Die Arthritis urica ähnelt sehr einer rheumatischen Erkrankung, da sie sich als Gelenkentzündung manifestiert. Sie zählt jedoch vielmehr zu den Stoffwechselerkrankungen, was durch die Krankheitsentstehung begründet ist. Die Gicht ist eine Störung, die den Purinstoffwechsel betrifft.
Purine sind, zusammen mit den Pyrimidinen, die kleinen Bausteine der DNA und einiger weiterer Stoffe (z.B. Botenstoffe) im Körper. Die DNA ist die Grundlage unseres gesamten Erbguts und kommt in fast jeder Körperzelle vor (z.B. Haut-, Muskel- und Leberzellen, eine Ausnahme bilden die roten Blutkörperchen).
Die DNA ist jedoch keine starre Struktur. Sie wird ständig von bestimmten Proteinen abgelesen (da sie ja den Bauplan für unseren Körper enthält), verdoppelt (bei Zellteilungen) und auch abgebaut (bei sterbenden Zellen).
Hierbei und beim Abbau der genannten anderen Stoffe entstehen als Ausscheidungsprodukte unter anderem Purine, die vom Körper über verschiedene chemische Reaktionen in Harnsäure umgewandelt werden.
Die Umwandlung ist nötig, um die Purine wasserlöslicher zu machen. Ist dies geschehen, können sie leicht über die Niere im Urin ausgeschieden werden. Zum Krankheitsbild „Gicht" kann es nun kommen, wenn entweder die Harnsäureproduktion enorm gesteigert wird und der Harnsäurespiegel im Blut stark erhöht ist, oder wenn die Nieren aus irgendeinem Grund nicht mehr fähig sind, Harnsäure in ausreichendem Maße auszuscheiden.
Auch Harnsäure oder ihre Vorläufermoleküle, die mit der Nahrung aufgenommen werden, spielen eine wichtige Rolle. Der normale Harnsäurespiegel im Blut ist für Männer und Frauen unterschiedlich festgelegt.
Die Normwerte liegen für Frauen bei 2,5 bis 5,7 mg pro Deziliter Blut, für Männer betragen die Grenzen 3,5 und 7,0 mg pro Deziliter Blut. Die Arthritis urica tritt bei Männern ungefähr zehnmal häufiger auf als bei Frauen, in der Gesamtbevölkerung leiden ca. 0,6 Prozent der Erwachsenen daran.
Der Verlauf der Gichterkrankung kann in verschiedene Stadien eingeteilt werden.
Diese erste Phase verläuft still, also ohne Symptome zu verursachen. Hierbei bilden sich aufgrund eines erhöhten Harnsäurespiegel kleine Kristalle aus Harnsäure.
Diese Phase beginnt mit dem ersten Gichtanfall. Das Risiko hierfür kann aus der Harnsäurekonzentration berechnet werden. Beträgt diese mehr als 8 mg/dl, so tritt mit 40-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Gichtanfall auf. Bei mehr als 9 mg/dl ist es fast sicher (nahezu 100 Prozent), dass sich in den nächsten zwei Jahren eine Gicht ausbildet.
Diese Phase ist wieder symptomfrei. Sie bezeichnet den Zeitraum zwischen zwei akuten Gichtanfällen und kann Jahre dauern. Mit jedem neuen Gichtanfall verkürzt sich jedoch die Zeitspanne zum nächsten Ausbruch, so dass die akuten Anfälle in das nächste Stadium einmünden.
Die chronische Gicht löst praktisch durchgehend Schmerzen aus. Im Röntgenbild können typische Gelenkveränderungen erkannt werden, es bilden sich an den Sehnenansätzen auch typische „Gichtknoten" aus.
Gicht kann grundsätzlich in zwei verschiedene Formen eingeteilt werden. Bei beiden Formen kommt es zur Bildung von Harnsäurekristallen, die sich vor allem in Gelenken ablagern.
Die primäre Hyperurikämie (also erhöhten Harnsäurewerten im Blut)
entsteht meist aus einer erblichen Stoffwechselstörung. Hierbei werden einige für den Purinabbau wichtigen Proteine vom Körper nicht oder nur unvollständig gebildet, da die vollständige Information für sie auf der DNA nicht vorhanden ist.
Anfallende Purine können nicht mehr vollständig abgebaut werden, und das Krankheitsbild der Gicht wird begünstigt. Des weiteren kann die primäre Gicht durch die Zufuhr von Purinen durch die Nahrung ausgelöst werden. Besonders purinhaltige Nahrungsmittel sind Spargel, Hülsenfrüchte und Fleisch.
Die sekundäre Hyperurikämie entsteht aus einer anderen Grunderkrankung. Dies betrifft vor allem die Produktion und die Eliminierung der Harnsäure:
Fällt vermehrt Harnsäure aus dem Organismus an, so kann es zu einer Überladung des Blutes führen. Dies passiert in nur einem Prozent der Gicht-Fälle.
Gründe für die Überproduktion sind vielfältig. Prinzipiell sind alle Erkrankungen, bei denen Zellen zerstört werden, mögliche Ursachen. Eine Lungenentzündung beispielsweise zerstört Lungengewebe. Aus den zerstörten Zellen werden Trümmer (u.a. Purine) freigesetzt und ins Blut überführt.
Die Purinüberladung kann aber auch durch Behandlung einer anderen Erkrankung ausgelöst werden. Bei Bestrahlung eines Tumors sterben dessen Zellen ab. Auch hier werden wieder die Zellbestandteile ins Blut abgegeben und können den Harnsäurespiegel des Blutes erhöhen.
Am häufigsten jedoch (99 Prozent der Fälle) kommt es zu Störungen der Purinausscheidung. Purine werden zu Harnsäure umgewandelt und dann über die Nieren ausgeschieden. Kommt es nun zu Funktionsstörungen der Nieren (Insuffizienz) oder fehlt gar eine Niere, so ist die Ausscheidung vermindert, und die Harnsäurekonzentration im Blut steigt.
Der akute Gichtanfall entsteht nun, wenn zusätzlich zu den oben genannten Faktoren noch Stress, Wetterwechsel oder Alkoholexzesse kommen. Dann lösen sich die gebildeten Kristalle und es kommt zur Entzündung (gr. Arthritis = Gelenkentzündung). Diese macht sich schmerzhaft bemerkbar und behindert die Bewegung.
Der akute Gichtanfall tritt meist nachts oder am frühen Morgen auf.
Er imponiert durch starke Schmerzen, die meist nur ein Gelenk betreffen (Monarthritis). Am häufigsten ist das Grundgelenk des großen Zehs betroffen. Die Schmerzen können so stark sein, dass sogar das Gewicht der Bettdecke als belastend empfunden wird.
Am betroffenen Gelenk sind die typischen Zeichen einer Entzündung zu erkennen. Es ist gerötet, geschwollen und fühlt sich heiß an (durch die erhöhte Durchblutung). Außerdem besteht neben den Schmerzen auch noch eine Funktionseinschränkung des Gelenks, die bei chronischer Gicht so weit fortschreiten kann, dass das Gelenk vollkommen unbeweglich wird.
Entwickelt sich eine chronische Gicht, kann es auch zur Bildung so genannter Gichtknoten kommen. Sie bilden sich vor allem am betroffenen Gelenk, können aber auch beispielsweise am Ohrknorpel entstehen. Die Knoten sind mit Flüssigkeit gefüllte Beulen. Die Flüssigkeit ist weiß und besteht vor allem aus Harnsäure.
Außerdem kann es noch zu generalisierten Symptomen kommen, wie zum Beispiel Fieber, Erbrechen und Tachykardie (Herzrasen). Diese Symptome treten jedoch eher selten auf.
Die Diagnosestellung der Arthritis urica beinhaltet verschiedene Abschnitte.
Der Patient wird vom Arzt befragt. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei auf die typischen Symptome (Befall eines Gelenks, Auftreten nachts) und die Familiengeschichte gelegt werden, da Gicht familiär gehäuft auftritt. Auch die Ernährungsgewohnheiten, der Alkoholkonsum und Stresssituationen sollten zur Sprache kommen.
Im Blut kann neben den typischen Entzündungszeichen (Blutsenkungsgeschwindigkeit erhöht, vermehrte weiße Blutkörperchen) kann auch der Harnsäurespiegel bestimmt werden, was auf die ursächliche Hyperurikämie hinweisen kann.
Vor allem im fortgeschrittenen Stadium kann die Röntgenuntersuchung Veränderungen des betroffenen Gelenks aufzeigen.
Die Punktion des Gelenks sollte nur bei unklarer Diagnose durchgeführt werden, da sie mit einem gewissen Risiko behaftet ist. Beim Durchstechen der Gelenkskapsel können Erreger in die Gelenkhöhle eindringen und Eiterungen hervorrufen.
Andererseits ist mit der Punktion eine sichere Diagnosestellung möglich. Es wird Synovia (Gelenkflüssigkeit) abgenommen und untersucht. Finden sich darin Harnsäurekristalle, so ist die Diagnose klar.
Es gibt mehrere Erkrankungen, die der Arthritis urica ähneln, beispielhaft soll hier die Arthritis psoriatica genannt werden.
Diese Erkrankung entsteht als Folge einer Psoriasis (Schuppenflechte) und befällt vor allem periphere Gelenke (Zehen- und Fingergelenke). Auch hier treten an den betroffenen Gelenken wieder die typischen Entzündungszeichen (Rötung, Erwärmung, Schwellung, Schmerz und eingeschränkte Funktion) auf.
Allerdings entstehen bei dieser Erkrankung keine Gichtknoten, und auch die Harnsäurewerte bewegen sich im Normalfall innerhalb der Norm. Besteht jedoch neben der Arthritis psoriatica noch eine Hyperurikämie, so kann eine Gelenkpunktion die Lösung bringen. Auch der Befall der Gelenke unterscheidet sich.
Die Arthritis psoriatica befällt im Normalfall mehrere Gelenke (Polyarthritis), die Arthritis urica meist (80 Prozent) nur ein Gelenk (Monarthritis).
Die Therapie der Gicht kann in zwei Arme eingeteilt werden.
Die Linderung der akuten Schmerzen steht hierbei eindeutig im Vordergrund. Auch der Erhalt der Beweglichkeit sollte beachtet werden.
Die konservative Therapie ähnelt der Behandlung von Sportverletzungen. Das betroffene Gebiet sollte hoch gelagert und gekühlt werden. Dadurch werden die Schmerzen gelindert und die Schwellung wird vermindert. Außerdem sollte viel Flüssigkeit aufgenommen werden.
Ein sehr wirksames Mittel gegen Gicht stellt Colchicin dar. Es ist das Gift einer Pflanze, der Herbstzeitlosen. Es hemmt unter anderem die Teilung und Vermehrung von weißen Blutkörperchen. Damit wird die Entzündungsreaktion eingedämmt und die damit verbundenen Schmerzen verschwinden. Dieses Medikament sollte mit Vorsicht eingesetzt werden, da jeder Mensch unterschiedlich stark darauf reagiert.
Des weiteren kann können auch NSAR (Nicht-steroidale Entzündungshemmer) eingesetzt werden. Auch sie dämmen die Entzündung ein, wirken jedoch, bei intramuskulärer Injektion (Spritze in den Muskel) schneller als Colchicin. Beispiele für diese NSAR sind Diclofenac, Indometacin und Ibuprofen.
Die chronische Gicht muss lebenslang behandelt werden. Die Therapie dient vor allem dazu, den Betroffenen einen schmerzarmen Alltag zu ermöglichen.
Zur Behandlung der Gicht gehört vor allem, purinreiche Lebensmittel zu vermeiden, um den Harnsäurespiegel des Blutes konstant niedrig zu halten. Dazu können spezielle Diäten durchgeführt werden. Auch der Alkoholkonsum sollte drastisch vermindert werden.
Zusätzlich sind physikalische Behandlungen und Bewegungstherapien sinnvoll. Dadurch wird verhindert, dass einzelne Gelenke versteifen und ihre Funktion vollständig verlieren.
Hier ist vor allem ein Medikament zu nennen, welches mittlerweile fast zur Standardtherapie bei Gicht gehört.
Allopurinol greift in die Entstehung der Harnsäure ein. Es behindert die letzte Reaktion des Stoffwechselwegs. Statt Harnsäure entstehen zwei Stoffe, die besser wasserlöslich sind und leicht über die Nieren ausgeschieden werden können (Xanthin und Hypoxanthin).
Bei allen Medikamenten, die gegen Gicht verschrieben werden, steht das Ziel, den Harnsäurespiegel zu regulieren, im Vordergrund.
Da Gicht häufig aus anderen Krankheiten folgt (Diabetes, Nierenleiden) kann eine Therapie dieser Erkrankungen auch die Gicht positiv beeinflussen.
Die Prognose ist abhängig vom Stadium, in dem sich die Krankheit befindet und von der Therapie. Bei chronischer Gicht kann es zu Ablagerungen von Kristallen in der Niere kommen. Wenn die Gicht nicht früh genug bemerkt wird, kann es zu Invalidität (Behinderung) oder Nephropathien (Nierenleiden) kommen.
Letzte Aktualisierung am 13.08.2021.