Bei der chronisch-venösen Insuffizienz (CVI) handelt es sich um eine Erkrankung der Beinvenen, die dauerhaft nicht mehr in der Lage sind, das Blut zum Herzen zurück zu transportieren. Dies führt dazu, dass sich das Blut in den Beinen staut und die Flüssigkeit ins Gewebe austritt, das dadurch anschwillt. Diese Wassereinlagerungen nennt man Ödeme.
Die chronisch-venöse Insuffizienz entsteht meist als Folgezustand einer Phlebothrombose der Beine im Rahmen des so genannten postthrombotischen Syndroms. Allerdings kann auch eine lang andauernde Varikosis (Krampfadern mit schwerem Verlauf) zu diesem Krankheitsbild führen.
Da in den Venen ein wesentlich niedrigerer Druck herrscht, als in den Arterien, verlaufen sie direkt neben diesen und werden so bei jedem Pulsschlag zusammengedrückt. Auf diese Weise wird das Blut in der Vene weiter nach oben transportiert. Die Arterien werden in ihrer Arbeit durch die umgebenden Muskeln unterstützt, welche die Venen ebenfalls zusammendrücken, sobald sie angespannt werden.
Man spricht hier von der Arterien- und der Muskelpumpe. Um zu verhindern, dass das Blut bei nachlassender Kompression der Schwerkraft nach unten folgt, sind die Venen mit Klappen ausgestattet, die es nur in eine Richtung passieren lassen. Diese Klappen bestehen aus zwei bis drei segelförmigen Ausstülpungen der inneren Gefäßwand, die in der Mitte zusammenstoßen.
So lange das Blut von unten nach oben durch die Venen transportiert wird, liegen sie eng an der Gefäßwand an. Sobald aber die Kompression nachlässt und das Blut wieder nach unten strömen will, bläht es dabei die Klappensegel auf und die dadurch geschlossene Klappe hindert es am Weiterfließen und hält es in diesem Venenabschnitt.
Bei den oben genannten Erkrankungen kommt es zu einer Zerstörung der Venenklappen durch eine dauerhafte Erweiterung der Venen, die meist durch zu hohen Druck innerhalb der Gefäße entsteht. Wenn sich die Vene im Bereich einer Klappe erweitert, so kann diese nicht mehr richtig schließen und in der Mitte der Klappe bleibt ein Loch bestehen, durch das das Blut zurückfließen kann. Indem es das tut, drängt es die Klappensegel weiter auseinander, was zu einer stärkeren Erweiterung der Vene führt und schließlich dazu, dass die Klappe ihre Funktion völlig verliert.
Auf der nächstunteren Klappe liegt durch das zurück geflossene Blut ein höherer Druck, als sie ihn sonst gewohnt ist. Im Laufe der Zeit erweitert sich die Vene durch den erhöhten Druck auch in diesem Bereich, die Klappe wird undicht und der Kreislauf beginnt von neuem.
Auf diese Weise können die gesamten Venenklappen der tiefen Beinvenen zerstört werden und es kann zu einer chronisch-venösen Insuffizienz kommen.
Das Blut staut sich in den Venen zurück und das darin enthaltene Wasser sucht sich einen anderen Weg und geht in die umliegenden Gewebe über. Ein Teil kann danach über das Lymphsystem abtransportiert werden, der größere Anteil verbleibt allerdings dort und sorgt dafür, dass vor allem die Region um die Fußknöchel stark anschwillt. Dieser Vorgang der Wassereinlagerung wird als Ödembildung bezeichnet.
Die ersten Anzeichen einer chronisch-venösen Insuffizienz sind ziehende dumpfe Schmerzen in den Beinen, die vor allem bei langem Stehen oder Gehen zunehmen. Ebenso wie die später auftretenden Ödeme werden sie gegen Abend stärker und bessern sich, wenn die Beine hoch gelagert werden.
Im Krankheitsverlauf werden die Ödeme stärker und lassen sich nach einiger Zeit nicht mehr durch Hochlagern therapieren. Die Haut verändert sich und im Endstadium kommt es zu offenen Wunden am Unterschenkel in der Nähe der Knöchel, dem Ulcus cruris, das auch als 'offenes Bein' bezeichnet wird.
Diese Wunden entstehen durch die schlechte Versorgungsituation der Haut und des darunter liegenden Gewebes, da durch die Stauung des Blutes nicht ausreichend Nährstoffe dieses Gebiet erreichen und die gebildeten Abfallprodukte nicht zur Genüge abtransportiert werden. Sie sind in der Regel groß, schmerzlos und unscharf begrenzt. Ihre schlechte Versorgung führt auch dazu, dass derartige Ulzera schlecht abheilen. Die Bezeichnungen im Deutschen sind das Ulkus und die Ulzera oder Ulzerationen, das Ulcus cruris wird lediglich als Eigenname anders geschrieben.
Für die chronisch-venöse Insuffizienz gibt es zwei Einteilungen, die beide von den Symptomen ausgehen.
Die Einteilung nach Porter, auch CEAP-Klassifikation genannt, umfasst nach der klinischen Einteilung sieben Stadien, die nach ihrer Schwere geordnet sind:
Patienten mit offenem Ulcus cruris entwickeln in diesem Bereich häufiger eine Wundrose (Erysipel), da die Bakterien, die für diese Entzündung verantwortlich sind, über Verletzungen in der Haut eindringen. Durch die Unterversorgung des Gewebes sind auch die Abwehrkräfte in diesem Bereich stark eingeschränkt, so dass sich die Erreger relativ ungestört vermehren können.
Durch die Ödeme, die offenen Wunden und die narbigen Verwachsungen kann es im Laufe der Zeit zu Bewegungseinschränkungen im Sprunggelenk kommen.
Als erstes wird der Patient befragt, ob er bereits tiefe Beinvenenthrombosen durchgemacht hat, bevor der Arzt das Bein genau untersucht.
Zur apparativen Diagnostik hat sich die Farbduplexsonographie bewährt. Dabei handelt es sich um ein Ultraschallverfahren, mit dem nicht nur die Wände und Klappen der Venen dargestellt werden können, sondern auch die Flussrichtung und die Geschwindigkeit des strömenden Blutes. Mit Hilfe dieser Messwerte lässt sich feststellen, welche Venenabschnitte noch intakt sind und wo die Venenklappen nicht mehr in der Lage sind, das Blut adäquat am Zurückfließen zu hindern.
Bei Patienten mit Ulcus cruris und Ulkusnarben kann zur Diagnosesicherung eine aszendierende Phlebographie notwendig sein. Dabei wird dem Patienten ein Kontrastmittel in eine Vene des Fußrückens gespritzt, dass sich dann mit dem Blutstrom verteilt. Auf dem Röntgenbild erkennt man dann die gefüllten Venen und kann so genau beurteilen, bis wohin der venöse Abfluss gewährleistet ist.
Dieses Verfahren wird auch vor Operationen eingesetzt, wobei es in diesem Fall oft mit einer Messung des Venendruckes verbunden wird.
Differentialdiagnose des Beinödems:
Differentialdiagnose des Beinulkus:
Das betroffene Bein sollte tagsüber so oft wie möglich hochgelagert werden, gleichzeitig sollte der Patient sich regelmäßig bewegen, um die Muskelpumpe zu aktivieren und den Abtransport des Blutes so zu steigern. Auch nachts sollte das Bein mit Hilfe eines Kissens über Herzhöhe gelagert werden, damit das Blut zum Herzen hinab fließen kann.
Besonders wichtig ist es, langes Stehen und Sitzen zu vermeiden, da bei diesen Tätigkeiten der Rückfluss des Blutes selbst ohne chronisch-venöse Insuffizienz bereits erschwert ist.
Das wichtigste therapeutische Mittel ist der Kompressionsstrumpf, der einen Druck von etwa 20 bis 30 mmHg auf das Bein ausübt. Durch diesen Druck werden die im Inneren liegenden Venen komprimiert und die Klappenränder wieder näher zusammengebracht, so dass sie ihre Funktion teilweise oder ganz wieder aufnehmen können. Zusätzlich arbeiten die Muskeln des Beines gegen diesen Druck an und unterstützen so den Transport des Blutes.
Auf diese Weise wird das Blutvolumen im erkrankten Bein vermindert und der Rückfluss aus den tiefen Venen halbiert. Gleichzeitig wird der Abbau des Ödems und der Abtransport von Rückständen aus der Haut gefördert.
In der Regel reicht der Kompressionsstrumpf bis zum Knie, nur wenn die Venen des Knies und des Oberschenkels mit betroffen sind, sollten die Strümpfe das ganze Bein bedecken.
Wenn ein Stauungsekzem besteht, können Bettruhe und feuchte Umschläge mit einem einfachen Verband Linderung verschaffen. In jedem Fall sollte der Patient darauf achten, sich nicht zu kratzen, da die Heilungstendenzen der Haut bei der chronisch-venösen Insuffizienz sehr schlecht sind.
Die Hauptkomponente der Ulkustherapie ist die Kompression mit Kurzzugbinden und auf dem Ulkus aufliegenden Schaumgummipolstern. Diese müssen zu Beginn der Therapie täglich gewechselt werden. Sobald das Bein entstaut ist, kann ein gut gepolsterter Dauerverband angelegt werden. In einigen Fällen wird die Anwendung von Zinksalbe empfohlen, um die Ausheilung des Ulcus cruris voranzubringen.
In einigen Fällen kann es notwendig sein, dass der Patient Diuretika bekommt, um die Ödeme zu verringern. Diuretika sind Medikamente, welche die Ausscheidung von Wasser aus dem Körper fördern und so dazu beitragen, dass sich weniger Blut in den Venen zurückstauen kann.
Wenn die Ursache der chronisch-venösen Insuffizienz in einer Varikose begründet liegt, so kann es sinnvoll sein, diese zu sklerosieren. Dabei wird ein Medikament in die erweiterte Vene gegeben, das einen künstlichen Thrombus erzeugt und die Vene verschließt.
Dieses Verfahren ist nur bei leichten bis mittleren Varizen einsetzbar und die Chance, dass später wieder Varizen auftreten ist relativ hoch.
Wenn bei einer Varikose der großen oberflächlichen Venen deren Mündungen in die tiefen Beinvenen und die Verbindungsvenen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefen Venensystem insuffizient geworden sind, ist es sinnvoll, die funktionsunfähigen Venenabschnitte zu entfernen. Dabei wird die Vene an dem Segment, mit dem sie in die Hauptvene mündet, von dieser abgetrennt und die dort verlaufenden Venenäste abgebunden.
Oberhalb der nächstgelegenen funktionierenden Klappe wird eine Sonde in die Vene eingeführt, die oben aus dem Mündungssegment herauskommt und dort befestigt wird. Anschließend zieht der Operateur die Sonde zurück. Dadurch wird die Vene nach innen umgestülpt und mit der Sonde herausgezogen. Abschließend werden die im Körper verbleibenden Enden der Vene abgebunden.
Die Verbindungsvenen werden während der Operation verschlossen, damit es nicht zu Einblutungen kommen kann.
Diese Technik wird als Venenstripping bezeichnet.
Wenn ein Ulcus cruris so groß und chronisch ist, dass eine konservative Therapie nicht zur Abheilung führen würde, kann es notwendig sein, es zuerst zu operieren. Dabei wird die Wunde großzügig ausgeräumt und Gewebe, das nicht mehr zu retten ist, beseitigt.
Danach wird gesunde Haut auf das besser durchblutete Gewebe transplantiert, das nun frei liegt. Parallel dazu werden die nicht mehr funktionsfähigen Verbindungsvenen abgebunden, um den übermäßigen Druck des venösen Blutes aus dem Ulkus herauszunehmen und so die Heilung zu beschleunigen.
Wenn die Maßnahmen der konservativen Therapie konsequent durchgeführt werden, kann die chronisch-venöse Insuffizienz in ihrem Ausmaß eingegrenzt werden. Vor allem das regelmäßige Tragen der Kompressionsstrümpfe kann bei rechtzeitigem Therapiebeginn ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung und ihre Komplikationen verhindern. Werden diese Maßnahmen allerdings nicht eingehalten, so kann es zu den oben beschriebenen Ulzerationen kommen, die sehr schwer zu behandeln sind und schlecht ausheilen.
Letzte Aktualisierung am 15.07.2021.