Bei der Gleichgewichtsprüfung wird der Gleichgewichtssinn eines Patienten untersucht. Dies erfolgt mit mehreren Tests, bei denen die unwillkürlichen Augenbewegungen beobachtet werden, die normalerweise bei Stimulierung des Gleichgewichtsorgans auftreten.
Die Gleichgewichtsuntersuchung erfolgt bei Gleichgewichtsstörungen und bei Schwindel, um Hinweise auf die Ursache dieser Symptome zu bekommen.
Oftmals liegt bei solchen Beschwerden eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans vor. Das hauptsächliche Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan) liegt im Innenohr und besteht aus drei senkrecht zueinander stehenden Bogengängen sowie zwei weiteren damit verbundenen Hohlräumen (Sacculus und Utriculus).
Durch die Bewegung der Flüssigkeit innerhalb des Gleichgewichtsorganes werden die feinen Härchen bestimmter Sinneszellen verbogen, so dass Beschleunigungen des Körpers in verschiedene Richtungen registriert werden. Zu den Störungen des Gleichgewichtsorganes gehört der gutartige Lagerungsschwindel, der durch kleine Kristalle in den Bogengängen ausgelöst wird und sich durch anfallsweisen Drehschwindel äußert. Eine andere Erkrankung ist der Morbus Menière, bei dem es durch eine Störung im Innenohr zu Anfällen von Schwindel, Hörverlust und Tinnitus kommt. Ähnliche Symptome, die auch von Ohrenschmerzen und Fieber begleitet sein können, zeigen sich bei einer Innenohrentzündung (Labyrinthitis), welche durch eine Infektion mit Viren oder Bakterien bedingt sein kann. Schäden im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs können ebenfalls noch durch Verletzungen (wie ein Schädelbasisbruch) entstehen.
Manchmal können Schwindel und Probleme mit dem Gleichgewicht durch eine Beeinträchtigung von Nerven ausgelöst werden. Dies ist beispielsweise der Fall bei Erkrankungen im zentralen Nervensystem wie Schlaganfällen oder Tumoren, wenn der Hirnstamm oder das Kleinhirn mit einbezogen sind. Ebenso können Ausfälle des Gleichgewichtsnervs, unter anderem durch Entzündung (Neuritis) oder durch Tumore (Akustikusneurinom), diese Symptome bedingt sein. Nervenausfälle, die den Gleichgewichtssinn betreffen, können ebenfalls bei Multipler Sklerose auftreten.
Schwindelgefühl kann oftmals allerdings bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mitunter auch im Rahmen eines so genannten Wirbelsäulensyndroms (HWS-Syndrom) auftreten. Des Weiteren wird eine Gleichgewichtsprüfung auch bei einem Hörsturz vorgenommen, um zur Diagnose beizutragen.
Es gibt einige Untersuchungen, mit denen auf einfache Weise kontrolliert werden kann, ob eine Störung des Gleichgewichts vorliegt. Dazu gehört unter anderem der Stand oder Gang mit geschlossenen Augen oder das Zeigen auf die eigene Nasenspitze, ebenfalls bei geschlossenen Augen.
Das Gleichgewicht kann über verschiedene Tests genauer untersucht werden. Allen gemeinsam ist, dass eine Reizung auf das Gleichgewichtsorgan ausgeübt wird und die dadurch entstehenden automatisch auftretenden Augenbewegungen (Nystagmus) beobachtet werden. Die meisten der möglichen Prüfungen geschehen durch Veränderungen der Lage, der Nystagmus kann aber auch durch manche anderen Reize wie Temperaturänderungen im Ohr ausgelöst werden, was der Untersucher sich bei der thermischen Vestibularisprüfung zunutze macht.
Betrachtet werden die Augenbewegungen meist durch eine so genannte Frenzel-Brille, die der Patient aufsetzt. Diese Brille besteht aus sehr starken Gläsern, die einerseits verhindern, dass die Außenwelt vom Patienten scharf gesehen werden kann, aber andererseits dazu dienen, dass der Arzt die Augen des Patienten in Vergrößerung beobachten kann. Die Untersuchung kann jedoch auch über Elektroden, die die Bewegungen der Augen aufzeichnen, erfolgen.
Alkohol und andere Rauschmittel haben einen Einfluss auf das Gleichgewichtssystem und sollten vor einer Gleichgewichtsprüfung nicht konsumiert werden. Ansonsten sind keine Besonderheiten vor der Untersuchung zu beachten.
Anfangs befragt der Arzt den Patienten genau über die Symptomatik und eventuelle Vorerkrankungen (Anamnese). Dann erfolgt eine körperliche Untersuchung. Es können einfache Tests des Gleichgewichts erfolgen. Dazu gehören der Romberg-Versuch, bei dem der Patient bei geschlossenen Augen beidbeinig oder einbeinig problemlos stehen soll, sowie das Treten auf der Stelle oder das Gehen auf einer Linie bei geschlossenen Augen. Ebenfalls können Koordinationsversuche (das Zeigen der eigenen Nasenspitze mit geschlossenen Augen) erfolgen.
Es folgt dann die eigentliche Gleichgewichtsprüfung anhand des Nystagmus (unwillkürliche Augenzuckungen). Der Patient trägt dazu eine Frenzel-Brille. Der Arzt überprüft, ob in Ruhe und ohne äußere Einflüsse bereits ein Nystagmus vorliegt. Dann wird getestet, ob sich durch bestimmte Reize ein normaler Nystagmus auslösen lässt. Bei der Drehprüfung wird der Patient auf einem Drehstuhl um die eigene Achse gedreht und plötzlich wieder abgestoppt. Während und nach der Drehung werden die Augenbewegungen beobachtet. Der Drehversuch wird in die Gegenrichtung wiederholt.
Ebenfalls kann eine Lageprüfung und eine Lagerungsprüfung erfolgen. Bei der Lageprüfung wird nachgesehen, ob der Patient in verschiedenen Körperlagen (rechtsseitig, linksseitig, bei hängendem Kopf) einen Nystagmus zeigt. Zur Lagerungsprüfung wird der Patient rasch in unterschiedliche Körperpositionen gebracht, wobei ebenfalls die Augen beobachtet werden. Eine spezielle Lagerungsprüfung ist der Test nach Hallpike, bei dem der Patient schnell von einer sitzenden in eine liegende und seitliche Position gebracht wird.
Ein Nystagmus kann aber nicht nur durch Körperbewegung erzeugt werden, sondern auch durch andere Einflüsse. Dies geschieht bei der thermischen Prüfung. Dabei wird der äußere Gehörgang eines Ohres entweder mit warmem oder mit kaltem Wasser gespült. Zeigen sich dabei Veränderungen des regelrechten Nystagmus, so kann auf eine Störung des Gleichgewichtsorgans geschlossen werden. Auf ähnliche Weise kann eine Untersuchung mit elektrischem Strom (galvanische Prüfung), mit Druckluft oder mit markanten, bewegten optischen Reizen (optokinetische Prüfung) erfolgen.
Neben vorübergehenden harmlosen Symptomen wie Schwindel und Übelkeit können durch die Gleichgewichtsprüfungen keine Komplikationen ausgelöst werden.
Oftmals sind verschiedene Hörprüfungen sinnvoll, damit die Funktion des gesamten Innenohres des Patienten beurteilt werden kann. Ebenso kann eine Betrachtung des Ohres durch das Ohrmikroskop angezeigt sein. Je nach der Symptomatik oder der Ursache können auch andere Untersuchungen zum Einsatz kommen, beispielsweise bildgebende Verfahren wie die Kernspintomographie (MRT).
Letzte Aktualisierung am 27.09.2021.