Niemand ist ohne Fehler. Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister sind Menschen wie jeder andere. Auch ihnen können Fehler bei der Behandlung eines Patienten unterlaufen. Die Folgen sind dann leider häufig gravierend. Deswegen müssen Ärzte auch eine Haftpflichtversicherung abschließen. Diese soll einem geschädigten Patienten seinen Schaden möglichst schnell und unkompliziert ersetzen. In der Praxis stehen Patienten jedoch häufig vor großen Problemen, wenn es um die Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche geht. Dieser Leitfaden soll eine erste Hilfe dafür sein.
1. Ein erster Verdacht
Nicht jedes Fehlschlagen einer ärztlichen Behandlung stellt gleich einen vorwerfbaren Fehler des Arztes dar. Die medizinische Behandlung ist häufig schwierig. Der Arzt kann den Erfolg somit nicht garantieren. Jeder Eingriff in den Körper beinhaltet zudem auch Risiken, die auch der beste Arzt nicht ausschließen kann. Der Arzt haftet deshalb nur, wenn er leichtsinnig handelt und Qualitätsstandards verletzt oder wenn er den Patienten über ein vorhandenes Risiko nicht richtig aufgeklärt hat.
2. Soll ich meinen Arzt offen auf meinen Verdacht ansprechen?
Ein offenes Wort kann vieles klären. Dennoch müssen Patienten hier vorsichtig sein. Viele Ärzte haben Angst davor, einen Fehler zuzugeben. Sie fürchten um ihren Versicherungsschutz. Es besteht deshalb die Gefahr, dass der Arzt nachträglich Unterlagen verfälscht, um seinen Fehler zu vertuschen. Patienten sollten deshalb gegenüber ihrem Arzt nicht direkt von einem möglichen Fehler sprechen, sondern besser ganz allgemein fragen, warum die Heilung nicht wie erhofft verläuft.
Oftmals sind nachbehandelnde Ärzte, etwa der Hausarzt, eine hilfreiche Informationsquelle. Sie erkennen am ehesten, ob andere Ärzte etwas falsch gemacht haben. Im persönlichen Gespräch scheuen sie häufig auch nicht das offene Wort. Aber auch hier ist Vorsicht angebracht. Bei vielen Ärzten herrscht immer noch ein falsches Verständnis von Kollegialität. Formulieren Sie Ihre Vorwürfe zu „scharf", wird der nachbehandelnde Arzt den Kollegen zu schützen versuchen.
3. Kann ich meine Patientenkartei einsehen?
Jeder Arzt und jedes Krankenhaus muss dem Patienten auf Wunsch Einblick in seine Patientenakten gewähren. Einen Grund hierfür muss der Patient nicht angeben. Gegen Kostenerstattung kann der Patient auch eine Kopie davon verlangen. Dies haben die Gerichte schon seit Längerem höchstrichterlich entschieden. Leider kommt es trotzdem immer wieder vor, dass der Arzt trotzdem die Einsicht verweigert. Dann hilft meist ein Gang zum Rechtsanwalt, der die Patientenkartei dann schriftlich beim Arzt anfordert. Reagiert der Arzt auch darauf nicht, kann man vor Gericht klagen. Die Kosten muss dann der Arzt ersetzen.
4. Wie kann ich die Behandlung durch einen Arzt überprüfen lassen?
Medizinischer Dienst der Krankenkassen
Die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) unterstützen ihre Mitglieder bei der Aufklärung von Behandlungsfehlern oder Verletzungen der Aufklärungspflicht. Dazu beauftragen sie den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Versicherte muss dafür seinen Verdacht schriftlich formulieren. Meistens halten die Krankenkassen dafür ein besonderes Formular vor. Dieses Verfahren ist für den Patienten kostenlos. Die Privaten Krankenversicherer (PKV) leisten diese Unterstützung in der Regel leider nicht.
Gutachter- und Schlichtungsstellen der Ärztekammern
Die Ärztekammern haben sogenannte Gutachter- und Schlichtungsstellen eingerichtet. Auch diese erstellen auf Antrag des Patienten ein Gutachten. Auch hier muss der Patient seine Vorwürfe zunächst schriftlich formulieren. Anders als beim Gutachten durch den MDK hat der Arzt hier die Möglichkeit, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Diese Möglichkeit steht sowohl gesetzlich als auch privat Krankenversicherten offen und ist für sie kostenlos. Da die Gutachter- und Schlichtungsstellen allerdings von den Haftpflichtversicherern und den Ärzten bezahlt werden, stehen sie häufig im Verdacht, eher zu Gunsten der Ärzte zu entscheiden.
Spezialisierte Rechtsanwälte
Rechtsanwälte mit einer besonderen Qualifikation im Arzthaftungsrecht, etwa Fachanwälte für Medizinrecht, können bei der Aufklärung eines Sachverhalts ebenfalls Hilfestellung leisten. Insbesondere sind sie in der Lage, eine mögliche Verletzung der Aufklärungspflicht zu erkennen. Wenn es um die Frage eines Behandlungsfehlers geht, müssen auch sie auf ärztlichen Sachverstand zurückgreifen. Meist geschieht dies dadurch, dass sie im Namen des Patienten die Krankenkasse oder die Ärztekammern um Unterstützung bitten. Manche Rechtsanwälte vermitteln auch Privatgutachter, die dann im Auftrag des Patienten ein Gutachten erstellen. In besonders schweren Fällen kann mit Hilfe eines Rechtsanwalts auch eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Diese ermittelt dann den Sachverhalt und beauftragt gegebenenfalls einen Sachverständigen.
5. Wie setze ich meinen Schadensersatzanspruch durch?
Besteht Gewissheit darüber, dass ein Behandlungsfehler begangen wurde oder Aufklärungspflichten verletzt wurden, muss die Höhe des Schadens beziffert werden. Der geschädigte Patient hat Anspruch auf ein Schmerzensgeld, aber auch auf Ersatz aller weiteren Schäden wie Verdienstausfall, Pflegekosten und ähnliches. Spätestens hier kommt man ohne anwaltliche Hilfe meistens nicht mehr aus. Die Verhandlungen mit den gegnerischen Haftpflichtversicherern verlaufen oft sehr kompliziert. Außerdem werden Patienten ohne anwaltlichen Beistand häufig als Verhandlungspartner nicht ernst genommen und erhalten nur sehr niedrige Entschädigungszahlungen.
Kann man sich nicht auf eine Schadenersatzzahlung einigen, bleibt der Gang zu Gericht. Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, ist hier im Vorteil. Denn gerade Arzthaftungsprozesse können sehr teuer werden und der Patient muss diese Kosten zunächst vorstrecken.
6. Wie regiere ich, wenn mir die Gegenseite eine Abfindungszahlung anbietet?
Manchmal erhalten Patienten die ohne anwaltliche Vertretung Schadenersatz gefordert haben, vom gegnerischen Haftpflichtversicherer ein Angebot zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche. Bei solchen Offerten ist Vorsicht angebracht. Die angebotenen Summen sind meist viel zu niedrig. Außerdem handelt es sich dabei oft um Fälle, bei denen der Patient gute Aussichten hat, vor Gericht zu gewinnen. Bevor man eine solche Vereinbarung unterzeichnet, sollte man diese unbedingt von einem Rechtsanwalt prüfen lassen.