Neue medizinische Erkenntnisse zeigen: Die Anzahl und die Vielfalt der Bakterien im Verdauungstrakt entscheidet besonders bei Schwergewichten über deren individuelle Krankheitsrisiken. Eine eher einförmige Bakterienflora erhöht offenbar die Wahrscheinlichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes zu erleiden.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern unter Leitung von Jeroen Rase an der Freien Universität Brüssel ist derzeit der Vielfalt der menschlichen Darmkulturen auf der Spur. Die Anzahl der unterschiedlichen Bakterien im Verdauungstrakt entscheidet offenbar nicht nur mit darüber, ob eine Person übergewichtig wird oder nicht, sie bestimmt auch deren Anfälligkeit für bestimmte Erkrankungen. An der Universität von Brüssel wurde in diesem Zusammenhang die Darmflora von 169 übergewichtigen und 123 normalgewichtigen Probanden untersucht.
Fettleibigkeit ist inzwischen europaweit ein großes Gesundheitsproblem. Stoffwechselerkrankungen verschiedenster Art breiten sich geradezu epidemisch aus. Dies ist zum Teil sicher an den üblichen, modernen Lebensstil geknüpft. Die Menschen üben häufig sitzende Tätigkeiten aus, bewegen sich zu wenig, haben dabei aber beständig Zugang zu hochwertiger, kalorienreicher Nahrung. Bis zum Jahr 2015 sind weltweit über 700 Millionen übergewichtige Menschen zu erwarten, die Tendenz steigt. Doch warum werden nicht alle Menschen gleichermaßen dick und krank?
Sowohl bei den dickeren als auch bei den normalgewichtigen Testpersonen fanden sich solche mit einer besonders reichhaltigen und andere mit einer reduzierten Darmflora. Die Testpersonen mit einer geringeren Anzahl unterschiedlicher Bakterien im Verdauungstrakt erwiesen sich durchwegs als empfänglicher für die typischen Stoffwechselstörungen Übergewichtiger. Auch chronische Entzündungserkrankungen traten bei diesen Patienten häufiger auf. Die fettleibigen Testpersonen aus dieser Gruppe tendierten zudem verstärkt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Offenbar sind also nicht allein Lebensweise und Essgewohnheiten für Gesundheitsprobleme verantwortlich, sondern vielmehr das Zusammenspiel mehrerer verschiedener Faktoren. Das Flämische Darmflora-Projekt, das von Jeroen Raes ins Leben gerufen wurde, soll nun auf andere Länder ausgeweitet werden, um die aktuellen Beobachtungen weiter zu untersuchen und die Ergebnisse auf eine breitere Basis zu stellen. Als Endergebnis erhofft man sich unter anderem neue Behandlungsmethoden für eine Reihe von weit verbreiteten Stoffwechselerkrankungen.
aktualisiert am 08.10.2013