zerstören und zu den typischen schmerzhaften Deformationen vor allem an Händen und Füßen und im Langzeitverlauf zur Invalidität führen können.
Die Erkrankung kann sehr plötzlich auftreten meist ist der Verlauf aber schleichend und verläuft in Schüben. Es können mehrere Gelenke gleichzeitig entzündet sein und im Laufe der Krankheit weitere Gelenke mit einbeziehen.
Typischerweise werden zunächst die kleinen Grund- und Mittelgelenke der Finger befallen. Der Befall vollzieht sich symmetrisch, ein betroffenes Gelenk an der linken Hand ist auch auf der rechten Hand betroffen.
Es können aber auch Füße, Ellbogen, Hand- und Sprunggelenke sowie jedes andere Gelenk im Körper betroffen sein, die Brust- und Lendenwirbelsäule sind allerdings nie befallen. Die Gelenke sind schmerzhaft geschwollen und eventuell rotbläulich verfärbt, frühe Warnzeichen sind eine Morgendliche Steifigkeit, Kraftlosigkeit und Durchblutungsstörungen einzelner Finger. Eine Gelenkrötung tritt nicht auf und muss an eine Gelenkentzündung anderer Ursache, zum Beispiel einer akuten Infektion, denken lassen.
Im Bereich der Halswirbelsäule kann es nach vielen Jahren infolge der Zwischenwirbelgelenkentzündungen zu Ausrenkungen, insbesondere des 1. und 2. Wirbelkörpers (atlanto-axiale Instabilität) führen, die beim Vornüberbeugen des Kopfes bemerkbar werden. Allgemein fühlen sich die Patienten abgeschlagen, es können nächtliches Schwitzen und eine leichte Temperaturerhöhung vorkommen, ebenso kann es zu einer Dauerrötung der Handinnenflächen kommen.
Es kann zu Kontrakturen, zu der Versteifung in einer bestimmten Stellung, kommen, die Gelenke verformen sich zunehmend, es kommt zu der charakteristischen Hand des Rheumatikers bei der die Finger sich in Richtung des kleinen Fingers beugen und bestimmte Griffe (das sichere Umgreifen beispielsweise einer Flasche, den Stift zum Schreiben etc.) immer schwerer werden.
Da auch die Sehnenscheiden betroffen sein können, kann es zu einem Karpaltunnelsyndrom, der Verengung des Handgewölbes, Einklemmung oder Reizung des N. medianus (ein Nerv) und in der Folge zu Gefühlsstörungen und Druckschmerz der ersten drei Finger und Schwäche und Involution (krankhafte Rückbildung) der Daumenmuskulatur kommen.
Im Kniebereich kann eine Schwellung auffallen, die einer Ausstülpung der Kniekapsel gleichkommt, der sogenannten Bakerzyste. In 20 Prozent der Fälle kommt es zu harten aber schmerzlosen Knoten unter der Haut und der Sehnen (Rheumaknoten) vor allem im Bereich der Streckseiten der Gelenke, die unter Methotrexat-Therapie an Größe und Anzahl zunehmen können.
Es kann zu Einblutungen unter den Nägeln und Nagelwuchsstörungen kommen. Außerhalb der Gelenke sind zu ca. 30 Prozent auch das Herz mit einer, meist beschwerdefreien Herzbeutelentzündung (Perikarditis) oder Herzklappenveränderungen betroffen. Lungenfellentzündungen und seltener entzündliche Veränderungen des Lungengewebes können zu Schwierigkeiten beim Atmen führen.
Auch Leber und Nieren können affektiert sein. 30 Prozent der Patienten sind von einer Augenbindehautentzündung (Keratokonjunktivitis) betroffen. Eine Entzündung der kleinen Gefäße führt zu Durchblutungsstörungen bevorzugt in den den Fingern und Gefühlsstörungen (Polyneuropathie).
Trockene Augen und Mundhöhle (Sicca-Syndrom) sind Zeichen, die auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen auftreten (Sjögren Syndrom). In seltenen Fällen kann es zu einer Amyloidose, Proteinablagerungen in Niere, Milz, Darm und anderen Organen mit Funktionsstörungen der betroffenen Organe kommen.
Wenn folgende vier Beschwerden bejaht werden können, ist eine rheumatische Arthritis sehr wahrscheinlich:
Blutwerte/Labor: Die Aktivität einer rheumatoiden Arthritis korreliert mit den im Blut messbaren Entzündungswerten BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) und CRP (C reaktives Protein). Ebenfalls erhöht nachweisbar können sein -/-Globuline und als unspezifisches (da die Veränderung allgemein bei Entzündung auftritt) Entzündungszeichen Kupfer (Eisen ist erniedrigt), und Erhöhung der Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozytose). Begleitend kann eine Blutarmut (Anämie) auftreten.
In 80 Prozent der Fälle sind Rheumafaktoren im Blut nachweisbar. Dabei handelt es sich um Autoantikörper, die gegen die physiologischen, normalerweise von Abwehrzellen gebildeten Antikörper, gerichtet sind. Diese sind aber nicht spezifisch, da sie auch bei anderen Krankheiten wie Lebererkrankungen (Hepatitis C), anderen rheumatischen Erkrankungen und chronischen Infektionskrankheiten nachweisbar sind.
Bei Gesunden sind sie bis zu fünf Prozent nachweisbar. Rheumatische Polyarthritiden ohne Nachweis von Rheumafaktoren werden als seronegativ bezeichnet. Die Abwesenheit von Rheumafaktoren schließt die Erkrankung also nicht aus, die Anwesenheit von Rheumafaktoren bedeutet meist einen schwereren Krankheitsverlauf.
Auch weitere immunologische Faktoren sind eventuell nachweisbar (Anti-CCP, ANA, zirkulierende Immunkomplexe).
Der Nachweis von frühen und späten Knorpel- und Knochenveränderungen erfolgt durch bildgebende Verfahren wie die Gelenkultraschalluntersuchung (Arthrosonografie), Röntgen, MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie). Weiterführende spezielle Untersuchungen sind szintigrafische Methoden (sehr empfindliche nuklearmedizinische Methode mit Nachweis von radioaktiv markierten Partikeln im entzündeten Gelenk), Gelenkpunktion (Mini-Arthroskopie) und Synoviaanalyse (die Gelenkflüssigkeit wird auf typische Zellen untersucht).
Einen großen Stellenwert in der Diagnostik der rheumatoiden Polyarthritis nehmen die klinischen Diagnosekriterien der ACR (American College of Rheumatology) ein, in der typische Symptome und Zeichen aufgelistet sind, die eine Erkrankung wahrscheinlich machen.
Gelenkerkrankungen anderer Ursachen können ebenfalls für die Gelenkbeschwerden ursächlich sein, wie zum Beispiel Kristallarthropathien, Polymyalgia rheumatica, Finger-Polyarthrose (Heberden-Bouchard) oder Erkrankungen infektiöser Ursache, wie die Lyme-Arthritis (Gelenkentzündung bei der von Zecken übertragenen Borreliose).
Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis erstreckt sich auf vier Pfeiler und wird vom Rheumatologen kontrolliert und durchgeführt.
Sie gestaltet sich von Patient zu Patient unterschiedlich und muss dem Verlauf der Erkrankung angepasst und, wenn nötig, überdacht werden.
Die ersten beiden Jahre nach Diagnosestellung sind für den weiteren Verlauf der Erkrankung sehr wichtig. Basistherapeutika sollen so früh wie möglich eingesetzt werden. Anhand sogenannter Remissionskriterien (Rückgang der Krankheit auf einen symptomarmen bzw. -freien Zustand) kann die Therapie minimiert werden um Nebenwirkungen vorzubeugen.
Die medikamentöse Therapie kann in eine symptomatische, beschwerdelindernde und in eine Basistherapie (sie soll den Krankheitsprozess verlangsamen bzw. aufhalten) eingeteilt werden.
Sie hemmen die Cyclooxygenase (Abkürzung COX) und damit die Bildung von Faktoren, die eine Entzündung unterhalten. Die Wirkung ist antientzündlich (antiphlogistisch) und schmerzlindernd (analgetisch).
Beispielhafte Substanzen sind Diclofenac, Meloxicam, Ibuprofen, Rofecoxib, Celecoxib. Sie werden begleitend eingesetzt und sind aufgrund der Nebenwirkungen (Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür, Blutungsneigung, Blutdrucksteigerung, Leber- und Nierenschäden) für eine langfristige Anwendung nicht geeignet.
Sie kommen kurzfristig im akuten Schub oder auch längerfristig in niedriger Dosierung in Anwendung (Prednisolon). Die wichtigste Nebenwirkung ist die Osteoporoseförderung bei langfristiger und zu hoch dosierter Anwendung (nicht über 5 mg täglich).
Sie werden zur langfristigen Therapie eingesetzt und verhindern wirksam Gelenkzerstörungen. Deshalb sollen sie frühzeitig zur Anwendung kommen.
Die Wirkung ist immunsupprimierend (Einsatz bei bestimmten Krebserkrankungen) und ist in niedriger Dosierung gut wirksam und verträglich.
Die wichtigsten Nebenwirkungen betreffen den Gastrointestinaltrakt (Übelkeit), die Niere und die Leber. Gelegentlich kann es zu Haarausfall und Entzündungen der Mundschleimhaut kommen. MTX kann einmal pro Woche mit Folsäure als Schutz vor Nebenwirkungen eingenommen werden.
Andere Immunsuppressiva die zum Einsatz kommen, sind Azathioprin, Cyclosporin A, Leflunomid und Cyclophosphamid (letzteres Mittel ist ein Reservemittel).
Gold ist ein Mittel dass früher öfter zur Anwendung kam, es wird heute wegen der Nebenwirkungen aber weniger eingesetzt.
Das Antimalariamittel Hydroxychloroquin kann bei leichten Verläufen gute Wirkung zeigen. Die wichtigsten Nebenwirkungen betreffen die Augennetzhaut (Retinopathie). Ebenfalls bei leichteren Verläufen wird Sulfasalazin eingesetzt (die wichtigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit und Verdauungsstörungen).
Infliximab, Adalimumab sind gentechnisch hergestellte humane Antikörper die gegen den Entzündungsfaktor TNF- (Tumornekrosefaktor) gerichtet sind. Wie Methotrexat wirken sie negativ auf das Immunabwehrsystem und können Infektionen begünstigen.
Etanercept wirkt ähnlich indem TNF- gebunden und dadurch inaktiviert wird.
Anakinra wirkt auf die Entzündung durch Hemmung eines anderen Entzündungsfaktor, IL-1 (Interleukin-1) und wirkt ebenfalls hemmend auf das Immunsystem.
Die genannten Substanzen sind teuer und müssen intravenös (in die Vene) oder subkutan (unter die Haut) gespritzt werden.
Radiosynoviorthese (RSO) ist ein Verfahren in dem radioaktive Substanzen in entzündete Gelenke gespritzt werden.
Synovektomie bedeutet die Entfernung (operativ oder mittels Gelenkspiegelung) der Gelenkinnenhaut. Rekonstruktive Chirurgie und Gelenkersatz (Gelenkprothese) bei fortgeschrittener Gelenkzerstörung.
Patienten berichten von Besserung unter fleischarmer Kost (Fisch statt Fleisch) und der Einnahme von Omega-3-Fettsäuren (Lachsölkapseln, Leinöl). Von einer einseitigen Ernährung ist aber abzuraten.
Die Physiotherapeutischen Maßnahmen wie Bewegungstherapie, Elektro, Thermotherapie (Kälte) dienen der Erhaltung der Beweglichkeit in den Gelenken und ist eine wichtige Maßnahme zur Verhinderung einer Frühinvalidität. Die Ergotherapie zielt darauf ab, die Alltagsbewältigung durch Information und Erkennen von „falschen", gelenkschädigenden Bewegungen, zu verbessern und zu erleichtern.
Zur Einschätzung der Prognose werden Laborparameter herangezogen, anhand derer man die Aktivität der Erkrankung ableiten kann (hoher Rheumafaktor-Titer, hohes CRP und BSG). Ebenfalls ungünstig ist die Beteiligung vieler Gelenke.
In etwa zehn Prozent verläuft die Krankheit leicht, 20 Prozent zeigen wechselnde Aktivität und bis zu 70 Prozent der Patienten sind von einem schweren Verlauf betroffen.
Rund die Hälfte der Patienten wird nach zehn Jahren als erwerbsunfähig eingestuft, die Lebenserwartung ist durchschnittlich um sieben Jahre vermindert.
Letzte Aktualisierung am 02.07.2021.