Die Netzhaut ist diejenige Struktur, die Lichtstrahlen aus der Umgebung empfängt und sie in elektrische Impulse umwandelt. Diese Impulse werden vom Sehnerv in das Gehirn transportiert, wo sie dann als Bild interpretiert und verarbeitet werden. Eine gute Durchblutung der Netzhaut (Retina) ist sehr wichtig, da hier viele Stoffwechselvorgänge ablaufen, die viel Sauerstoff verbrauchen. Eine längere Durchblutungsstörung der Netzhaut führt fast unweigerlich zu Erblindung. Da es sich bei der Retina um Nervenzellen handelt, kann sie noch nicht ersetzt werden.
Es gibt verschiedene Ursachen für Durchblutungsstörungen der Netzhaut, die mit Abstand häufigste ist dabei die diabetische Retinopathie. Dieser Begriff fasst alle Erscheinungen zusammen, die durch Diabetes ausgelöst werden und zu Schäden an der Netzhaut führen.
Diabetes ist die häufigste Ursache für Erblindung im Erwachsenenalter, daher sollte diese Erkrankung nicht leichtfertig abgetan werden. Durch Gefäßveränderungen wird die Durchblutung der Retina negativ beeinflusst. Es kommt erst zu Störungen der Sicht, dann zum Ausfall der Sehfähigkeit.
Der Auslöser für die diabetische Retinopathie ist die Zuckerkrankheit Diabetes. Der normale Nüchternblutzuckerwert liegt unter 100 mg/dl, ab einem Nüchternwert von 126 mg/dl besteht der dringende Verdacht auf Diabetes mellitus.
Diabetes mellitus kann in zwei verschiedene Kategorien unterteilt werden:
Bei beiden Diabetesformen ist der Auslöser für die Entstehung einer Retinopathie der gleiche. Durch den dauerhaft erhöhten Zuckergehalt im Blut werden Reaktionen der Gefäßwand mit den Zuckermolekülen wahrscheinlicher. Wenn Proteine der Gefäßwand stark glykosyliert („verzuckert") sind, wird das Gefäß langsam verschlossen, was dann zu einer Minderdurchblutung der nachgeschalteten Netzhautabschnitte führt.
Das erste Symptom der diabetischen Nephropathie ist die Verschlechterung der Sehfähigkeit, ohne dass es zum -für Fehlsichtigkeiten wie Kurz- oder Weitsichtigkeit- typischen Verschwommensehen kommt. Im fortgeschrittenen Stadium kann dann entweder nur ein Teil des Gesichtsfeldes oder das gesamte Gesichtsfeld komplett ausfallen.
Es werden allgemein drei verschiedene Formen der diabetischen Retinopathie unterschieden:
Durch den verminderten Durchmesser der kleinen Gefäße kommt es zu Sauerstoffmangel hinter den Verengungen und Druckerhöhungen vor den Engstellen. Dadurch entstehen Aussackungen der Gefäßwände (Aneurysmen), die platzen können. Daraus resultieren Blutungen und lokal beschränkte Ausfälle der Sehfähigkeit. Der erhöhte Druck bedingt auch, dass Eiweiß und Flüssigkeit aus den Gefäßwänden gepresst wird und zu Wassereinlagerungen führt. Meist verursacht diese Form der Retinopathie noch keine Symptome, da der Punkt des schärfsten Sehens, die Macula densa, nicht mitbetroffen ist. Das Auge bewegt sich immer so, dass die meisten Lichtstrahlen auf diesen Punkt fallen. Deshalb werden Ausfälle am Rand des Gesichtsfeldes oft erst spät oder gar nicht bemerkt.
Eine länger andauernde Minderdurchblutung resultiert meist in einem Sauerstoffdefizit. Durch den Sauerstoffmangel, der hinter dem verschlossenen Gefäß entsteht, werden verschiedene Stoffe ausgeschüttet, die eine Neubildung von Gefäßen auslösen. Diese Gefäße sind jedoch brüchig und bluten leicht, was dann zu Einblutungen in den Glaskörper führt. Außerdem können die neuen Gefäße Zug auf die Netzhaut ausüben und diese vom Augenhintergrund ablösen, was zu einer sofortigen Erblindung führt, die nur durch eine Notoperation unter Umständen behandelt werden kann. Eine weitere Gefahr für das Auge spielt sich im vorderen Teil ab. Die Gefäßneubildungen in der Regenbogenhaut (Rubeosis iridis) können den Kammerwinkel verschließen. Über diesen Kammerwinkel fließt normalerweise das Kammerwasser ab. Wenn dieser Winkel verschlossen ist, kommt es durch das gestaute Kammerwasser zu erhöhtem Augeninnendruck (grüner Star oder Glaukom), der dann die Sehfähigkeit gefährdet.
Hier ist die Makula densa, der schärfste Punkt des Sehens, direkt betroffen. Bei Blutungen oder Wassereinlagerungen (Ödemen) kommt es zur lokalen Druckerhöhung, die dann die Nervenzellen schädigen und ohne Behandlung auch zerstören kann. Es kommt hierbei relativ schnell zu starken Einschränkungen der Sehfähigkeit.
Es ist sehr wichtig, die diabetische Retinopathie frühzeitig zu diagnostizieren, da eine schnelle Behandlung das Augenlicht häufig retten kann.
Die Befragung des Patienten steht am Anfang der Diagnostik. Wichtig ist hierbei, auf die aktuellen Beschwerden einzugehen und den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens zu bestimmen. Außerdem sollten auch die Dauer der Diabeteserkrankung und der Typ bestimmt werden.
Hierzu werden verschiedene Objekte in einer bestimmten Entfernung beurteilt. Dieser Test dient dazu, die Sehfähigkeit und die Sehschärfe zu beurteilen. Außerdem sollten noch Untersuchungen durchgeführt werden, bei denen das Sichtfeld ermittelt wird.
Die erste Untersuchung sollte die Suche nach Rubeosis iridis (in die Regenbogenhaut eingesprosste Gefäße) sein. Hierzu verwendet der Augenarzt eine spezielle Lupe, die direkt auf die Hornhaut aufgesetzt wird (Kontaktglas) Für diese Untersuchung darf die Pupille nicht künstlich erweitert werden, da sonst die Regenbogenhaut nicht beurteilt werden kann. Die Hornhaut selbst muss jedoch vorher örtlich betäubt werden, um eine Lidschutzreflex zu vermeiden.
Eine weitere sehr wichtige Untersuchung stellt die Beurteilung des Augenhintergrundes dar. Dazu muss die Pupille mit Parasympatholytika (z.B. Atropin) erweitert werden. Diese Medikamente können ganz einfach als Augentropfen verabreicht werden. Sie entfalten ihre Wirkung schnell. Dann blickt der Augenarzt durch ein Gerät, das sowohl eine Linse als auch eine Lupe enthält. Damit kann er den Augenhintergrund (Fundus) und die Netzhaut sehen. Interessant sind vor allem die Blutgefäße, die in der Netzhaut verlaufen, und der Sehnerv, der aus der Netzhaut aus- und in das Gehirn eintritt.
Wenn es schon zu Einblutungen in den Glaskörper oder starker Trübung der Augenlinse gekommen ist, kann die Beurteilung der Netzhaut erschwert sein. Dann wird meist eine Ultraschalluntersuchung des Auges bevorzugt.
Eine weitere Untersuchungsmethode ist die Fluoreszenzangiografie (FGA). Hierbei wird ein Kontrastmittel injiziert, das dann im Auge sichtbar wird. Diese Methode eignet sich vor allem zur Erfassung von Gefäßveränderungen und Wassereinlagerungen. Außerdem kann diese Methode angewendet werden, um eine Laser-Behandlung zu planen.
Auch die bereits bestehende Diabetes-Erkrankung sollte näher untersucht werden. Wichtiger als der aktuelle Blutzuckerwert ist hierbei der HBA1C-Wert. Er sagt aus, wie viel Prozent eines bestimmten Proteins mit Zucker beladen ist. Dadurch lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, wie hoch der Blutzucker der letzten Wochen durchschnittlich war. Diese Untersuchung umfasst mehrere Wochen vor dem Untersuchungsdatum und ist sensibler als der aktuelle Blutzucker.
Die Behandlung der diabetischen Retinopathie sollte schon vor dem Auftreten der Erkrankung beginnen.
Um Schäden an der Netzhaut zu vermeiden, sollte das Auftreten von Gefäßveränderungen verhindert werden. Bei bestehendem Diabetes ist es wichtig, den Blutzucker zu kontrollieren und im vorgesehenen Bereich zu halten. Auch andere Organe (wie die Nieren) sollten untersucht werden, da sie indirekt (beispielsweise über die Blutdruckregulation) die Erkrankung beeinflussen können.
Es existieren verschiedene Operationsmöglichkeiten, die eine Retinopathie zeitweise heilen können, die Ursache kann jedoch noch nicht behandelt werden, weshalb ein erneutes Auftreten wahrscheinlich ist, wenn der Blutzucker nicht gut kontrolliert wird.
Die Laser-Therapie der diabetischen Retinopathie wird in Lokalanästhesie durchgeführt. Dabei werden blutende und veränderte Blutgefäße mit einem Laser verödet. Bei der Hälfte aller Behandelten bleibt die Sehschärfe erhalten. Diese Therapie wird nicht nur einmalig durchgeführt, sondern über einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen mehrmals wiederholt.
Eine weitere Möglichkeit, die diabetische Retinopathie zu behandeln, ist die Vitrektomie. Hierbei wird der Glaskörper des Auges entfernt und durch eine durchsichtige Flüssigkeit ersetzt. Diese Methode wird bevorzugt, wenn es bereits zu Blutungen im Glaskörper oder Netzhautablösungen gekommen ist.
Begleiterscheinungen der Retinopathie, wie ein Glaukom, müssen mitbehandelt werden, etwa durch eine Augendrucksenkung.
Wie jede Operation bergen auch diese Behandlungen gewisse Risiken. Neben allgemeinen Operationsrisiken wie Infektionen und Bildung von Narbengewebe kann es vor allem bei der Laseroperation zur erneuten oder verstärkten Bildung von Ödemen (Wassereinlagerungen) kommen, die eine schon bestehende Beeinträchtigung der Sehschärfe noch verstärken kann.
Bei frühzeitigem Besuch eines Augenarztes kann das Augenlicht des Betroffenen meist erhalten werden. Allerdings sollte auch bei frühzeitigem Arztbesuch eine regelmäßige Kontrolle der Blutzuckerwerte erfolgen, um weitere Schäden zu vermeiden.
Letzte Aktualisierung am 07.09.2021.