Im Zeitalter des Internet zeichnet sich ein neuer Trend ab: Mediziner müssen stärker als früher damit rechnen, dass ihre Diagnosen und Therapieempfehlungen hinterfragt werden. Suchmaschinen wie Google, spezielle Portale oder Foren liefern bereits 65 Prozent aller Patienten breites Hintergrundwissen und ausführliche Erklärungen. Die Studie „Zweitmeinungsverfahren aus Patientensicht“ wurde im vergangenen Jahr von den Asklepios Kliniken durchgeführt. Über 1000 Fragebögen wurden dazu ausgewertet.
Schon immer war es üblich, sich mit Freunden, Bekannten und vor allem Angehörigen über Befindlichkeitsstörungen und Arztbesuche zu beraten. Dennoch holen kaum mehr als 50 Prozent der in der Studie Befragten eine zweite Meinung von einem anderen Arzt ein. Noch immer wird dem zuerst konsultierten Mediziner das meiste Vertrauen entgegengebracht, erst danach wenden sich Patienten an das persönliche Umfeld, durchsuchen das Internet oder nutzen die Informationsdienste der Krankenkassen. Auch der Griff zum Gedruckten ist eher selten.
Mittlerweile genießen Foren, Internet-Plattformen und Internet-Nachschlagewerke sogar mehr Vertrauen als Bekannte oder Familienangehörige. Die Chance, sich anonym zu Hause sachliche Informationen auch über sehr persönliche Gesundheitsfragen zu sammeln, wird vor allem von Frauen intensiv wahrgenommen. Sie neigen im Gegensatz zu Männern dazu, sich Rat von verschiedenen Seiten einzuholen. Männer setzen insgesamt verstärkt auf die kompetente Beratung beim Mediziner.
Patienten sollten wissen, dass seit 1989 die Krankenkassen eine zweite Diagnose bei einem anderen Arzt finanzieren - schließlich bedeutet manches Untersuchungsergebnis und mancher Therapievorschlag einen markanten Einschnitt im Leben des Patienten. In über 30 Prozent aller Fälle wurde das Einholen einer Zweitmeinung vom behandelnden Arzt selbst angeregt.
Dabei geht es nicht nur um das Sicherheits- und Informationsbedürfnis der Betroffenen, sondern auch um eine Entscheidungserleichterung. Zudem öffnet sich häufig der Blick für in Frage kommende alternative Behandlungsmethoden.
Befragte aus der Asklepios-Umfrage geben auch an, dass die Diagnose eines zweiten Arztes ihnen bei der Entscheidung für oder gegen eine Therapie maßgeblich geholfen hätte. In über 75 Prozent dieser Fälle stärkte die zweite Diagnose das Vertrauen zum behandelnden Arzt, mit dem gemeinsam eine Entscheidung getroffen wurde.
Im Netz werden medizinische Fachbegriffe verständlich erklärt, Hintergrundwissen und Zusammenhänge geliefert, und manches wirksame Hausmittel aus Großmutters Zeiten erlebt auf diesem Wege eine Renaissance. Allerdings ist es für medizinische Laien oft schwer, Unsinn von handfesten und hilfreichen Fakten zu unterscheiden oder Symptome richtig zu bewerten. Hier ist ein kompetenter Mediziner die einzig sinnvolle Anlaufstelle. Für einige Ärzte sind die neuen, gut informierten, selbstbewussten und dabei oft kritischen Patienten noch eine echte Herausforderung: Der Erklärungsbedarf in der Praxis dürfte eher zunehmen, und Vertrauen lässt sich nur durch Offenheit und Empathie aufbauen.
aktualisiert am 09.12.2014