Unter einer Spinalkanalstenose versteht man eine angeborene oder erworbene Verengung des Wirbelkanals, die meistens im Bereich der Lendenwirbelsäule (lumbale Spinalkanalstenose) auftritt. Im Wirbelkanal verlaufen das Rückenmark und die Spinalnerven.
Je nachdem in welchem Bereich die Verengung vorliegt, können sehr unterschiedliche Symptome auftreten. So sind zum Beispiel die Nerven im Bereich der Lendenwirbelsäule für die Versorgung der Beine und des Unterleibs zuständig.
Die häufigste Ursache für Stenosen sind degenerative Veränderungen, in seltenen Fällen ist die spinale Stenose angeboren. Oft liegt ein Verschleiß im Bereich der Bandscheiben, der knöchernen und der Bandstrukturen der Lendenwirbelsäule vor. In der Folge kommt es zu einer Abklemmung der im Wirbelkanal befindlichen Nervenwurzeln. In den meisten Fällen wird die spinale Enge von einem Wirbelgleiten zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel begleitet.
Der Wirbelkanal bzw. Spinalkanal ist der Raum, der von allen Wirbelbögen umschlossen wird. Hier verläuft das Rückenmark von dem die Spinalnerven ausgehen. Eine Einengung des Wirbelkanals führt demnach zu einer Raumverkleinerung.
Dies bedeutet, dass der zur Verfügung stehende Platz für das Rückenmark und die austretenden Nervenfasern geringer wird. Die Beschwerden ergeben sich somit aus der Einengung von Rückenmark und Rückenmarksnerven.
Letztendlich können verschiedene Mechanismen zu einer Verengung des Spinalkanals führen. Oft wirken jedoch mehrere Ursachen zusammen. Im Vordergrund stehen die degenerativen Veränderungen.
Ursachen einer Spinalkanalstenose können sein:
Die Erkrankung betrifft vor allem Menschen jenseits des 50. Lebensjahres. Bei jüngeren Menschen kommt sie eher selten vor. Mit zunehmendem Alter verlieren die Bandscheiben an Volumen und Elastizität, die Wirbelzwischenräume schrumpfen. Dies kann zu einer chronischen Fehlbelastung der Wirbelkörper, Wirbelgelenke und der Bänder führen. Insgesamt verliert die Wirbelsäule an Stabilität, da einzelne Wirbelkörper „bauchwärts" verrutschen.
Durch die Fehlbelastung bilden sich an den Wirbeln abstützende Knochenvorsprünge (Osteophyten) und Randzacken, die Böden und Deckplatten der Wirbelkörper verhärten sich. Außerdem nehmen die Wirbelbögen und die Gelenkfortsätze an Masse zu und die Bänder verdicken sich. In der Summe können all diese degenerativen Veränderungen den zentralen Wirbelkanal erheblich einengen.
Betrifft die Enge vor allem die seitlichen Anteile des Wirbelsegments, so werden die Nervenwurzeln, die den Rückenmarkskanal rechts und links zwischen zwei Wirbeln durch die Zwischenwirbellöcher verlassen, gequetscht.
Eine Bandscheibenvorwölbung oder ein Vorfall kann auch den Durchmesser des Spinalkanals reduzieren.
Verletzungen und Unfälle verursachen meist eine Instabilität, die häufig zu einem Wirbelgleiten führen. Hier wird auf den Etagen der beteiligten Wirbel durch die Bildung eines „Knicks" der Durchmesser des Spinalkanals verringert.
Der Spinalkanal verformt sich und wird länglich. Als Reaktion auf die Instabilität verdickt sich das „gelbe Band" (Ligamentum flavum). Zudem bedingt der mechanische Stress die Bildung von Abstützungsreaktionen, den Spondylophyten. Der Raum für den Duralsack wird kleiner, so dass Reizungen oder Schäden der Nervenwurzeln entstehen. Erst dann treten die ersten klinischen Symptome auf.
Durch das Zusammensacken eines Wirbels oder bei einem Wirbelbruch können Knochensplitter in den Wirbelkanal ragen und dort zu Einengung des Rückenmark und/oder Nerven führen.
Auch Tumore in den Wirbelknochen können den Durchmesser des Wirbelkanals verringern, wenn sie in dessen Richtung wachsen.
Je nachdem welche Nervenabschnitte durch die Engstelle betroffen sind, kann die spinale Stenose unterschiedliche Beschwerden verursachen. Die Engstelle kann sowohl symptomlos bleiben, aber auch Probleme bereiten. Durch den Platzmangel im Wirbelkanal werden die Nerven gequetscht und gereizt, oder es entstehen venöse Durchblutungsstörungen in der Engstelle.
Das klassische Symptom der Spinalkanalstenose ist die so genannte Claudicatio spinalis, das wirbelsäulenbedingte Hinken. Aufgrund der Nervenwurzelkompression verspüren die Patienten unter Belastung zunehmende Schmerzen im Kreuz und in der Vorder- und Rückseite der Beine, Taubheitsgefühl, Kribbeln, Schwächegefühl, bis hin zu Lähmungen im Bereich der Beine. Oft reicht eine bestimmte Wegstrecke zu Fuß schon aus, um die Beschwerden auszulösen.
Die Patienten sind gezwungen zu pausieren. Durch eine etwas gebückte Körperhaltung, Vornüberbeugen, Hinsetzen und manchmal auch Hinlegen kommt es zu einer raschen Erleichterung. Diese „Manöver" führen zu einer Entlastung des Wirbelkanals. Dadurch erweitert sich der Spinalkanal ein wenig und die Nervenwurzeln erholen sich. Im Gegensatz dazu wird er beim Stehen und Rückwärtsbeugen eher noch enger.
Die Besserung der Beschwerden wird in der englischen Sprache auch als „shopping trolley positive" bezeichnet, weil diese entlastende Position typischerweise beim Beugen über den Einkaufswagen eingenommen wird.
Die Schmerzen können ein- oder beidseitig auftreten und von Gesäß und Oberschenkel abwärts bis in die Waden oder zum Schienbein ausstrahlen, aber auch ein umgekehrter Verlauf ist möglich. Bei besonders stark ausgeprägten Stenosen können die Schmerzen auch längere Zeit bestehen. Einige Patienten klagen auch über isolierte Kreuzschmerzen.
Dagegen treten sensible oder motorische Ausfälle eher leicht auf oder fehlen sogar ganz.
Wichtig ist vor allem die Frage nach dem WO. Die Art und Schwere der Beschwerden hängt vor allem vom genauen Ort der Einengung und dem Grad der krankhaften Veränderung ab. Es treten nicht immer alle aufgezählten Symptome ein. Die Beschwerden können je nach Bereich der Wirbelsäule folgendermaßen aussehen:
Eine Einengung des Wirbelkanals im Bereich der Halswirbelsäule kann vor allem die zum Arm ziehenden Nerven einengen.
Häufig sind auch Nervenfasern betroffen, die durch das Halsmark ziehen und für die Nachrichtenübermittlung zwischen Gehirn und Körper zuständig sind. Demnach kommt es vor allem zu folgenden Beschwerden:
Die Symptome sind von der so genannten vaskulären Claudicatio abzugrenzen. Die vaskuläre Claudicatio entsteht durch Durchblutungsstörungen im Bereich der Beine. Die wichtigsten Unterscheidungskriterien sind:
Der Arzt muss sich zunächst ein Überblick über die Krankengeschichte und die Beschwerden des Patienten verschaffen.
Besonders folgende Informationen sind sehr wichtig:
Nach der ausführlichen Anamnese folgt die körperliche Untersuchung des Patienten. Zunächst betrachtet der Arzt Form und Haltung der Wirbelsäule im normalen Stand und beklopft die Wirbelknochen um festzustellen, ob dadurch Schmerzen auslösbar sind, welches bei einer Spinalstenose häufig vorkommt. Außerdem können in unmittelbarer Nähe der Wirbelsäule Muskelverspannungen getastet werden. Die körperliche Untersuchung umfasst vor allem:
Die Verdachtsdiagnose einer Spinalkanalstenose wird durch bildgebende Verfahren gesichert.
Eine normale Röntgenaufnahme zeigt nicht direkt die Einengung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts. Jedoch kann man sich einen Überblick über die anatomischen Verhältnisse schaffen. So werden zum Beispiel degenerative Veränderungen, Fehlstellungen oder Brüche der Wirbelsäule sichtbar.
Mit diesem Verfahren werden vor allem knöcherne Strukturen sichtbar gemacht.
Hier werden vor allem die nicht knöchernen Strukturen wie Bänder und Bandscheiben sehr genau dargestellt. Der Wirbelkanal wird in seinem Querschnitt auf den Schnittbildern betrachtet, so dass eine bestehende Einengung deutlich wird. Außerdem lässt sich der Grund für die Stenose erkennen. Zudem wird auf den Schichtbildern das Nervengewebe dargestellt, so dass man erkennen kann, ob und an welcher Stelle es beeinträchtigt ist.
Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine Kontrastmitteldarstellung des Wirbelkanals. Die Untersuchung wird bei örtlicher Betäubung durchgeführt. Hierbei spritzt man Kontrastmittel im Bereich der Lendenwirbelsäule in den flüssigkeitsgefüllten „Sack" ein, indem sich das Rückenmark und die Nervenwurzeln befinden. Das Kontrastmittel verteilt sich darin und wird mit Hilfe eines Durchleuchtungsgerätes und/oder Computertomografie beobachtet. Eingeengte Regionen lassen sich durch diese Methode genau lokalisieren, weil hier die Passage des Kontrastmittels nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich ist.
Mit dieser Untersuchung kann man auch den Einfluss der Körperhaltung auf die Weite des Wirbelkanals überprüfen.
Die Myelographie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn CT und MRT keine klaren Befunde liefern.
Liefern CT und MRT-Bilder keine eindeutigen Ergebnisse, so kann man ergänzend eine Elektromyographie (EMG) und Elektroneurographie (ENG) durchführen. Mit dem EMG werden die Muskelaktivität registriert und Nervenwurzelschäden festgestellt. Mit der Elektroneurographie misst man die Nervenleitgeschwindigkeit.
Auch andere Erkrankungen können ähnliche Symptome hervorrufen und sollten daher durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen werden. Differentialdiagnostisch sollte man vor allem an folgende Erkrankungen denken:
Das Stufenschema für das therapeutische Vorgehen bei einer Spinalkanalstenose sieht folgendermaßen aus:
Bei der Spinalkanalstenose sind konservative Behandlungsmöglichkeiten eigentlich wenig effektiv, weil sie die Ursache nicht beheben. Trotzdem kann man damit eine gewisse Schmerzlinderung erreichen.
Dazu gehören vor allem Krankengymnastik und gezieltes Muskelaufbautraining der Bauch- und Rückenmuskulatur. Auch eine orthetische Versorgung mit einem entlordosierenden Mieder kann zur wesentlichen Linderung beitragen.
Darüber hinaus können die Schmerzen und mögliche Schwellungen im Spinalkanal durch Arzneimittel wie Antiphlogistika oder Injektionen mit Cortison-haltigen Medikamenten in den Wirbelkanal, häufig gebessert werden.
Wenn diese Maßnahmen zu keinem Erfolg führen, so sollte man einen chirurgischen Eingriff in Erwägung ziehen.
Vor dem operativen Eingriff informieren die behandelnden Ärzte über allgemeine und spezielle Risiken der Operation und klären die Patienten auf. In der Regel wird in Allgemeinnarkose, seltener in Spinalanästhesie, durch einen Schnitt am Rücken des Patienten operiert. Die Länge des Schnitts ist abhängig davon, ob eine Einengung in einer oder mehreren Etagen besteht. Die Rückenmuskeln werden von der Wirbelsäule abgeschoben, um einen guten Überblick zu erhalten.
Zunächst wird der zu operierende Bereich mit Hilfe eines Röntgengerätes identifiziert. Anschließend werden Teile des Wirbels und/oder andere einengende Strukturen wie Knochenwülste entfernt und dadurch der verengte Spinalkanal wieder geweitet. Unter Umständen können zusätzlich stabilisierende Maßnahmen erforderlich werden, die bestimmte Wirbelsäulenabschnitte etwa durch Schrauben, Platten oder Knochenimplantaten, versteifen.
Rein funktionelle spinale Stenosen werden durch die Implantation eines so genannten interspinösen Spacers therapiert. Der Eingriff ist minimalinvasiv und kann sogar in örtlicher Betäubung, über einen kleinen Hautschnitt, durchgeführt werden.
Meistens ist die spinale Enge jedoch so stark ausgeprägt, dass die neuralen Strukturen direkt entlastet werden müssen. Dies ist nur mit mikrochirurgischen Maßnahmen möglich. Therapie der Wahl ist hierbei die mikrochirurgische Entlastung (Dekompression). Hier werden sämtliche einengende Strukturen entfernt und dadurch die Nervenwurzeln entlastet.
Um die Stabilität des Bewegungssegmentes nicht zu gefährden, ist eine schonende Vorgehensweise erforderlich.
In der Regel bessern sich die Symptome deutlich direkt nach der Operation, durch die Entlastung der Nerven. Trotzdem kann es natürlich auch passieren, dass noch Muskelschwächen oder Empfindungsstörungen bestehen, die sich nur langsam oder in einzelnen Fällen sogar gar nicht mehr bessern.
Nach der Operation kann man vorsichtig mit einer Krankengymnastik beginnen, um den Heilungsverlauf zu unterstützen. Außerdem ist es sinnvoll, schmerzlindernde oder muskelentspannende Medikamente einzunehmen, um Schmerzen oder Muskelverspannungen zu vermeiden.
Zudem entscheidet der Operateur bei jedem Patienten individuell, ob er für die ersten Wochen nach der Operation, das Tragen eines unterstützenden orthopädischen Mieders bzw. einer Halskrawatte für notwendig hält.
Die Patienten bleiben in der Regel nach der Operation noch für sieben bis zehn Tage in der Klinik, da täglich Verbandswechsel und Wundinspektion erforderlich sind. Am 10. Tag werden meistens die Wundfäden entfernt.
Je nach Gesundheitszustand des Patienten, kann der Patient nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in eine Rehabilitationsklinik überwiesen werden oder zur ambulanten Weiterbetreuung sich zum Hausarzt begeben. Die Nachbehandlung besteht in beiden Fällen in körperlicher Schonung, Krankengymnastik und evtl. der Einnahme von Medikamenten.
Die Spinalkanalstenose verläuft immer progredient und schreitet mit unterschiedlicher Geschwindigkeit fort. Häufig ist durch eine konservative Behandlung die Rekompensation der klinischen Symptomatik möglich.
Liegt dagegen eine Bandscheibenverlagerung vor, so ist die Prognose ohne Behandlung stets ungünstig.
Bei operativer Dekompression besteht eine günstige Prognose.
Hilfreiche Tipps zur Vorbeugung einer Stenose:
Wichtig ist vor allem die krankengymnastische Therapie. Sie dient der Stabilisierung der Wirbelsäule durch ein entsprechendes Muskelaufbautraining. Die Krankengymnastik umfasst vor allem Muskelaufbautraining der Bauch- und Rückenmuskulatur, entlordosierende Übungen, sowie eine Hydro- und Balneotherapie.
Die Beschwerden bessern sich vor allem durch Vorbeugen, Hinsetzen, Hinlegen und Fahrradfahren, da sich hierbei der Wirbelkanal erweitert. Dagegen werden die Schmerzen beim Zurückbeugen der Wirbelsäule verstärkt, da es hier zu einer zusätzlichen Einengung des Wirbelkanals kommt.
In erster Linie sind ältere Patienten betroffen.
Letzte Aktualisierung am 15.06.2021.