Als Extremitätenschmerz (lat. extremus, der Äußerste: medizinische Bezeichnung der Gliedmaßen) werden Schmerzen in Armen und Beinen bezeichnet, die plötzlich einsetzen oder chronisch bestehen. Sie können beide Arme und Beine betreffen oder nur lokal an einer Stelle auftreten. Häufig sind die Schmerzen durch entzündliche Prozesse an Gelenken oder Muskeln bedingt, sie können jedoch auch als Symptom anderer Erkrankungen auftreten. Gliederschmerzen sind eines der häufigsten Symptome in der Medizin, die sich in sehr unterschiedlicher Weise äußern können.
Infektiöse und Gefäßerkrankungen können Schmerzen in Armen und Beinen verursachen
Schmerzen in Armen und Beinen können durch die verschiedensten Erkrankungen hervorgerufen werden und sind damit ein relativ unspezifisches Symptom. Daher ist es sehr wichtig, die Art der Beschwerden und die zusätzlich auftretenden Begleitsymptome zu beachten.
Infektiöse Erkrankungen
- Erkältung oder grippaler Infekt: Durch Viren (wie Rhinoviren) verursachte, grippeähnliche Krankheit. Die typischen Symptome sind Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, Husten, Heiserkeit, Halsschmerzen und ein allgemeines Abgeschlagenheitsgefühl.
- Influenza, „echte" Grippe: Durch das Influenzavirus (A oder B) ausgelöste Infektionskrankheit. Die Influenza unterscheidet sich von anderen grippalen Infekten vor allem in ihrem Verlauf und Schweregrad. Die Krankheit beginnt plötzlich mit hohem Fieber und einem schweren Krankheitsgefühl. Häufig treten Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten und Schnupfen auf, seltener auch Übelkeit und Erbrechen.
Gefäßerkrankungen
- Akuter oder chronischer Arterienverschluss: Dabei wird eine Arterie in den Armen oder Beinen fast oder vollständig verschlossen, sodass die Extremität nicht mehr mit Blut versorgt wird. Ein langsamer Verschluss entsteht durch Gefäßverkalkung (Arteriosklerose), wohingegen ein plötzlicher Verschluss durch einen Embolus, ein Blutgerinnsel, verursacht wird. Typische Begleitsymptome einer chronisch arteriellen Verschlusskrankheit (AVK) sind Kältegefühl in der betroffenen Extremität, Schmerzen unter Belastung, zum Beispiel beim Gehen, schwach oder nicht tastbare Pulse, blasse Haut und zum Teil Lähmungserscheinungen. Zeichen einer akuten Embolie ist ein plötzlich auftretender, teils heftiger Schmerz in einem bestimmten Bereich.
- Chronische Beinvenenschwäche: Bei einer venösen Insuffizienz schließen die Klappen der Venen nicht mehr vollständig, sodass sich vor allem nach längerem Stehen oder Sitzen das Blut in den Beinen staut. Charakteristische Begleitsymptome sind:
- schwere Beine, Ödeme (Wassereinlagerungen) an Knöcheln und Unterschenkeln
- sichtbare, hervortretende, prall gefüllte Venen, Krampfadern
- nächtliche Wadenkrämpfe
- entzündete, durch Thromben verengte Venen
- braune Flecken, offene Stellen, schlecht heilende Wunden
- Raynaud-Syndrom: Durch eine krampfartige Verengung einer Arterie bedingte Durchblutungsstörung. Dieses Syndrom tritt meist an Händen und Füßen auf und wird durch Kälte oder emotionalen Stress ausgelöst. Häufig sind nur einige Finger oder ein umschriebener Bereich betroffen, der durch die Minderperfusion extrem weiß und kalt wird. Löst sich der Arterienkrampf wieder, wird die Haut stark durchblutet.
- Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (CRPS), Sudeck-Syndrom: Eine Erkrankung, die nach Verletzung, Operation oder Entzündung einer Extremität entsteht. Mögliche Symptome sind Schmerzen, Schwellung, Rötung oder bläuliche Haut, übermäßige oder keine Schweißabsonderung, Ödeme, glänzende Haut, Muskelschwäche, Muskelabbau sowie Gelenksteife.
- Oberflächliche Entzündung der Venen, häufig durch Blutgerinnsel (Thromben) verursacht (Thrombophlebitis): Bei dieser Erkrankung treten die Schmerzen an einer umschrieben Stelle auf. Meist ist dort eine prall gefüllte Vene zu sehen und zu tasten, die vor allem bei Berührung und Druck schmerzt. Häufig zeigen sich auch um die Stelle herum Zeichen einer Entzündung wie Schwellung, Rötung und Überwärmung.
- Verschluss einer tiefen Beinvene (tiefe Venenthrombose): Sie entsteht, wenn ein Blutgerinnsel eine tief in der Muskulatur liegende Vene verstopft. Typische Symptome sind:
- Schwellung, Wassereinlagerung (Ödem)
- Bläuliche Verfärbung der Haut
- Rote Punkte auf der Haut, Einblutungen (Petechien)
- Schmerzen vor allem bei Druck auf die betroffene Extremität
- Erkrankungen der Lymphgefäße: Bei Schädigungen des Lymphsystems kann die Flüssigkeit aus dem Gewebe nicht mehr abtransportiert werden. Dadurch entstehen Wassereinlagerungen (Ödeme) und bei Entzündung der Lymphgefäße auch schmerzhafte Lymphknotenschwellungen.
Neurologische Erkrankungen
- Migräne mit begleitenden Schmerzen in Nacken, Schultern und Armen
- Entzündliche Erkrankungen oder Tumore im Bereich des Gehirns oder Rückenmarks, wobei häufig Missempfindungen, Brennen und Schmerzen auftreten.
- Prozesse an der Wirbelsäule, die in die Extremitäten ausstrahlende Schmerzen verursachen: Bandscheibenvorfall, Osteomyelitis, Tumore, Plasmozytom
- Erkrankungen peripherer, in Armen oder Beinen verlaufenden Nerven: Polyradikulitis, Polyneuropathie, Herpes zoster. Dabei treten häufig Missempfindungen, Brennen, Taubheit, Lähmungen und Muskelabbau auf. Häufigste Ursachen der Neuropathien sind Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch.
- Verletzungen von Nervenbündeln durch einen Unfall oder eine Einklemmung
Muskelerkrankungen
- Muskelkater, Muskelfaserriss durch Überbelastung, zum Beispiel beim Sport
- Verspannung durch fehlerhafte Haltung oder Fehlstellung der Extremitäten
- Muskelentzündung (Polymyositis, Dermatomyositis)
Knochenerkrankungen
- Osteomyelitis, Entzündung der Knochen
- Osteoporose, Osteomalazie (Knochenerweichung)
- Knochenzysten, Knochentumore
Gelenkserkrankungen
- Verletzungen durch einen Unfall
- Rheumatische Erkrankungen: Arthritis deformans, Spondylosis, Periarthrose, rheumatisches Fieber, Kollagenosen, Morbus Bechterew, Sjörgen-Syndrom, chronische Polyarthritis etc.
- Bakterielle Infektionen des Gelenks
- Gelenksentzündung (Arthritis) nach einer Infektion (nach Scharlach, Mumps, Borreliose)
Stoffwechselerkrankungen
- Gicht: Bei dieser Krankheit lagern sich Harnsäurekristalle vor allem in den kleinen Gelenken der Finger und Zehen ab, die dort chronische Entzündungsprozesse verursachen. Dadurch entstehen anfallsartig heftige Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.
- Diabetes mellitus: Die klassischen Symptome sind Missempfindungen und Taubheitsgefühle an Händen und Füßen, Brennen und Durchblutungsstörungen.
Eine neurologische Untersuchung ist unerlässlich
Da Schmerzen in Armen und Beinen sehr unspezifische Symptome sind, ist zur Diagnosestellung eine genaue Schilderung der Beschwerden unerlässlich. Dabei sind für den Arzt folgende Fragen entscheidend:
- Wo genau treten die Schmerzen auf?
- Sie die Schmerzen an einem bestimmten Punkt am stärksten und strahlen dann aus?
- Wann traten sie zum ersten Mal auf, haben sie schleichend oder plötzlich begonnen?
- Gibt es bestimmte Auslöser, treten sie zu einer bestimmten Tageszeit auf?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an, sind sie pulsierend, stechend, dumpf, brennend?
- Verschwinden die Schmerzen auch wieder oder bleiben sie dauerhaft bestehen?
- Welche Begleitsymptome treten auf?
- Gab es früher Unfälle oder Operationen?
- Leidet der Patient an einer Krankheit, nimmt er Medikamente?
- Wie ist seine sportliche oder berufliche Belastung?
- Trinkt der Patient Alkohol und raucht er?
Bei der klinischen Untersuchung achtet der Arzt neben dem Allgemeinzustand des Patienten vor allem auf die betroffenen Extremitäten. Dabei beurteilt er vor allem Temperatur, Farbe und Beschaffenheit der Haut sowie sicht- und tastbare Gefäße. Er achtet auf Verletzungen, Blutergüsse, Krampfadern, Schwellungen und die Stellung der Gelenke. Außerdem untersucht er die Gelenke, ob diese gut oder eingeschränkt beweglich sind, ob sie auf Druck schmerzhaft sind und ob die Muskulatur verspannt wirkt.
Wichtig sind außerdem die Funktionsprüfung der Wirbelsäule und der großen Gelenke sowie das Messen von Puls und Blutdruck an allen vier Extremitäten. Bei der neurologischen Untersuchung werden Reflexe, Sensibilität (Empfindungsvermögen der Haut) und Motorik (Bewegungsfähigkeit) überprüft.
Im Labor werden aus einer Blutprobe verschiedene Werte gemessen, die auf eine Erkrankung hinweisen können. Dazu gehören verschiedene Proteine, das C-reaktive Protein (CRP), die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), der Blutzucker, der Harnsäurespiegel und verschiedene Rheumafaktoren. Außerdem wird ein Blutbild erstellt, bei dem die Zusammensetzung der Blutzellen bestimmt wird.
Weiterhin werden mittels spezieller Ultraschalltechniken (Doppler- oder Duplexsonographie) die Gefäße untersucht. Arterien und Venen können auch mithilfe von Kontrastmittel im Röntgenbild sichtbar gemacht werden. Zusätzlich kann eine Computer- oder Magnetresonanztomographie (CT bzw. MRT) erstellt werden. Bei Verdacht auf eine Erkrankung der Muskulatur wird ein so genanntes Elektromyogramm (EMG) zu Beurteilung der Muskel- und Nervenfunktion erstellt.
Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung
Die Behandlung von Schmerzen in Armen oder Beinen richtet sich nach der gestellten Diagnose und fällt daher sehr unterschiedlich aus. Über die richtige Behandlung kann nur ein Facharzt nach Sicherung der Diagnose entscheiden.
Schmerzen bei grippalen Infekten und Grippe müssen in der Regel nicht speziell therapiert werden, die Virusinfektionen heilen meist von selbst aus. Den Heilungsprozess fördern können die bekannten Hausmittel: Viel trinken, viel schlafen. Gegen starke Schmerzen und Fieber können Medikamente wie Paracetamol oder Acetylsalicylsäure eingenommen werden.
Bei Gefäßerkrankungen ist es besonders wichtig, die Gefäße wieder zu öffnen oder offen zu halten. Akute Gefäßverschlüsse können durch Medikamente, die die Blutgerinnsel auflösen oder durch eine Aufdehnung des Gefäßes mittels Kathetertechnik behandelt werden. Um der Entstehung von Blutgerinnseln vorzubeugen, müssen Gerinnungshemmer wie Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosierung oder Vitamin-K-Antagonisten eingenommen werden.
Entzündliche Erkrankungen der Nerven, Muskeln, Knochen oder Gelenke können häufig durch die Gabe von Kortison und anderen entzündungshemmenden Stoffen behandelt werden. Zusätzlich ist eine den Schmerzen angepasste Gabe von Schmerzmitteln angezeigt.